Wie zwei schreckliche Verbrechen die Idylle erschüttern

Die Polizei sichert den Tatort In Rot am See im Landkreis Schwäbisch Hall.

Die Polizei sichert den Tatort In Rot am See im Landkreis Schwäbisch Hall.

Güglingen/Rot am See. Keine hundert Kilometer liegen zwischen Rot am See und Güglingen. Und nur etwa zwölf Stunden liegen zwischen den blutigen Taten, die die zwei idyllischen baden-württembergischen Kleinstädte in Schock versetzen. In beiden Fällen gehören die Opfer zur Familie des mutmaßlichen Täters. Und in beiden Fällen sind Hintergründe und Motive noch völlig unklar.

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Der mit einem Band gesperrte Tatort in Güglingen. Ein 15-Jähriger ist hier in der Nacht zum Samstag getötet worden. Die näheren Umstände sind noch unklar.

Der mit einem Band gesperrte Tatort in Güglingen. Ein 15-Jähriger ist hier in der Nacht zum Samstag getötet worden. Die näheren Umstände sind noch unklar.

Am Samstagmittag sitzt eine Handvoll Gäste am Tresen einer Kneipe in der 6375-Einwohner-Gemeinde Güglingen, rund 20 Kilometer südwestlich von Heilbronn. "Wir sind schockiert", sagt eine Frau. Erst vorhin hätten sie es erfahren: In einem Aussiedlerhof etwas außerhalb der Kleinstadt war in der Nacht ein 15-Jähriger getötet worden. Sein 17 Jahre alter Bruder und sein 54 Jahre alter Vater kamen schwer verletzt ins Krankenhaus. Bei allen dreien stellte die Polizei Stichverletzungen fest. Die Polizei geht davon aus, "dass sich die Tat innerhalb der Familie abgespielt hat".

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Das Wohnhaus der Familie ist ein mondänes Anwesen mit weitläufigem Garten. "Betucht" seien die Leute, erzählt die Frau in der Kneipe. Die Familie sei alteingesessen, erzählt ein Mann ihr gegenüber. Bekannt im Ort, aber nicht so richtig integriert. Die Jugendlichen und der Vater lebten laut Polizei gemeinsam auf dem Anwesen. Zur Mutter gab es zunächst keine Angaben. Es seien noch viele Dinge unklar, teilte die Polizei mit. Hinweise auf eine flüchtige Person gebe es nicht. Eine der drei Personen habe den Notruf abgegeben. Der ging am Samstag um kurz nach ein Uhr nachts bei der Polizei ein.

Der Schock sitzt noch tief

Zu der Zeit saß der Tatverdächtige in einem anderen blutigen Verbrechen bereits in einer Polizeizelle: Keine hundert Kilometer entfernt vom Tatort in Güglingen hatte sich am Freitagmittag in Rot am See im Nordosten Baden-Württembergs ein 26-Jähriger bei der Polizei gemeldet und sich kurz darauf ohne Widerstand festnehmen lassen. Sechs Menschen soll der Mann mit einer Pistole getötet haben: Seine eigenen Eltern und vier weitere Verwandte.

Tränen in den Augen

In der idyllischen Gemeinde mit knapp 5400 Einwohnern sitzt auch am Samstag der Schock noch tief. Der Tatort, ein zweistöckiges Backsteinhaus, ist rundum mit rot-weißen Bändern abgeschirmt. Ab und zu kommen Anwohner, die an der Absperrung Kerzen oder Blumen ablegen. "Sehr nette, freundliche Leute" seien die Eltern des 26-Jährigen gewesen, die in dem Haus eine Kneipe betrieben. Der Wirt sei in dem Ort tief verwurzelt und bekannt gewesen, sagt ein Mann, der wenige Meter entfernt vom Tatort in einem Supermarkt einkaufen will. Er hat Tränen in den Augen. Viel Zeit seines Lebens habe er in dem Lokal verbracht und den Wirt gut gekannt. "Schrecklich! Man kann sich nicht vorstellen, warum und weshalb", sagt eine Frau, die vor dem Haus eine Kerze abstellt.

Tatsächlich tappen die Ermittler auch hier bei der Suche nach Beweggründen im Dunkeln. Am Samstag verhängte der zuständige Ermittlungsrichter Untersuchungshaft wegen des Verdachts des sechsfachen Mordes. Fest steht, dass es sich bei den Toten um den Vater (65) und die Mutter (56) des 26 Jahre alten Tatverdächtigen handelt. Auch die weiteren Toten - Männer im Alter von 36 und 69 Jahren sowie Frauen im Alter von 36 und 62 Jahren - sind mit dem mutmaßlichen Schützen verwandt. Bei ihnen handelt es sich laut Polizei um Onkel, Tante und Stiefgeschwister des Mannes. Ebenso verwandt sind der angeschossene 68-Jährige, der weiter in Lebensgefahr schwebt, und eine 64-Jährige, die leichtere Schussverletzungen erlitt. Außerdem soll der Mann zwei Jugendliche im Alter von 12 und 14 Jahren bedroht haben, die körperlich nicht verletzt wurden und ebenfalls zur Verwandtschaft gehören.

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Mutmaßliche Täter gilt als höflich, aber verschlossen

Die mutmaßliche Tatwaffe, eine Pistole vom Kaliber neun Millimeter, besaß der Mann legal: Als Sportschütze hatte er eine Waffenbesitzkarte. Bis vor etwa fünf Jahren sei er beim Schützenverein Brettenfeld-Rot aktiv gewesen, erzählt der Vorstand des Vereins. Der damals etwa 20-Jährige sei höflich gewesen, aber auch zurückhaltend und etwas verschlossen. Nach einem halben oder dreiviertel Jahr sei er weitergezogen, zum zweiten Schützenverein im Ort. Denn der hätte eine 25-Meter-Schießanlage. "Dort konnte er auch Sportpistole schießen", sagte der Vorstand. Der mutmaßliche Täter sei ihm damals vorgekommen "wie ein junger, heranwachsender Mann, der seinen Platz im Leben sucht", sagt er. "Vielleicht hätte ich ihm auch helfen können, diesen Platz im Leben zu finden."

Und dann werden die Einwohner von Rot am See auch am Samstag noch einmal hochgeschreckt. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Tod der sechs Menschen rückt erneut die Polizei erneut aus. Geräusche wie Schüsse seien gehört worden. Ein Spezialeinsatzkommando nimmt einen Mann unverletzt fest. Ob es wirklich Schüsse aus einer Waffe waren, ist zunächst unklar. Ein Polizeisprecher sagte, möglich sei, dass ein Trittbrettfahrer nach der Bluttat vom Vortag die Aufmerksamkeit auf sich habe ziehen wollen.

RND/dpa

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