Bayern war sein Zuhause

Das Verhältnis von Benedikt XVI. zu seiner Heimat

Das Geburtshaus des emeritierten Papstes Benedikt XVI. im bayerischen Marktl.

Das Geburtshaus des emeritierten Papstes Benedikt XVI. im bayerischen Marktl.

Zu seiner bayerischen Heimat hatte Joseph Ratzinger immer ein enges Verhältnis. Noch seine letzte Reise führte ihn im Juni 2020 vom Vatikan nach Regensburg, wo er seinen im Sterben liegenden Bruder Georg Ratzinger, damals 96 Jahre alt, besuchte. Dieser war bekannt als früherer Leiter des Knabenchors Regensburger Domspatzen.

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Der Tod des 95-jährigen Ex-Papstes kam nicht völlig überraschend, so dass sich seine Heimatorte auf das Gedenken einstellen konnten. In seinem Geburtsort Marktl am Inn im östlichen Bayern ist Trauerbeflaggung angeordnet und sein Geburtshaus – jetzt Papst-Museum – am 1. Januar außer der Reihe geöffnet. In der Pfarrkirche wird ebenfalls an Neujahr am Abend der Sterberosenkranz gebetet. Ähnliches war in Passau und Altötting geplant, mit denen Benedikt XVI. sehr verbunden war.

Die 2800-Einwohner-Gemeinde Marktl am Inn lässt als Herkunftsort auf einen späteren religiösen Werdegang schließen: Der Wallfahrtsort Altötting mit seiner Schwarzen Madonna liegt um die Ecke, er ist ein Zentrum des konservativen Katholizismus. Ratzinger erinnerte sich an Wallfahrten der Familie in seiner frühen Kindheit.

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Familiär war Ratzinger eine Theologenlaufbahn nicht in die Wiege gelegt

Familiär hingegen war ihm eine Theologenlaufbahn nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Der Vater war Gendarmeriebeamter – ein damaliger Polizeisoldat –, weswegen die Ratzingers häufig in der Region umziehen mussten, die Mutter Köchin. Georg Ratzinger und sein jüngerer Bruder Joseph waren schon früh vom Katholizismus angezogen. Die Schwester Maria hingegen wurde Sekretärin und führte später den Haushalt von Joseph Ratzinger.

Nach dem Zweiten Weltkrieg – Ratzinger war noch mit 16 Jahren als Luftwaffenhelfer nach München eingezogen worden – studierte er Theologie, gemeinsam mit dem Bruder Georg wurde er 1951 im Freisinger Dom zum Priester geweiht. Joseph Ratzinger promovierte und habilitierte anschließend, 1958 erhielt er im Alter von 31 Jahren in Freising seine erste Professur für „Dogmatik und Fundamentaltheologie“. Später zog es ihn unter anderem an die Universitäten Tübingen und Regensburg.

Ein Mann des Geistes und der strengen Theologie

Der spätere Papst erscheint durch und durch als ein Mann des Geistes und der – strengen – Theologie. In seinen vielen Schriften geht es um Dogmatik, Sakramente, Liturgie oder den Marienglauben. In katholischen Kreisen wurde er etwa von seinem Biografen Michael Hesemann als „größter Theologe unserer Zeit“ gelobt.

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Papst Benedikt XVI. gestorben

Fast zehn Jahre ist der spektakuläre Rücktritt von Papst Benedikt XVI. her, den er mit nachlassenden Kräften begründete.

Seine Positionen blieben immer betont konservativ, manche würden sie als reaktionär bezeichnen. Ratzinger verteidigte den Zölibat und stemmte sich gegen die Anerkennung schwuler oder lesbischer Beziehungen. Er wirkte mit an genauen Festlegungen zur katholischen Sexualmoral, was diesbezüglich Katholikinnen und Katholiken gestattet ist und was nicht. Noch 2019 im Alter von 92 Jahren ereiferte sich der Ex-Pontifex in einem Aufsatz über die „Lockerung der Moral“ im Zuge der 68er-Bewegung. Deren Ideen wollte er eine Mitverantwortung an den Missbrauchsverbrechen in der katholischen Kirche unterschieben.

Ratzinger wollte in seinem geliebten Regensburg bleiben

Joseph Ratzinger wollte in seinem geliebten Regensburg bleiben, wo er zusammen mit dem Bruder gelebt hatte. Er sah sich als Bayer, und doch hatte er mit dem manchmal lockeren bayerisch-barocken Katholizismus, der auch mal fünfe gerade sein lässt, nichts gemein. Leben und leben lassen, nach der Kirche geht’s ins Wirtshaus – das war nicht seine Welt.

1977 ordnete ihn der Papst Paul VI. ab als Erzbischof der Diözese München-Freising. 1982 holte ihn Papst Johannes Paul II. in den Vatikan als Leiter der Glaubenskongregation. Da war er ganz in seinem Element. Sein Job als Leiter dieser Vatikan-Abteilung bestand unter anderem darin, die katholische Glaubens- und Sittenlehre zu bewahren und vor Angriffen zu schützen.

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Regelrechte Benedikt-Euphorie in Bayern nach Wahl zum Papst

Nach der Wahl zum Papst im April 2005 verbreitete sich in Bayern eine regelrechte Benedikt-Euphorie. Sein Geburtsort Marktl wurde zum Papstort umgebaut mit Museum, Stele, seiner Taufkirche und einem goldenen Kelch im Heimatmuseum, aus dem Ratzinger einst in seiner Privatkapelle getrunken hatte. Viele Orte machten ihn zum Ehrenbürger. Vor der Traunsteiner St.-Oswald-Kirche steht eine Büste von ihm, der zentrale Platz wurde umbenannt in Papst-Benedikt-XVI.-Platz.

Über seine Zeit als Erzbischof für München und Freising hat sich Anfang 2022 jedoch ein großer Schatten gelegt. In einem Gutachten zum Missbrauch in der katholischen Kirche wurde er vor allem wegen des Falls des verurteilten Sexualverbrechers und Priesters Peter Hullermann belastet. Dieser war von Nordrhein-Westfalen nach München zwangsversetzt worden. Joseph Ratzinger soll demnach von seiner Vergangenheit gewusst haben. Dennoch konnte Hullermann auch in München weiterhin Jungen sexuell missbrauchen.

Er ist ja Wissenschaftler, aber jetzt muss es bei ihm menscheln.

Benedikt Dittmann, Bürgermeister von Marktl, forderte 2022 Aufklärung der Missbrauchsvorfälle

Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) hatte Benedikt Dittmann, der 31-jährige Bürgermeister von Marktl, im Februar 2022 die volle Aufklärung der Vorfälle gefordert und über Joseph Ratzinger gesagt: „Er ist ja Wissenschaftler, aber jetzt muss es bei ihm menscheln.“ Der Gemeinderat hat nun beschlossen, dass er Ehrenbürger bleibt. Diese Würde ließ ihm die Stadt Regensburg nach Debatten nicht zukommen, und in der Domstadt Freising wurde der Plan fallen gelassen, eine Benedikt-Heiligenbüste auf die Korbinanbrücke über die Isar zu stellen.

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Benedikt wird in Rom bestattet

Georg Ratzinger ist in Regensburg auf dem Unterer Katholischen Friedhof beigesetzt. Nach dem Tod werden die Brüder zumindest räumlich nicht wieder zusammenfinden. Denn der Ex-Papst Benedikt XVI. hat festgelegt, dass er wie viele seiner Vorgänger in der Krypta des Petersdoms bestattet wird.

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