Dänen, Tränen, Lug und Trug – die letzte Staffel „The Last Kingdom“
Ein Held im letzten Kampf um sein Recht: Uhtred (Alexander Dreymon) will endlich der Herr des Nordens werden. Die finale Staffel von „The Last Kingdom“ ist bei Netflix gestartet.
© Quelle: Netflix/Joe Alblas
Es geht um Bebbanburg, und damit um alles oder nichts. Und diese Festung, deren Name ein wenig nach Babypuder klingt, ist ein imposantes Palisadenwerk, das auf den Klippen Nordumbriens steht, als hätten alte Götter selbst die Bäume gefällt und die Stämme in den Grund geschlagen. Zum Ende der vierten Staffel hatte Held Uhtred sein dortiges Geburtsrecht immer noch nicht wiedererlangt. In der fünften und letzten Runde der Serie um das mittelalterliche Mit- und Gegeneinander von Dänen und Sachsen auf englischem Boden muss der Recke mit dem Rückenschwert nun endlich Herr des Nordens werden. Natürlich stellt er sich wieder vor wie ein James Bond aus alten Zeiten: „Ich bin Uhtred, Sohn des Uhtred“. Und natürlich spricht er auch wieder und wieder den Kernsatz der Bernard-Cornwell-Romanverfilmungen: „Das Schicksal ist alles!“
Als Junge wird Uhtred von seinem Onkel betrogen, nicht nur um sein Erbe, sondern auch um seine Identität. Als Geisel und Ziehsohn des Wikingers Ragnar ist er über alle vier Staffeln hin- und hergerissen zwischen seinen sächsischen Wurzeln und seiner dänischen Familie. Und es scheint nun am Ende aller Episoden keine andere Lösung zu geben, als beide Teile seiner selbst zu versöhnen und für sich einzustehen, statt weiterhin anderen Oberhäuptern dienstbar zu sein. Ja, wir sind zurück im zehnten Jahrhundert, und seit Netflix Stephen Butchards Historienserie von der BBC übernahm, sieht die Vergangenheit viel viel größer und wuchtiger aus.
Das letzte Streiten eines im Entstehen begriffenen vereinten Englands unter dem moralisch nicht unstrittigen König Edward gegen die Bebbanburg-Besetzer unter dem schottischen König Konstantin besitzt in der zehnten und letzten Folge jedenfalls eine Monumentalität, die der mancher „Game of Thrones“-Schlachten kaum nachsteht.
In der Welt von Uhtred scheint zehn Jahre später alles gut
Daran, dass solche Bilder meist blutig sind, hat sich der Zuschauer zwar schon seit vielen Jahren gewöhnt. Die „Last Kingdom“-Macher übertreiben aber fürs Finale und so wird dem Publikum mulmig zumute, nicht zuletzt wohl, weil einem der mutwillig gebrochene Frieden im Osten zu schaffen macht. Es wird wirklich gestorben in Europa und plötzlich wirkt allzu drastische Gewaltdarstellung in der Fiktion deplatziert.
Dabei sind es sowieso eher die dramatischen Zuspitzungen in der Geschichte einer Selbstsuche, die „The Last Kingdom“ auch im letzten Durchgang sehenswert machen. Nach einem Zeitsprung von gefühlt zehn Jahren treffen wir Uhtred (Alexander Dreymon) in Runcorn als Wächter der Grenzen Merziens wieder, ein Job, den er mit seinen Getreuen für die geliebte, zölibatär lebende Prinzessin Athelflaed (Millie Brady) erledigt.
Uhtred hat zudem Aethelstan (Caspar Griffiths), den unehelichen Sohn König Edwards, großgezogen und beschützt. Und auch lange nichts mehr von seiner Ziehschwester und Erzfeindin Brida (Emily Cox) gehört. „Ich werde dein Untergang sein!“ hatte die ihm zuvor geschworen. Seit vielen Jahren herrscht Frieden im Land, Uhtreds Tochter Stiorra (Ruby Hartley) fühlt sich in York an der Seite des Wikinger Sigtryggr (Eysteinn Sigurðarson) wohl, und alles könnte gar nicht besser laufen.
Rachsucht und Intrigen liegen in der Luft
Aber das Schicksal, das alles ist, ist eben auch ein mieser Verräter. „Die Luft riecht verfault“, raunt Uhtred zu Beginn der neuen Staffel. Na klar – das sind die Intrige und der Verrat, die beide anrüchigst heraufziehen. Und das ist Brida, die auf Island ein Götterzeichen (Vulkanausbruch) bekommen hat. Odin meint, es sei jetzt die rechte Zeit für Rachsucht, und so segeln sechs Drachenboote von der unwirtlich schönen Insel los. Sigtryggrs Bruder Ragnall (der Name klingt in der Serie wie „Rugenwald“, sodass man immerzu an Wurst denkt) erweist sich hinter seinem clownesken Auftreten auch als unberechenbarer Hort für Heimtücke.
Und nicht zu vergessen: Der verschlagene Lord Aethelhelm (Adrian Schiller), König Edwards Schwiegervater, will seiner Blutlinie zur Krone verhelfen und setzt dafür erst mal ein Mordkommando auf Jung Aethelstan an.
Viele weitere unvergessliche Momente werden von den Machern gereicht. Die Liebe setzt die Höhepunkte, unsterblich geglaubte Charaktere segnen das Zeitliche und für mindestens eine der Abschiedsszenen dieser Staffel sollte man die Taschentücher in Reichweite haben.
Anders als bei der Schlussrunde von „Game of Thrones“ werden die Publikumserwartungen bei „The Last Kingdom“ also bis zum Ende vollauf erfüllt. Auf dem Wikingerdienst Netflix – bei dem auch die lustigen „Norsemen“ zu Hause sind und wo zuletzt das „Vikings“-Spinoff „Vikings: Valhalla“ anlief – bringt ein fantastisches Ensemble eine ausgefeilte filmische Erzählung zu einem zufriedenstellenden Schlusspunkt. Wobei Uhtreds neues Selbst- und Sendungsbewusstsein für eine royale Verstimmung beim mittlerweile durchaus mordaffinen König Edward sorgt, die der Stoff sein könnte, aus dem der Film „Seven Kings Must Die“ ist, der noch in diesem Jahr entstehen soll.
Uhtred, der Sohn des Uhtred, im Kino? Verdient hat er‘s allemal.
„The Last Kingdom“, fünfte und letzte Staffel, zehn Episoden, von Stephen Butchard, mit Alexander Dreymon, Emily Cox, Millie Brady, Timothy Innes, Cavan Clerkin (streambar bei Netflix)