Rechtsextreme podcasten ungestört bei Spotify
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/4IRZYCFGAZARJMWRSZJICSC34M.jpeg)
Auf Spotify gibt es unzählige Podcasts – unter anderem auch den der rechtsextremen Gruppierung “Ein Prozent”.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
Hannover. Die Corona-Krise stellt das ganze Land vor riesige Herausforderungen – und längst haben auch Rechtsextreme erkannt, diese Situation für sich zu nutzen. Vor allem die Verschwörungstheorien rund um die Corona-Pandemie sorgen für Verunsicherung und werden zu einer echten Gefahr. Doch rechte Gruppierungen haben inzwischen auch ganz andere Möglichkeiten entdeckt, um Menschen für ihre Ideen zu gewinnen.
Eine dieser Ideen nennt sich “Lagebesprechung” – ein “Podcast zur Coronakrise”, wie seine Macher ihn selbst ankündigen. “Die Coronakrise hält Deutschland und Europa im Würgegriff”, heißt es in der Beschreibung der Sendung. “Bürgerliche Freiheiten werden eingeschränkt und unsere Volkswirtschaft steht vor scheinbar unlösbaren Aufgaben. (...) Viele Bürger fühlen sich nicht richtig informiert – und werden gleichzeitig von der Geschwindigkeit der Information überrollt. Wir wollen mit diesem Podcast einen Beitrag zur seriösen Information unserer Mitbürger leisten.”
Was zunächst tatsächlich seriös und gutbürgerlich aussieht, ist in Wirklichkeit eine Produktion der Gruppierung “Ein Prozent”. Die Gruppe hatte sich im Zuge der Flüchtlingskrise gegründet, um rechtsextremes Gedankengut in die Bevölkerung zu tragen – und das ganz ohne schrille Parolen, sondern so unauffällig, wie es nur geht.
Wie das Berliner Bündnis gegen Rechts berichtet, ist der Initiator und Moderator des neuen Podcasts ein Aktivist der Identitären Bewegung.
Bekannte rechte Köpfe stecken hinter “Ein Prozent"
Bereits seit einigen Jahren versucht das Netzwerk “Ein Prozent“ “alternative Medien” für “Patrioten” aufzubauen – und das im Deckmantel der bürgerlichen Mitte. Der Podcast ist daher auch auf allen gängigen Podcast-Portalen zu finden, etwa auf Spotify und bei Apple Podcasts. Zu den Gründungsmitgliedern von “Ein Prozent” gehören der neurechte Vordenker Götz Kubitschek aus Sachsen-Anhalt, der Chefredakteur des rechten Compact-Magazins Jürgen Elsässer sowie Philip Stein, ein junger Verleger und Burschenschaftler – und heute Chef von “Ein Prozent”.
In den vergangenen Jahren mischte die Gruppe unter anderem bei Pegida in Dresden mit, marschierte bei den Anti-Asyl-Protesten in Cottbus. Als in Arnsdorf eine Bürgerwehr einen Flüchtling an einen Baum fesselte, soll die Gruppierung dem Angeklagten 20.000 Euro gespendet haben. Vor der Bundestagswahl 2017 verbreitete die Gruppe Propagandavideos mit AfD-Männern, später kündigte sie an, dass sich Rechtsgesinnte bundesweit in Betriebsräte wählen lassen sollen.
Aktion #keinspotifyfürnazis
Im Podcast des rechten Netzwerks hat der ehemalige FPÖ-Innenminister Herbert Kickl einen Auftritt – und ebenso Jonas Schick und Heinrich Sickl. Beide sind Vertreter der Identitären Bewegung und rechter Burschenschaften.
Die Podcasts selbst sind dafür einigermaßen moderat: Verschwörungstheorien scheinen nicht zum Grundkonzept der Macher zu gehören – vielmehr scheint man zu versuchen, rechte Ideen in Zwischentönen einfließen zu lassen. “Den Protagonisten gelingt es genauso wenig wie der AfD oder anderen Rechtsradikalen, eine originäre Antwort auf die Corona-Krise zu geben. Die Zuhörer*innen werden auf die Zeit nach der Krise vertröstet, die Zeit der ‘großen Abrechnung mit der Regierung’”, analysiert das Berliner Bündnis gegen Rechts.
Die Berliner Aktivisten haben in den sozialen Netzwerken inzwischen eine eigene Kampagne gestartet: #keinspotifyfuernazis. Nutzer sollen dem schwedischen Streamingdienst eine Nachricht schreiben und darum bitten, den Podcast der rechten Gruppierung zu löschen. Einige Nutzer twitterten sogar Jan Böhmermann an, damit dieser das Thema in seinem Podcast “Fest & Flauschig” thematisiert. “Bei Spotify und Apple setzen die Rechten ihr Konzept der alternativen Medien um. (...) Spotify darf nicht Teil der rechten Medienstrategie werden", heißt es als Begründung.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Bislang schweigt Spotify
Dass die Kampagne Erfolg haben könnte, zeigen Aktionen aus der Vergangenheit. So wurde beispielsweise bereits der Instagram-Account von “Ein Prozent” gesperrt. Das soziale Netzwerk war damit sogar vor Gericht erfolgreich: Das Landgericht Görlitz hatte im November eine Klage des rechten Vereins abgewiesen. Instagram habe glaubhaft gemacht, dass “Ein Prozent” personelle und sachliche Beziehungen zur Identitären Bewegung unterhalte, so das Gericht in seiner Begründung.
Ob der Podcast der rechtsextremen Gruppierung auch auf Spotify verschwinden wird, ist bislang allerdings fraglich. Das Unternehmen hat sich bislang weder auf die Social-Media-Beiträge noch auf eine Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) reagiert. Auch eine Anfrage bei Apple blieb bislang unbeantwortet.