Gesperrte Accounts: Wer bald wieder twittern könnte – und wer nicht
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Elon Musk hat seine Nutzerinnen und Nutzer abstimmen lassen, ob Ex-Präsident Trump zu Twitter zurückkehren darf.
© Quelle: IMAGO/Wolfgang Maria Weber
Hannover. Dem sozialen Netzwerk Twitter könnte das nächste Chaos drohen. Nachdem Elon Musk bereits Tausende Mitarbeiter entlassen und zahlreiche Werbekunden vergrault hatte, will der neue Eigentümer nun Personen auf die Plattform zurückholen, die dort eigentlich permanent gebannt worden waren.
Als „General-Amnestie“ bezeichnet Musk den Schritt – in einer Twitter-Umfrage ließ er seine Follower darüber abstimmen. „Sollte Twitter gesperrten Konten eine allgemeine Amnestie anbieten, vorausgesetzt, sie haben nicht gegen das Gesetz verstoßen oder sich an ungeheurem Spam beteiligt?“, hieß es dort. 72,4 Prozent stimmten für „ja“. In der kommenden Woche sollen die betroffenen Profile reaktiviert werden.
Freuen dürften sich darüber wahrscheinlich insbesondere zahlreiche Privatpersonen, die wegen hasserfüllter Inhalte zuletzt von der Plattform verbannt worden waren. Doch auf der Liste stehen auch Dutzende prominente Namen. Wen genau Musk entbannen will, ließ der Twitter-Chef zunächst offen. Bei wem wäre ein solches Comeback denkbar?
Keine Gnade für Alex Jones
Relativ klar scheint: Der Verschwörungsideologe Alex Jones soll auch weiterhin keine Plattform auf Twitter bekommen. Jones war 2018 zunächst wegen „Anstiftung zur Gewalt“ von Netzwerk suspendiert worden, im September 2018 wurde er schließlich wegen „missbräuchlichen Verhaltens“ verbannt. Musk hatte vor einigen Tagen bereits erklärt, dass das auch so bleiben soll.
Als Begründung zitierte Musk auf Twitter Bibelstellen und machte seinen Unmut über Jones deutlich. Auch eine persönliche Tragödie spielt offenbar bei dieser Entscheidung eine Rolle. „Mein erstgeborenes Kind ist in meinen Armen gestorben“, schrieb Musk. „Ich habe seinen letzten Herzschlag gespürt. Ich habe keine Gnade für jemanden, der den Tod von Kindern für Gewinn, Politik oder Ruhm nutzt.“
Jones war mit bizarren Verschwörungsmythen auf seiner Plattform „Infowars“ bekannt geworden. Sämtliche sozialen Netzwerke sperrten mit der Zeit seine Accounts. Im Herbst war Jones wegen seiner Lügen über den Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule 2012 zur Zahlung von Hunderten Millionen Dollar Schadenersatz verurteil worden.
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Rechte Trump-Fans können auf Comeback hoffen
Bei anderen Protagonisten und Protagonistinnen aus dem amerikanischen Alt-Right- und Verschwörungsumfeld ist die Lage nicht ganz so klar.
Da wäre etwa Milo Yiannopoulos, der Donald Trump mit bizarren Aktionen im Wahlkampf unterstützt hatte. Er trat in New York etwa in einer Badewanne mit Schweineblut auf und erklärte, es handele sich um das Blut von unschuldigen Menschen, die von illegalen Einwanderern getötet worden seien. Nicht nur Twitter, auch andere Plattformen wie Facebook deaktivierten bereits 2016 das Profil des 38-Jährigen.
Yiannopoulos könnte ein Twitter-Profil gerade gut gebrauchen. Kanye West höchstpersönlich soll den Trump-Fanboy angeworben haben, um ihm bei seiner Kampagne für die Präsidentschaftswahl 2024 zu helfen. Zuletzt arbeitete er als Helfer für die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene. Kanye West selbst war bereits von Elon Musk begnadigt worden. Er war zuletzt mit antisemitischen Posts aufgefallen.
Die Rückkehr von Steve Bannon?
Auch Donald Trumps ehemaliger Chefstratege Steve Bannon flog 2020 von der Plattform Twitter, nachdem er die Enthauptung von Dr. Anthony Fauci und des FBI-Direktors Christopher Wray gefordert hatte.
„Ich würde die Köpfe auf Spieße setzen. Richtig. Ich würde sie an die beiden Ecken des Weißen Hauses stellen. Als Warnung an die Bundesbürokraten: Entweder macht ihr mit dem Programm weiter oder ihr seid weg“, so Bannon in einem inzwischen gelöschten Video.
Twitter hatte seine Maßnahmen für Tweets, die als Aufstachelung zu Gewalt angesehen werden, zuvor immer wieder deutlich verstärkt. Eine Regel, die Musk nun offenbar zurückdrehen will. Steve Bannon war zuletzt wegen Missachtung des Kongresses zu vier Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Zwitschert Hopkins bald wieder?
Die frühere Schauspielerin und heutige rechtsextreme Aktivistin Katie Hopkins darf seit Juni 2020 nicht mehr twittern. Sie hatte zuvor etwa Migranten mit Kakerlaken verglichen und behauptet, das Foto des toten syrischen Jungen Alan Kurdi sei inszeniert worden.
Auslöser für den permanenten Bann war am Ende aber offenbar ein Tweet, indem sie sich die frühere Schauspielerin über ein Schulprogramm echauffiert hatte, das Mahlzeiten für hungrige Kinder bereitstellt.
Twitter begründete die Entscheidung folgendermaßen: „Die Sicherheit von Twitter hat für uns oberste Priorität – Missbrauch und hasserfülltes Verhalten haben keinen Platz in unserem Dienst, und wir werden weiterhin Maßnahmen ergreifen, wenn unsere Regeln eingehalten werden sind kaputt. In diesem Fall wurde das Konto wegen Verstößen gegen unsere Richtlinie zu hasserfülltem Verhalten dauerhaft gesperrt.“
Ku Klux Klan und Alt-Right-Ikonen
Ebenfalls 2020 wurde David Duke von Twitter verbannt. Duke war von 1974 bis 1978 Anführer eines Ablegers des Ku Klux Klans und war regelmäßig mit Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie aufgefallen. Was genau schließlich der Grund für die Twitter-Sperre war, erklärte das Unternehmen seinerzeit nicht. Duke habe jedoch wiederholt gegen die Twitter-Regeln zu hasserfülltem Verhalten verstoßen.
Die Liste der gesperrten Personen ist noch lang: Die Alt-Right-Aktivisten Laura Loomer und Jacob Wohl, Anhänger der Qanon-Verschwörungsideologe wie Michael Flynn und Sidney Powell sowie Mike Lindell, der behauptet hatte, Donald Trump habe die Präsidentschaftswahl 2020 tatsächlich gewonnen.
Und dann wäre da noch Lin Wood, ein mit Trump verbandelter Anwalt, der behauptet hatte, die Belagerung des Kapitol sei nur „inszeniert“ gewesen.
Deutsche „Querdenker“ sind sowieso bei Telegram
Auch umstrittene deutsche Social-Media-Persönlichkeiten wurden bereits von Twitter verbannt. Seit Anfang des Jahres ist der Account der Plattform „apolut“ nicht mehr erreichbar. Das Portal scheint eine Art Nachfolger von KenFM zu sein, dem inzwischen eingestellten Angebot des Verschwörungsideologen Ken Jebsen – zumindest wird dessen Website KenFM.de dorthin umgeleitet. Auf Twitter ist auf dem früheren Account seit dem Frühjahr dieses Jahres zu lesen: „Twitter sperrt Accounts, die gegen die Twitter Regeln verstoßen“.
Auch Accounts aus dem Umfeld der umstrittenen „Querdenker“-Bewegung hat Twitter in der Vergangenheit deaktiviert. Meist betreffen die Sperren jedoch vor allem kleinere Accounts von Personen, die der Öffentlichkeit weniger bekannt sind. Sperren von Politikerinnen und Politikern waren in der Vergangenheit selten – und wenn, dann nur temporär.
So sperrte Twitter im November etwa kurzzeitig den Account der AfD wegen fragwürdiger Posts. Die Partei legte daraufhin jedoch erfolgreich Einspruch ein – der Account wurde wiederhergestellt.
Donald Trump und Kanye West sind wieder da
Wer künftig gesperrt wird oder bleiben darf, soll laut Musk ein internes „Content Moderation Council“ entscheiden, das unterschiedliche Ansichten vertritt. Zuletzt entschieden darüber vor allem die Fans von Elon Musik: Auf seinem Profil hatte der neue Twitter-Chef eine Umfrage gestartet und die Community gefragt, ob der Account des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump reaktiviert werden solle. Die Mehrheit stimmte mit „ja“.
Neben Trump wurden daraufhin auch die Accounts des umstrittenen Coachs und Frauenfeinds Andrew Tate, des Rapper Kanye West, der rechte Satireseite „The Babylon Bee“ und des Schriftsteller Jordan Peterson wiederhergestellt.
Musk selbst begründet seine Entscheidungen mit dem „Willen des Volkes“. Er twitterte den lateinischen Spruch „Vox Populi, Vox Dei“, was „die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes“ bedeutet. Von einer Volksabstimmung dürfte auf Twitter jedoch kaum die Rede sein. Völlig unklar ist etwa, wie viele Spam- und Fakeaccounts sich an der von Musk gestarteten Umfrage beteiligt haben.
Was geschieht mit Twitter?
Ebenso unklar ist, was die Entscheidung nun für die Plattform Twitter bedeuten wird. Werbekunden dürften kaum begeistert davon sein, wenn ihre Anzeigen künftig neben hasserfüllten Inhalten angezeigt werden – ein solches Szenario wäre bei der Reaktivierung der genannten Accounts zu erwarten. Musk allerdings hatte auf Twitter klargestellt, dass Hasspostings künftig die Reichweite entzogen werden solle. Twitter werde mit solchen Tweets kein Geld über Werbung einnehmen und sie würden nicht mehr über die Suchfunktion zu finden sein.
Ebenso ist unklar ist, wie die Nutzerinnen und Nutzer auf die Entscheidung reagieren werden. Gut möglich, dass weitere große Accounts zu Alternativplattformen wie Mastodon wechseln, wenn auf Twitter kein seriöser Austausch mehr möglich ist.
Musks Entscheidung könnte aber auch noch ein rechtliches Nachspiel haben. Insbesondere in der EU gelte für Plattformen deutlich strengere Regeln als in den USA. Da das Twitter-Büro in Brüssel seit dem Wechsel in der Chefetage vollständig geschlossen ist, befürchten Regulierungsbehörden bereits, dass Twitter nicht mehr über genügend Personal verfügt, um die Plattform ordnungsgemäß zu verwalten und Hassrede einzudämmen.