Ratsweinkeller: Ein Stück Stadtgeschichte endet
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Eine Ära endet: Hans-Jörg Bosch hört Ende Juni als Pächter des Ratsweinkellers auf.
© Quelle: Lea Rebuschat
Gifhorn. Generationen von Gifhornern haben bei ihm am Tisch gesessen, geschlemmt und gefeiert – von der Taufe über die Konfirmation hin zum Altersjubiläum – am 30. Juni endet nun die Ära Bosch im Ratsweinkeller. Ein Abschied, der gerade viele seiner Gäste bewegt. „Die Leute sind schließlich mit uns alt geworden“, sagt der Hausherr.
28 Jahre und einen Monat hat Hans-Jörg Bosch den Ratsweinkeller geführt. Legendär sind seine schwäbischen Spezialitäten. So mancher ordere gerade noch kiloweise Maultaschen, um noch eine Weile auf Vorrat zu Hause ein Stück Ratsweinkeller zu genießen. Warum der leidenschaftliche Koch und Macher den Ratsweinkeller aufgibt? Das Seufzen ist unüberhörbar. „Es ist alles toll gewesen, aber ich bin jetzt 60, seit Jahren habe ich einen 15-Stundentag und jetzt noch der Fachkräftemangel. Ich weiß nicht, wie ich das Problem lösen soll.“
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Wie geht es weiter mit dem Ratsweinkeller? Die Nachnutzung ist noch unklar.
© Quelle: Lea Rebuschat
Das Loslassen fällt trotzdem schwer
Man spürt es förmlich, loslassen von seinem Lebenswerk fällt ihm schwer. Zumal der gebürtige Schwabe in all den Jahren „mit den Gifhornern gewachsen“ sei. Er ahnt, mit seinem selbstgewählten Aus geht auch ein Stück Stadtgeschichte. Mit einem Lachen erinnert er sich da an die Anfänge. Drei Wochen vor dem Schützenfest eröffnete er mit Ehefrau Gabriela den Ratsweinkeller. Als dann abends die Schützen am Tresen standen und das Kommando zum Zapfen gaben, da habe er sich schon gewundert.
Aber Bosch wäre nicht Bosch, wenn er gleich den Takt der Stadt erfasst hätte. Im Laufe der Zeit mischte er bei Stadtfesten selbst oft mit. Kult ist sein Stand auf dem Altstadtfest im Laufe der Zeit geworden. Und der AZ verrät Bosch auch schon einmal, dass es in diesem Jahr noch ein letztes Mal den Bosch-Stand mit Maultaschen und Co. geben wird. „Davon konnte ich mich nicht lösen“, sagt er schmunzelnd.
Der Ratsweinkeller war keine Ein-Mann-Show
Viele seiner Gerichte haben Kultstatus in Gifhorn. „Das Gänse-Menü werden die Gifhorner sehr vermissen“, sagt der 60-Jährige. Ein Baustein seines Erfolgs, ein weiterer sei sein Konzept mit A-la-carte-Essen, Mittagstisch und Catering gewesen. Und was ihn durch all die Jahre besonders getragen habe, sei die Mithilfe von Ehefrau und den Kindern Björn und Lisa gewesen. Die wichtigeste Frau im Hintergrund jedoch: Schwiegermutter Ilona Engelschalk. „Ohne sie hätten wir das hier nie auf die Reihe gekriegt.“
Jahrelang unter Dauerstrom
Nun ist Schluss, Bosch möchte „raus aus dem Hamsterrad“, erlebt hat er als Koch genug – in jungen Jahren auch als Weltenbummler auf der MS Europa. Und genau deshalb mag er, der jahrelang unter Dauerstrom unterwegs war, auch keine Pläne schmieden, was er nun machen wird. Was er auf keinen Fall machen wird: Nach dem 30. Juni in der Nähe des Ratsweinkellers sein. Der Gedanke rührt ihn jetzt schon sichtlich an. „Auf jeden Fall wünsche ich dem Haus nur das Allerbeste. Wenn es die Nachfolger noch besser machen, dann freue ich mich und gehe vielleicht irgendwann hier selbst einmal essen.“
Die Stadt sucht Nachfolger
Wie geht es weiter mit dem gastronomischen Aushängeschild der Stadt mitten im Herzen Gifhorns? Die Stadt als Verpächter hat 500.000 Euro bereit gestellt für eine Sanierung des Gebäudes. Ein Planer wird die Bestandsaufnahme machen. Für die Nachfolge von Hans-Jörg Bosch wird die Verwaltung ein Ausschreibungsverfahren starten. Der zeitliche Rahmen sei noch offen, heißt es auf AZ-Anfrage.
Von Andrea Posselt