Wie funktioniert gewaltfreie Kommunikation?
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Auch in Konflikten ist es wichtig, Empathie für das Gegenüber aufzubringen.
© Quelle: Unsplash/Cytonn Photography
Tim nimmt an einer Teambesprechung teil. Er äußert sich zu einem strittigen Thema und Gerd, der Teamleiter, schreit ihn an: „Du bist so was von naiv – fällt dir nichts Besseres ein?“ Gut möglich, dass Tim Gerds Worte als Angriff auf seine Integrität und Würde auffasst und mit Gegenwehr oder Flucht reagiert. Blitzschnell durchfluten Stresshormone wie Adrenalin seinen Körper. In diesem Fall vielleicht für eine verbale Verteidigung und Gegenwehr. Mögliche Folgen: Streit, Eskalation, Wut oder Rachegedanken.
Damit verbunden ist das Denken in den Kategorien „gut“ und „böse“, „Lob“ und „Strafe“. Tatsächlich hat sich in unserer Kultur über Generationen hinweg dieses dualistische Denken manifestiert.
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Mit diesem Thema und der Suche nach Alternativen hat sich Marshall B. Rosenberg sein Leben lang beschäftigt. Er war davon überzeugt, dass diese Art des Bewertens und Verurteilens dem Leben nicht im Geringsten dienlich ist, sondern zu Abspaltung von der Mitmenschlichkeit führt und zur Gewalt auf der Erde beiträgt. Rosenbergs Gegenentwurf heißt „Gewaltfreie Kommunikation“.
Das Gegenüber als Auslöser unangenehmer Gefühle
Eine wesentliche Grundannahme dieses Modells und der damit verbundenen Haltung klingt zunächst ungewohnt: „Andere Menschen sind nur der Auslöser unserer unangenehmen Gefühle, niemals die Ursache. Die Ursache liegt vielmehr darin, dass durch das ‚negative‘ Verhalten der anderen Person der Erfüllungsgrad meiner Bedürfnisse in den Keller rutscht, was sich in Form von ‚negativen‘ Gefühlen äußert.“
Nach Rosenberg gibt es unterschiedliche Kategorien und entsprechende Reaktionsmöglichkeiten auf negative Äußerungen: Denke ich, dass jemand anderer schuld ist an meinen negativen Gefühlen, folgen reflexartig Beschuldigungen, Rechtfertigung, Verurteilung, Streit. Reagiert das Gegenüber einfühlsam auf denjenigen, der wütend und auch ungerecht ist, erkundet er seine Gefühle, Bedürfnisse, Vorstellungen und Anliegen, ist das Ergebnis Verbundenheit und eröffnet die Chance, dass sich seine Bedürfnisse mehr erfüllen und sich seine Gefühle verbessern. Erst wenn also Gerd genügend Empathie erfahren hat, ist er offen und bereit zu hören, worum es Tim geht und wie dieser sich fühlt.
Vom Schulddenken zur Empathie
Der griechische Philosoph Epiktet sagt: „Nicht die Gegebenheiten sind das Problem, sondern wie wir darüber denken.“ Wie aber gelangen wir von dem tradierten, automatisierten Denken in der Kategorie Schuld hin zur Kategorie Empathie? Hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel. Sie vergrößert unsere Bewusstheit und es kann uns mehr und mehr gelingen, den Raum zwischen Reiz und sich anbahnender schuldbasierter Reaktion zu öffnen.
Dann könnte Tim erst einmal schweigen und Gerd nach dem Meeting um ein Gespräch bitten. Bis dahin versucht Tim, nicht nur seine eigenen Gefühle zu formulieren, sondern sich auch in Gerd hineinzudenken und ihn dann zu fragen: „Habe ich recht mit meiner Vermutung, dass du ziemlich angespannt warst und dir mehr Effektivität gefehlt hat? Und du vielleicht die Erwartung hattest, wir hätten besser vorbereitet sein sollen?“ Empathie macht weich, öffnet und verbindet. Gerd hätte dann auch ein Ohr für Tim.
Helmut Nowak ist Coach und Lehrer für Achtsamkeit und Stressbewältigung und schildert hier regelmäßig, wie man lernt, bewusster zu leben. Der Autor ist zu erreichen unter www.achtsamkeit-und-co.de.
In der Kolumne „Auf der Couch“ schreiben wechselnde Experten zu den Themen Diversität, Achtsamkeit, Karriere und Gesundheit.