Eine Frage der Optik: Warum sind Toiletten weiß?
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Fast immer sind Toilettenschüsseln weiß. Warum nur?
© Quelle: Shutterstock
Moosgrün war sie – die erste Toilette, auf die ich je ging. Ich erinnere mich zwar nur schemenhaft an das damalige Bad meiner Eltern. Sicher weiß ich aber, dass alles darin grün war: die Badewanne, das Waschbecken, die Toilette – auch Wände und Fußboden waren grün gefliest, ein paar Nuancen dunkler als die Badkeramik. Nie wieder war eins meiner Badezimmer so bunt wie dieses. Dass ich mein Geschäft auf einer bunten Toilette verrichtete, kam danach ebenso selten vor.
Laut Villeroy und Boch, einem der größten Hersteller für Badkeramik in Deutschland, sind mehr als 97 Prozent der Toiletten, die sie verkaufen, weiß. Auch Laufen, ein international tätiges Unternehmen für Sanitärkeramik aus der Schweiz, geht „von über 95 Prozent weißen Toiletten“ aus. Aber warum, frage ich mich, ist das der Status quo?
Die Psychologie der Farbe Weiß
„Das ist eigentlich ganz einfach“, sagt mir Hygieneforscher Benjamin Eilts. „Wir verbinden mit der Farbe Weiß Reinheit, Unbeflecktheit, Unschuld – all diese sauberen Themen.“ Die weiße Toilettenschüssel soll vermitteln: Der unreine Prozess des Toilettengangs kann in etwas Reines überführt werden.
Diese Einteilung in reine und unreine Tätigkeiten entstammt noch altertümlichen Vorstellungen. „Das hat auch eine religiöse Ebene“, sagt Eilts. In vielen Religionssystemen gilt nicht nur der Toilettengang als ein unreiner Prozess, der bereinigt werden muss, sondern unter anderem auch die Menstruation.
Ob die meisten Menschen heute noch immer so strenge Vorstellungen im Kopf haben, ist fraglich. Trotzdem zieht sich die Farbe Weiß durch viele Bereiche, die mit Hygiene verbunden sind: Toilettenpapier und Taschentücher sowie Binden und Tampons werden häufig weiß geblichen, Handtücher und Bademäntel in Hotels sind meist weiß. Wir putzen unsere Zähne mit weißer Zahnpasta – und wenn wir ins Krankenhaus gehen, treffen wir auf Ärztinnen und Ärzte in weißen Kitteln. Waschmittel wird in der Fernsehwerbung mit weißen Bettlaken oder dem Spruch „Nicht nur sauber, sondern rein“ beworben.
Hygieneempfinden ist kulturell bedingt
„Sobald etwas nah an unseren Körper kommt, möchten wir dieses Unbefleckte haben“, sagt Eilts. Das habe sich bewusst oder unbewusst in den Köpfen von Menschen verankert, sagt der Professor für Reinigungs- und Hygienetechnik der Hochschule Albstadt-Sigmaringen. Eilts forscht unter anderem zum Hygieneempfinden und -verhalten von Menschen.
Dass die meisten verkauften Toiletten in Deutschland und Europa weiß sind, wundert Eilts nicht. Die Ansprüche an Reinheit und Hygiene seien in anderen Regionen der Welt aber noch viel ausgeprägter als in Europa, sagt Eilts. Denn sie unterliegen teils großen kulturellen Unterschieden. Immer wieder – etwa in der Kolonialzeit – wurde auch die Art und Weise, wie Menschen ihre Exkremente verrichten sollen, anderen Völkern übergestülpt.
Auch die Hersteller von Badkeramik verweisen übereinstimmend auf die psychologische Wirkung und kulturelle Bedeutung von weißer Farbe. „Weiß vermittelt ein Gefühl von Sauberkeit“, teilt mir ein Sprecher von Villeroy und Boch mit. Bei Laufen klingt das noch mehr nach Werbeslogan: „Weiß ist Sauberkeit, die man sehen kann.“
Welche Rolle spielt das Material?
Eine weitere Vermutung, warum Toiletten meist weiß sind, hat mit ihrem Material zu tun: Toilettenschüsseln sind aus Porzellan und das ist eben weiß, so dachte ich. Tatsächlich werden aber die meisten Toiletten heutzutage aus Sanitärkeramik gefertigt. Die besteht hauptsächlich aus Ton sowie den Stoffen Feldspat, Quarz und Kaolin, das auch als Porzellanerde bekannt ist. Porzellan setzt sich hingegen überwiegend aus dem seltenen Kaolin sowie Feldspat und Quarz zusammen – und ist dadurch weitaus edler, (teurer) und von Natur aus weißer als Sanitärkeramik.
Wird diese in ihre Form gegossen, hat sie zunächst eine bräunlich-beige Farbe. Wenn sie getrocknet ist, wird die Sanitärkeramik eher hellbeige. Anschließend wird die Toilettenschüssel glasiert und in einem Ofen bei bis zu 1200 Grad Celsius gebrannt. Die beliebteste Glasur hat laut Herstellern die Farbe Alpinweiß. Es kann ihr aber auch jede andere Farbe beigemischt werden – Moosgrün zum Beispiel, so wie es in den 60er- und 70er-Jahren beliebt war.
Badmode statt Bademode
Mit den Wirtschaftswunderjahren wurde es nämlich richtig bunt im Badezimmer: Die Badkeramik erstrahlte oft in Schweinchenrosa, Azurblau oder Currygelb. Das Badezimmer meiner Eltern war in den 90er-Jahren ein modisch fragwürdiges Überbleibsel dieser Zeit. Eine Ära, in der der wirtschaftliche Aufschwung auch im Bad zu sehen sein sollte: Nicht nur Toilettenschüssel und Waschbecken standen damals im Fokus der neuen Badmode, sondern der Raum sollte insgesamt wohnlicher daherkommen.
Das ist auch heute wieder so: Schaut man in Möbelhäuser, findet man in Badezimmern bunte Wandfarbe, Pflanzen, Bilder und Dekoelemente wie Lampen. Die Badkeramik ist aber meist weiß. Das hat auch den Vorteil, dass es eine neutrale Farbe ist, die zu vielem passt. Wenn heutzutage doch farbige Badkeramik verbaut wird, dann meist nicht ganz so knallig wie damals, sondern eher in Pastelltönen, Schwarz oder Grau .
Es ist völlig egal, ob Toiletten schwarz, weiß, gelb, grün oder lila sind – der Prozess, sie zu reinigen, ist immer gleich. Der Aufwand kann unterschiedlich sein.
Benjamin Eilts,
Hygieneforscher
Aber: Sind die nicht auch schwieriger zu putzen? „Ich denke: Es ist völlig egal, ob Toiletten schwarz, weiß, gelb, grün oder lila sind – der Prozess, sie zu reinigen, ist immer gleich. Der Aufwand kann unterschiedlich sein“, sagt Eilts. Bei weißen Toiletten sieht man eher die menschlichen Hinterlassenschaften, auf schwarzer Badkeramik sind eher Kalkflecken zu sehen als auf der weißen Variante.
Bei Toilettenreinigern sind die Farb- und Hygienevorstellungen übrigens genau umgekehrt. Da gilt: Bunt ist besser. „Toilettenreiniger sind meist sehr bunt, damit man besser sieht, wo man schon geputzt hat“, erklärt Eilts. „Das kann auch beim Putzen motivieren.“ Blau, Violett oder Pink seien beliebte Farben. Farblose oder gelbe Reiniger würden hingegen nicht so gut ankommen. „Gelb assoziiert man wieder zu sehr mit dem Toiletteninhalt“, sagt Eilts lachend. Besonders gut für die Umwelt sind viele Farbstoffe jedoch nicht.
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Warum putzen Menschen Toiletten im öffentlichen Raum nicht?
Bleibt noch meine letzte Toilettenfrage offen, die mir immer dann wieder in den Sinn kommt, wenn ich ein öffentliches WC aufsuchen will: Warum putzen so viele Menschen die Toilette hinter sich nicht? Ich lese von Parcopresis und Paruresis – zwei Phänomenen, die auch als schüchterner Darm oder schüchterne Blase bezeichnet werden: Relativ viele Menschen haben Schwierigkeiten damit, auf öffentlichen Toiletten sowohl ihren Urin- als auch Stuhlgang zu vollziehen. Sie haben Ängste und schämen sich – sowohl für die Geräusche als auch Gerüche, die damit verbunden wären. Gibt es vielleicht auch eine ausgeprägte Scham für das Geräusch, das beim Toilettenputzen entsteht?
Das könne sein, sagt Eilts. Das größte Problem mit Toilettenbürsten, vor denen sich viele ekeln, sei aber ihre Unreinheit. „Wir haben schon in einigen Studien festgestellt, dass die Griffe von Toilettenbürsten sehr stark verkeimt sind.“ Da wird zumindest an öffentlichen Orten nicht gern hingefasst. Aber, so vermutet Eilts: „Dahinter steckt auch viel Faulheit.“
Eine Beobachtungsstudie, die Eilts schon für die Privatwirtschaft durchgeführt hat, kam zu einem weiteren spannenden Ergebnis: Toiletten werden meist in einem weniger hygienischen Zustand hinterlassen, wenn Geld für den WC-Besuch verlangt wird. Das verleitet viele Nutzende dazu, die Verantwortung für das Toilettenputzen gedanklich abzugeben. „Eigentlich hätte ich den gegenteiligen Effekt erwartet“, sagt Eilts, „also dass Menschen sich schämen, eine ungeputzte Toilette zu hinterlassen.“
Ob die Toilettenfarbe einen Einfluss auf die Putzmotivation hat, wurde hingegen bislang nicht untersucht. Schade eigentlich.