Mehr als nur Käse und Schoki

Hätten Sie es gewusst? Schweiz gilt (noch) als Geheimtipp für Spitzenweine

Weinanbau gibt es auch in der Schweiz.

Weinanbau gibt es auch in der Schweiz.

Dass in der Schweiz herausragende Weine hergestellt werden, wissen vor allem die Schweizerinnen und Schweizer selbst – denn im Gegensatz zu weltweit beliebten helvetischen Käse- und Schokoladenspezialitäten werden die Tropfen größtenteils im Land selbst konsumiert. Das bestätigt Marc Almert. Mit Ende zwanzig gewann er den Award zum „Best Sommelier of the World 2019“ und wurde damit zum bislang jüngsten Sommelier-Weltmeister gekürt. In Zürich arbeitet er als Chefsommelier im altehrwürdigen Luxushotel Baur au Lac: „Die Schweiz hat den vierthöchsten Weinverbrauch in der Welt. Demgegenüber ist die inländische Produktionsmenge nur sehr gering, weswegen nur 1 oder 2 Prozent der Weine im Export landen“, sagt er.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Paradebeispiel ist das Kanton Graubünden, das als Filetstück des Schweizer Weinbaus gilt und mitunter als die letzte unentdeckte Weinregion Europas bezeichnet wurde. Tropfen von Winzern wie Gantenbein, Studach, aber auch Adank, Obrecht oder Fromm lassen Kenner wie Almert frohlocken. Die kargen Kalkböden und die warmen, trockenen Fallwinde des Föhns dieser Gegend begünstigen den Anbau edler Burgundersorten wie Chardonnay oder Pinot Noir. Ausgebaut wird gern in Holz nach burgundischem Vorbild, so entstehen präzise Weine voller Frische, Kraft und Feinheit – gäbe es nur mehr davon.

Das Leben und wir

Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie – jeden zweiten Donnerstag.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Die Nachfrage übersteigt das Angebot

Ausverkauft, vergriffen, ausgetrunken: Diese Worte sind von so manchem Winzer dieser Gegend zu hören. „Unser Passion-Pinot-Noir war früher einige Monate im Verkauf, heute noch ein oder zwei Wochen“, sagt etwa Martin Donatsch vom Weingut Donatsch. In Gummistiefeln trifft man ihn in seiner Kellerei. Die Weißweine aus 2022 wurden von Holzfässern in wuchtige Stahltanks gepumpt und an diesem Morgen filtriert, darunter der Premium-Chardonnay „Unique“, von dem im September rund 2000 Flaschen abgefüllt werden. Eine überschaubare Menge, aber das Weingut bewirtschaftet auch nur 5,5 Hektar Rebfläche. Zum Vergleich: Ein renommiertes Weingut wie das Château Mouton-Rothschild aus dem Bordeaux kommt auf ungefähr 90 Hektar.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Bei Donatsch kommt eine Gesamtmenge von gerade einmal 35.000 Flaschen im Jahr zusammen. Manche Weine sind längst verkauft, bevor sie abgefüllt wurden. Mittlerweile stehen Hunderte Interessentinnen und Interessenten auf seiner Warteliste. „Manche müssen sich 15 Jahre gedulden“, sagt Donatsch, für den dieser Erfolg zwei Seiten hat: Langjährige Stammkunden, die schon bei seinem Vater Wein gekauft hätten, bekämen heute statt 60 nur noch sechs Flaschen zugeteilt. Selbst weltbekannte Restaurants oder Hotels aus Skandinavien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten musste er mit Kleinstmengen abspeisen.

Klein, aber groß im Kommen: Weine von Schweizer Winzern.

Klein, aber groß im Kommen: Weine von Schweizer Winzern.

Das bestätigt auch Marc Almert. Erst neulich hatte er einen Completer vom Weingut Donatsch in seine Menübegleitung aus Schweizer Weinen eingebaut, das ist eine alte, seltene Weißweinsorte aus Graubünden. „Die Gäste waren fasziniert, ich wollte nachbestellen, aber es war nichts mehr zu bekommen“, sagt er. Doch eine Alternative war schnell gefunden. Schließlich ist die Schweiz eine perfekte Spielwiese für seinen Berufszweig. 250 Rebsorten sind in der Schweiz für Qualitätsanbau zugelassen – in Österreich sind es nur rund 40, in Deutschland gerade einmal über 100 Rebsorten.

Mannigfaltige Landschaft begünstigt facettenreichen Weinbau

Mannigfaltiges Terroir an Flüssen und Seen, die die Sonneneinstrahlung reflektieren, dazu unterschiedliche Höhenlagen der Rebflächen mit unterschiedlichen Ausrichtungen und Neigungen der Hänge, das alles begünstigt facettenreichen Weinbau. Zum Know-how der alteingesessenen Winzer und Winzerinnen kommt außerdem eine junge Generation hinzu, die im Ausland Erfahrungen gesammelt hat, was die ohnehin verlässliche Qualität der Weine noch weiter steigert. Neue Stile halten mittlerweile Einzug, über die vor wenigen Jahren noch niemand gesprochen hat, wie etwa Schaumwein. „Der Markt diversifiziert sich immer mehr, auch durch den Klimawandel. Die Region um Neuchâtel war etwa lange für Roséweine bekannt, aber macht heute auch sehr, sehr gute Rotweine“, sagt Almert.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Kräftig-würziger Merlot aus dem Tessin, fruchtig-frischer Räuschling vom Zürichsee, trocken oder süß ausgebauter Amigne aus dem Wallis – es gebe in der Schweiz unglaublich viel zu entdecken, sagt er. Im Waadtland etwa. Das ist das zweitgrößte Anbaugebiet des Landes rund um den Genfer See. Dort regieren Weine aus der Chasselas-Traube, die in Deutschland besser als Gutedel bekannt ist. Eine Rebsorte, die vorwiegend in Form von einfachen, frischen Ortsweinen in den Handel kommt, aber auch als Lagenwein von terrassierten Steinhängen, die 20, 30 Jahre auf der Flasche reifen können. „Wenn ich Einstiegsqualitäten mit Weinen wie Rioja oder Chianti aus anderen Ländern vergleiche, dann ist die Schweiz teuer, aber ich kann im Bereich von 40 bis 70 Franken grandiose Weine kaufen, die locker mit internationalen Spitzenweinen mithalten“, ist Almert überzeugt.

In der Schweiz sind Basisweine zu teuer und Spitzenweine zu günstig. Das sagt auch Martin Donatsch, der seine Weine je nachdem für 70, 80 oder 100 Franken verkauft und sie kurz darauf im Sekundärmarkt für das Doppelte, in Übersee sogar für das Fünffache des Preises wiederfindet. Die hohe Nachfrage macht es dem Zwischenhandel möglich. Liegt es da nicht nahe, einfach mehr Wein zu produzieren? „Wir haben als Kunden viele CEOs aus der Wirtschaft. Die sagen immer, wenn du verkaufen kannst, dann musst du produzieren. Das ist nicht unsere Philosophie. Ich möchte klein bleiben, qualitativ noch besser werden und so mit meinen Weinen an die Weltspitze kommen. Ich bin kein Manager, ich bin Winzer“, sagt Donatsch – ein ehrgeiziger Winzer.

Mehr aus Lifestyle

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken