Tipps für Kauf und Verwendung

Wie schädlich ist Nagellack für Mensch und Umwelt?

Lackierte Fingernägel galten früher als ein Zeichen für Luxus.

Lackierte Fingernägel galten früher als ein Zeichen für Luxus.

Wer die Gartenarbeit liebt oder gern Gitarre zupft, muss bei diesem Trend höchstwahrscheinlich passen: 2022 sind extralange Fingernägel in leuchtenden Farben angesagt. Unter dem Hashtag #nails finden sich allein auf Instagram derzeit mehr als 190 Millionen Beiträge zu Krallen in Überlänge, die entweder natürlich oder aufgeklebt, einfarbig oder gemustert, rund, oval, eckig oder spitz gefeilt sind.

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Doch während seit Anfang des Jahres strengere Regeln für bestimmte chemische Stoffe bei Tätowierungen und Permanent-Make-up gelten, enthalten viele Nagellacke oft gleich mehrere bedenkliche Stoffe, die Gesundheit und Umwelt gleichermaßen schaden können. Die schöne Oberfläche hat es in sich, denn die Vorbilder der farbintensiven, streifenfreien und deckenden Nagellacke, wie wir sie heute kennen, sind Autolacke.

Die Geschichte farbiger Nägel

Verzierte Nägel gab es allerdings lange bevor die Automobilbranche ihre Finger im Spiel hatte. Bereits 5500 vor Christus verschönerten sich Männer in China ihre Nägel mit Pflanzenfarben. Der besondere Nagelschmuck war zu dieser Zeit noch dem männlichen Geschlecht vorbehalten, er galt als Symbol für Macht und Reichtum.

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Im alten Ägypten kolorierten sich sowohl Männer als auch Frauen die Nägel, in der Regel mit einem Gemisch aus Bienenwachs, Eiweiß und Pflanzenfarben wie etwa Henna. In Europa kam der erste Trend zur Nagelbemalung im 18. Jahrhundert auf. Wer manikürte und farbige Fingernägel hatte, zeigte damit, dass er sich keiner schweren körperlichen Arbeit aussetzen musste. Doch der Trick, mithilfe von Kosmetik Überlegenheit und Wohlstand zu unterstreichen, hatte seine Tücken: Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren die für den Farbauftrag verwendeten eingefärbten Cremes und Puder so beschaffen, dass die Schicht schnell bröckelte und auf diese Weise ständig erneuert werden musste.

Die Lösung lieferte 1920 die Automobilindustrie: Sie nutzte Pigmente für gut deckende Autolacke, die sich auch für die Herstellung von Nagellacken eigneten. Fortan machte Filmstars wie Marlene Dietrich knallroter Nagellack auf den Fingern populär. In den Fünfzigerjahren experimentierte der US-amerikanische Zahnarzt Fred Slack mit einem Gemisch für Zahnkronen, um einen abgebrochenen Fingernagel zu stabilisieren, und erfand quasi nebenbei den künstlichen Acrylnagel. Fake Nails waren geboren. Sie ermöglichten es, wahre Kunstwerke auf die Fingerspitzen zu bringen. Bestes Beispiel dafür gab in den Achtzigerjahren die Sprinterin Florence Griffith-Joyner ab, deren Airbrush-Kunst-Maniküre fast ebenso spektakulär war wie ihre sportliche Leistung.

Einige bedenkliche Inhaltsstoffe

Mittlerweile ist der Ruf von Nagellack angekratzt: Immer mehr Frauen in Deutschland verzichten heute ganz darauf. Diejenigen, die ihre Nägel weiterhin verzieren, nutzen laut einer Studie der Onlineplattform „Utopia“ am liebsten Produkte, die frei von bedenklichen Inhaltsstoffen sind, denn von diesen gibt es nicht wenige: „Öko-Test kritisiert eine ganze Liste problematischer Inhaltsstoffe“, sagt Kerstin Effers, Chemikerin und Expertin für Umwelt- und Gesundheitsschutz bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Dazu zählten umstrittene UV-Filter wie Benzophenon-1, Etocrylen und Octocrylen. Als fortpflanzungsgefährdend eingestufte und mittlerweile verbotene Phthalat-Weichmacher konnte Öko-Test laut Effers zuletzt zwar nicht mehr nachweisen, dafür aber Ersatzweichmacher, deren gesundheitliche Wirkung noch nicht geklärt sei.

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Weitere Kritikpunkte seien das vielfach eingesetzte Lösemittel Styrol, das beim Einatmen gesundheitsschädlich ist und allergieauslösende Substanzen wie Kolophonium, Acrylate oder Triphenylphosphat enthalte. „Auch krebserzeugende Nitrosamine wurden in Nagellacken nachgewiesen, jedoch nur in geringen Mengen“, erläutert Effers.

Stoffe schaden auch der Umwelt

Die Verwendung von Nagellack kann jedoch nicht nur auf Kosten der Gesundheit, sondern auch der Umwelt gehen: „Wie beim Menschen können hormonelle Schadstoffe in Nagellacken in der Natur fortpflanzungsschädigend wirken“, erklärt Luise Körner vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Auch das Mikroplastik, das in vielen Nagellacken enthalten ist, gelangt über das Abwasser in die Umwelt und ist dort nur schwer abbaubar. Einige Nagellacke enthalten zudem Nanopartikel, die aufgrund ihrer geringen Größe sehr weit in den Organismus eindringen können“, sagt sie.

Doch die Produktionsfirmen feilen am Image: „Es gibt mittlerweile Hersteller, die mit sogenannten Free-Nagellacken werben, die auf bestimmte Stoffe verzichten“, erklärt Körner. „Die Free-Bezeichnung ist allerdings nicht geschützt. Nur weil bestimmte Schadstoffe nicht in den Nagellacken enthalten sind, können Körner zufolge andere durchaus darin zu finden sein. Auch das Label „vegan“ sage über den Einsatz von Schadstoffen oder die Nachhaltigkeit der Produktion nichts aus. „Nagellack rein auf natürlicher Basis gibt es zwar noch nicht, aber die Produkte einiger Naturkosmetikhersteller bestehen bereits zu 80 bis 90 Prozent aus Inhaltsstoffen auf natürlicher oder mineralischer Basis. In diese Richtung sollte die Entwicklung gehen“, fordert die BUND-Mitarbeiterin.

Was sollte ich beim Kauf und Auftragen beachten?

Doch wie erkennen Konsumentinnen und Konsumenten die schadstoffärmeren Produkte im bunten Dschungel der Kosmetikindustrie? „Mikroplastik und flüssige Kunststoffe lassen sich anhand der Inhaltsstoffliste erkennen, zum Beispiel an den Begriffen Acrylates, Copolymer, Polyethylen und Polyurethan“, erklärt Körner. „Nanopartikel erkennt man am Wort ‚Nano‘, das in Klammern hinter dem entsprechenden Stoff steht.“ Noch leichter geht es mit kostenlosen Apps wie der Code-Check-App oder der Tox-Fox-App vom BUND, die einem diese Arbeit über einen Barcodescanner abnehmen.

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Wer Nagellack aufträgt, sollte dies am besten nicht in geschlossenen Räumen tun. Chemikerin Effers rät dazu, Nagellacke möglichst im Freien aufzutragen und zu entfernen oder zumindest währenddessen gut zu lüften, damit möglichst wenig flüchtige Verbindungen wie Lösemittel eingeatmet werden. „Nicht aufgebrauchter Nagellack gehört am Ende auf den Sondermüll“, ergänzt Körner.

Lack auf den Nägeln lässt sich bislang nur mit Lösemittel entfernen. Es muss aber nicht das besonders Haut und Schleimhäute reizende Aceton sein. Weniger schädliche Alternativen sind Ethylacetat (Essigester) und Alkohol.

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