Jahrhundertealte Tradition

Stilvolles Picknick: Das können Sie sich von den Briten abschauen

Viele Britinnen und Briten lieben das Picknick. Sie pflegen die jahrhundertealte Tradition.

Viele Britinnen und Briten lieben das Picknick. Sie pflegen die jahrhundertealte Tradition.

Artikel anhören • 6 Minuten

Wie sehr Britinnen und Briten das Essen im Freien mögen, konnte man zuletzt anlässlich der Krönung von König Charles III. erleben: Am Tag nach der Zeremonie feierte das ganze Land seinen neuen Monarchen auf besondere Weise – mit Straßenfesten und Picknicks.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

67.000 sogenannte Big Lunches gab es an jenem Sonntagmittag, große Mittagessen. Ganze Nachbarschaften feierten gemeinsam draußen, selbst Premierminister ­Rishi Sunak lud dazu in die Downing Street ein. Das Picknick ist tatsächlich essenzieller Bestandteil des britischen Alltags – ob an der Küste, im Park oder auf der Straße.

Glyndebourne in der südenglischen Grafschaft East Sussex ist vielleicht der beste Beweis dafür. Der Landsitz in der Nähe von Lewes ist nicht nur Standort eines der berühmtesten Opernhäuser des Landes und eines weltbekannten Opernfestivals. Glyndebourne gilt auch als bester Ort der Insel fürs Picknick. Hier sitzen Besucherinnen und Besucher bei gutem Wetter unter den Walnussbäumen oder direkt am See, um auf ihren Decken gemeinsam zu essen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Glyndebourne: der beste Ort für ein englisches Picknick

„Viele unserer Mitglieder haben ihren Lieblingsplatz und kommen früh, um ihn zu ergattern“, sagt Gus Christie, Vorstandsvorsitzender des Landsitzes. „Es ist ein wesentlicher Bestandteil des Erlebnisses.“ Für Christie, der den Vorstand 2000 von seinem Vater übernahm, ist Picknick seit jeher essenziell: „Menschen, die in meinem Garten picknicken, gibt es schon mein ganzes Leben lang.“ Als Kind habe er deswegen zum Mittagessen aufhören müssen, auf dem Rasen des Anwesens Fußball und Cricket zu spielen. „Es gab aber Pluspunkte – zum Beispiel einen endlosen Vorrat an Erdbeeren!“

Es ist wie so oft: Erfunden wurde das Picknick mit ziemlicher Sicherheit nicht in Großbritannien – es soll bereits in der Antike andernorts praktiziert worden sein. Doch die Britinnen und Briten haben es aus heutiger Sicht etabliert, verfeinert, über die Jahrhunderte gerettet. Schon der umstrittene Lordprotektor Oliver Cromwell soll sich im Jahr 1654 sein Essen im Londoner Hyde Park serviert lassen haben. Richtig angesagt aber war das Picknick später im 19. Jahrhundert während der Herrschaft Queen Victorias, die ohnehin für zahlreiche kulinarische Errungenschaften ihres Landes verantwortlich zeichnet. Vor allem aber soll sie es geliebt haben, im Freien zu speisen.

Queen Victoria war Influencerin für die Picknickkultur

In dieser Zeit war England zudem Geburtsstätte des Picknickkorbs, der neben dem Essen auch eine Decke, Besteck sowie Gläser und Teller enthält. Er gehört auf der Insel bis heute in Feinkostläden zum Standardsortiment.

Stephen Caulfield stellt Picknickkörbe nach traditioneller Art in Handarbeit her. Der Korbmacher aus Worthing im Süden Englands ist unter seinem Markennamen Sussex Willow Baskets seit 38 Jahren im Geschäft. „Ich mache eine Reihe unterschiedlicher Korbformen, die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben“, sagt er. „Einige verfügen über integrierte Fächer für Gläser oder Flaschen.“ Andere kommen ohne aus – ganz wie die Kundinnen und Kunden es wünschen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Bestens ausgestattet – fürs Picknick: Opernfans auf dem Weg zu einer Aufführung in Glyndebourne.

Bestens ausgestattet – fürs Picknick: Opernfans auf dem Weg zu einer Aufführung in Glyndebourne.

Das Nobelkaufhaus Fortnum & Mason gilt in London als erste Adresse für Picknickspezialitäten. Bereits im 19. Jahrhundert hatte es sich auf gefüllte Picknickkörbe spezialisiert, wie in den Archiven des Unternehmens nachzulesen ist. Besonders nachgefragt damals offenbar: der Derbykorb für zwölf Personen, gefüllt mit nicht weniger als zwölf Flaschen Champagner, sechs Flaschen französischem Weißwein, sechs Flaschen deutschem Weißwein, zwei Flaschen Brandy und sechs Flaschen Wasser. Dazu gab es Hummersalat, Taubenpasteten, einen gelierten Eberkopf, einen gekochten Schinken, Brötchen, Käse, in Salatblätter gewickelte Butter und Pfirsiche. Wohl dem, der danach noch in der Lage war, etwa Opern wie in Glyndebourne zu verfolgen.

Schinken, Hummus, Oliven und Roastbeef landen im Picknickkorb

Ein britischer Margarinehersteller ermittelte vor einigen Jahren, womit die Briten und Britinnen heutzutage ihre Picknickkörbe füllen: mit Serrano- oder Parmaschinken, Hummus, Oliven und Roastbeef. Wichtig sei vielen Selbstgemachtes: Ein Viertel der Befragten gab an, sogar Brot und Kuchen selbst gebacken zu haben. Der Einsatz zahlt sich aus Sicht der weitaus meisten aus – drei Viertel der Britinnen und Briten halten das Picknick der Gegenwart für besser als je zuvor.

Das Leben und wir

Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie – jeden zweiten Donnerstag.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Aber auch die Klassiker im Picknickkorb sind immer noch aktuell. Der Tourismusverband Visit Britain hat eine Liste der traditionellen Gerichte erstellt – dazu gehören Scotch Eggs (mit Hackfleisch umhüllte und frittierte gekochte Eier), Coronation Chicken (Hühnchen in Mango-Curry-Soße), Flapjacks (Haferpfannkuchen), Cupcakes und Kartoffelsalat.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

In Glyndebourne, wo Besucherinnen und Besucher die komplette Ausstattung samt Essen vorbestellen können, hat man sich auch auf vegetarische Varianten eingestellt, betont Küchenchef Steve Groves. „Zu den vegetarischen Highlights dieses Jahres gehören Kastanienpilzkompott, gegrillte Artischocken, getrüffeltes Pinienkerndressing und ein Sussex-Beeren-Pavlova.“

Der Trend geht zu wiederverwertbarem Geschirr

Und womit isst man all dies? Auch wenn Briten so etwas wie Weltmeister der Einwegverpackungen sind, so gehört in einen echten Picknickkorb wiederverwertbares Geschirr. Wer auf Nummer sicher gehen will, nutzt die spülmaschinenfesten Kunststoffvarianten, immer mehr greifen aber auch draußen wieder zu den guten alten Gläsern und Tellern aus dem Küchenschrank. In Glyndebourne ist vielfach sogar Silberbesteck auf den Picknickdecken zu sehen.

In Deutschland gibt es immer mehr nachhaltiges Einweggeschirr – kompostierbare Teller aus Zuckerrohr und Palmblatt, außerdem Besteck aus Holz. Die Verbraucherzentrale NRW untersuchte vor Jahren einige Produkte. Ihr Fazit: „Besser ist es, klassisches Geschirr und Besteck zu nutzen.“

Bleibt eine Frage: Warum nur ist Picknick ausgerechnet in Großbritannien so beliebt, einem Land, das viele mit ständigem Regen in Verbindung bringen? „Wir haben nicht immer viel Sonnenschein“, räumt Glyndebourne-Küchenchef Groves ein, „also schätze ich, dass wir es lieben, wenn wir das Beste daraus machen!“ Ein Blick in die Statistik relativiert das Vorurteil ohnehin: In London fällt über das Jahr verteilt weniger Regen als in Rom, Sydney oder New York.

Mehr aus Lifestyle

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken