Urlaub, Hitze, Gesundheit, Dürre

Die Sonne - unsere Freundin und Feindin

Mal herbeigesehnt, mal verflucht: die Sonne.

Mal herbeigesehnt, mal verflucht: die Sonne.

Peter Licht hat sie mal die „gelbe Sau“ genannt. In seinem „Lied gegen die Schwerkraft“ wetterte der Sänger und Schriftsteller gegen die Lichtbringerin und Wärmespenderin: „Und die Sonne. Kocht auch nur mit Wasser. Die soll sich nicht so aufspielen. Die gelbe Sau“. Aber echt mal.

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Echt mal? Fußballfans würden jetzt skandieren: „Ohne Sonne wär hier gar nichts los.“ Ohne ihr Licht und ihre Wärme gäbe es auf der Erde kein Leben, jedenfalls kein so vielfältiges. Und wir Menschen wären wohl allerhöchstens so etwas wie Fabelwesen in der Fantasiewelt von irgendwelchen in der tiefsten Tiefsee tauchenden Röhrenwürmern. Wenn überhaupt.

Aber sie ist ja da. Und so konnte sich über Jahrmillionen und -milliarden Leben entwickeln – Tiere, Pflanzen, Menschen. Pflanzen richten sich nach der Sonne und ihrem Licht aus, sie werden dann manchmal ganz krumm und schief vor Sehnsucht nach der „gelben Sau“. Tiere gehen ganz unterschiedlich mit der Sonne um. Manche wie die Fledermaus oder die Eule brauchen nicht so viel von ihr (sind aber natürlich auch auf Nahrung angewiesen, die ohne den Stern nicht existieren würde). Der Große Kaninchennasenbeutler würde am liebsten auf die große Hitze Australiens verzichten und buddelt sich Löcher, um zu verschwinden. Es strebt eben doch nicht alles Leben zum Licht.

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Im spanischen Alicante scheint im Schnitt 349 Stunden pro Monat die Sonne

Andere Tiere sind wahre Sonnenanbeter oder haben sich zumindest mit großer Wärme und Hitze arrangiert. Reptilien wie das Krokodil, Landschildkröten und Wüstentiere wie das Kamel vertragen die Sonne ganz gut.

Und der Mensch? Das kommt darauf an, in welcher Ecke dieser Erde er lebt. In Mitteleuropa und speziell Deutschland ist die Sonne anders als in anderen Regionen kein Stammgast. In Südeuropa, ja, da scheint sie bei Tag und bei Nacht, wie es nur leicht übertrieben im Schlager „Eviva España“ heißt. Im spanischen Alicante sind es im Schnitt 349 Sonnenstunden pro Monat, im italienischen Catania 347 Sonnenstunden pro Monat. Und all die anderen Städte, die in den mit Daten von World Weather Online erhobenen Top Ten der sonnenreichsten Städte Europas folgen, liegen auch allesamt in Südeuropa. Zu den sonnenreichsten Orten Deutschlands gehören Zinnowitz auf Usedom mit im Schnitt 160 Sonnenstunden pro Monat und die Ostseeinsel Greifswalder Oie mit 153. Auch Leutkirch im Allgäu, Kaufbeuren und Freiburg im Breisgau finden sich immer wieder unter den Hotspots des Landes.

Weil die Sonne so viel mehr in Frankreich, Spanien und Italien scheint als in Deutschland, zieht es viele von uns Jahr für Jahr in den Süden. „Ab in die Sonne“ heißt es, sobald der Urlaub vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin genehmigt ist. Ab in die Sonne, brutzeln. Fix unter den Fixstern. Dabei ist sommerliche Bräune erst seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts positiv besetzt. Früher achteten der Adel und höhere Stände darauf, blass zu sein oder sich zur Not blass zu schminken. Braungebrannt waren die Arbeiter und Arbeiterinnen, Bauern und Bäuerinnen, Wäscherinnen, Handwerker, nur jene Menschen also, die an der frischen Luft arbeiteten. Nicht aber der Adel. Wir sprechen heute noch von „vornehmer Blässe“.

Kulturen in der ganzen Welt verehrten Sonnengottheiten

Aber noch einmal kurz zurück zum Grundsätzlichen, man muss sich das immer mal wieder klarmachen: Da ist ein Stern in den Tiefen der Milchstraße so heiß, dass wir etwas von der Wärme abbekommen, in 150 Millionen Kilometern Entfernung. Und zwar in genau der richtigen Dosis. Bislang zumindest.

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Kein Wunder also, dass Kulturen in der ganzen Welt die Sonne schon oft – das Wort passt hier ja perfekt – angehimmelt haben. Šamaš hieß der Sonnengott bei den Babyloniern, Re oder auch Ra bei den Ägyptern, Surya in Indien, und Malina wurde die Sonnengöttin und Schwester des Mondes bei den Inuit genannt. Die Liste ist noch lang, die Maya vergötterten Kinich Ahau, die Perser Mithra und die Römer Sol Invictus – zu ihm gleich mehr.

Dies alles sind Göttervertreter polytheistischer Religionen, die mit geradezu modernem Spezialisierungsfetisch Götter für dieses und Götter für jenes hatten. Die Göttin der Jagd, der Gott des Krieges, die Göttin der Schönheit, die Göttin der Vernunft, der Gott der Schmiedekunst.

Auch der Monotheismus entstand als Feier der Sonne

Aber auch bei der Entwicklung der monotheistischen Religionen spielte die Sonne und mit ihr das Licht eine entscheidende Rolle. Der Ursprung des Monotheismus liegt in Ägypten. In einer Art Kulturrevolution befand der Ehemann der Nofretete, Amenophis IV., dass die altmodische Arbeitsteilung im Götterhimmel abzuschaffen sei und legte alle Befugnis in die Hand eines Gottes: Er ernannte im 14. Jahrhundert vor Christus den Sonnengott Aton zum alleinigen Himmelsherrscher und nannte sich selbst Echnaton, was so etwas wie „dem Aton wohlgefällig“ bedeutete.

Das Christentum übernahm rund 1300 Jahre später nicht nur das Konzept des einen Gottes, sondern überließ auch der Sonne oder vielmehr ihrem Licht, das etwa acht Minuten zur Erde braucht, eine wichtige Rolle. Wie oft ist in Predigten vom Gott des Lichts oder Gottes Licht die Rede? Und im Johannesevangelium sagt Jesus: „Ich bin das Licht der Welt.“

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Und dann ist da noch Sol Invictus. Die „unbesiegte Sonne“ entsprach dem griechischen Sonnengott Helios, auf dem der Begriff des heliozentrischen Weltbildes mit der Sonne statt der Erde im Mittelpunkt des Universums fußt. Sol Invictus machte im spätrömischen Reich richtig Karriere: Kaiser Aurelian beförderte ihn zum „Herrn des Römischen Reichs“ und organisierte für ihn einen Staatskult. Der Geburtstag dieses Gottes war der 25. Dezember.

Im 4. Jahrhundert übernahmen die Christen – so zumindest interpretieren es viele Forschende, auch wenn es Gegner dieser These gibt – den Geburtstag des Sonnengottes und schrieben ihn Jesus Christus zu. Auch an den Weihnachtstagen, den kürzesten und lichtärmsten Tagen des Jahres, feiern wir also auf Umwegen die Sonne.

Aber all das zieht die Menschen heute natürlich nicht ins Sonnenlicht. Außer der Tatsache, dass es sich in der Wärme und am Meer wunderbar entspannen lässt – zumindest wenn der Sommer keine Ausmaße wie 2019 annimmt, als Hitzewellen Deutschland und Europa quälten –, hat der Aufenthalt unter dem großen Lichtspender auch große biologische Vorteile.

Denn die Sonne hilft dem menschlichen Körper, Vitamin D herzustellen, das wichtig für Knochen und Zähne und gegen Erkältungen ist. Außerdem: Das Glückshormon Serotonin wird in unserem Körper zu Melatonin umgewandelt, also das Hormon, das uns müde macht. Das Licht des Himmelskörpers verzögert diese Transformation, weshalb wir im Sommer oftmals bessere Laune haben und nicht so schnell müde werden. Das Mehr an Serotonin und die geringere Müdigkeit sorgen auch dafür, dass wir im Sommer mehr Lust auf Sex haben. Auch ist die Sonne gut fürs Herz und hilft Rheuma- und Multiple-Sklerose-Kranken.

Die dunklen Seiten des hellen Sterns

Alles gut also? Nein. In den vergangenen Jahrzehnten und verstärkt in jüngster Vergangenheit ist uns aufgegangen, dass die Sonne nicht nur Lichtquelle, natürliche Heizung und Spaßmacherin ist, sondern auch Gefahren birgt. Menschen in sonnenreichen Regionen kennen schon lange die dunkle Seite des hellen Sterns.

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Es ist ja schon ein besonders frappantes Beispiel für die Entzauberung der Welt, hier nun abrupt von antiken Gottheiten zu Sonnencreme zu wechseln, aber es muss sein. Denn Sonnenstrahlen sind nicht nur göttlich und himmlisch, sie, oder genauer gesagt UV-Strahlen, können auch Krebs verursachen. Die häufigsten Krebserkrankungen sind dabei das Basalzellkarzinom und das Spinaliom, die auch als heller oder weißer Hautkrebs bekannt sind. Die dritthäufigste Hautkrebsart ist das maligne (bösartige) Melanom, der schwarze Hautkrebs.

„Etwa 21.000 Menschen erkranken jedes Jahr neu; rund 3000 Menschen sterben jährlich am schwarzen Hautkrebs“, ist bei der Techniker Krankenkasse zu lesen. Das Erkrankungsrisiko nehme mit dem Alter zwar zu – doch seien immer häufiger auch jüngere Menschen betroffen. 20-Jährige mit Melanomdiagnose seien keine Seltenheit mehr.

Sonnencreme und lange Kleidung können helfen

Immerhin kann man sich schützen und damit das Risiko minimieren. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt, die Anzahl der Sonnenbäder auf ein Minimum zu reduzieren, die Haut langsam an die Sonnenstrahlung zu gewöhnen und Kleidung zu tragen – mindestens aber eine Kopfbedeckung und eine Sonnenbrille. Vielleicht haben frühere Generationen, die mit langen Kleidern und teilweise sogar im Anzug an den Strand gegangen sind, vorbildlich gehandelt. Wer aber in der Sonne nicht mehr als Badehose und T-Shirt tragen will, sollte unbedingt alle ungeschützten Hautstellen großzügig mit einer Sonnencreme mit adäquatem Lichtschutzfaktor eincremen.

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Dazu kommen immer sichtbarere und virulentere Probleme wie Trockenheit, Wasserknappheit und Dürre sowie die lange unterschätzte Gefahr des Hitzetodes. Laut einer aktuellen Studie des Robert Koch-Instituts, des Umweltbundesamts und des Deutschen Wetterdiensts waren 2018 etwa 8700 hitzebedingte Sterbefälle zu verzeichnen, 2019 rund 6900 und 2020 etwa 3700.

Die Sonne wird so immer mehr zu Freundin und Feindin, zu Lebensspenderin und Gesundheitsgefährdung, zu zukunftsträchtiger Energiequelle und erbarmungsloser Naturzerstörerin. Wie auch immer, wir müssen mit ihr leben. Ein Leben im Schatten ist ja auch keine Alternative.

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