Sänger Morten Harket über die a‑ha-Anfänge: „Das Einzige, was sie nicht hatten, war ich“
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Eine Box für Fans: Das aha-Debüt „Hunting High and Low“ erscheint am 24. Februar in einer Sechsfach-Vinylbox. Woher der Hund auf dem Albumcover kam, weiß Sänger Morten Harket heute nicht mehr. „Der war einfach im Studio.“
© Quelle: BMG
„Es ist keine Überraschung für mich gewesen“, sagt a‑ha-Sänger Morten Harket am Telefon, „aber trotzdem ist es doch ziemlich verrückt.“ Er habe schon damals gewusst, dass es eine lange Karriere werden würde für ihn, für Magne Furuholmen und Pal Waaktaar-Savoy. „Ich erinnere mich, dass ich damals sagte, ich könnte 30 Jahre absehen.“
Es sind nun schon 41 Jahre geworden – Schaffenspausen inklusive – für die Band, die nur 20 Jahre jünger ist als die Rolling Stones. Dieser Tage erscheint das Debütalbum der Norweger, „Hunting High and Low“, noch einmal: als dicker, schwerer Popziegel für a‑ha-alles-haben-Müsser - mit sechs Vinylalben, 60 Originalsongs, Outtakes, Demos, Alternativversionen, Remixen, dazu ein Hochglanz-Booklet.
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Harket hat einen Interviewtag, die Stimme des 63-Jährigen kommt müde aus London herüber, geradezu abgekämpft – wie von jemandem, der eigentlich nicht mehr gern Antwort gibt, der das schon zu lange und zu oft gemacht hat. Harkets Sprechstimme am Telefon ist rauer, deutlich entfernt von der berühmten engelsgleichen Gesangsstimme, die so unerreichbar hoch ins Falsett fliegen konnte und die so traurig, süß und sehnend klang wie sonst nur die von Roy Orbison oder Bryan Ferry. Gefühlt auf allen Partys der Mittachtziger versuchte die jeweilige Feiermeute mit Harket im Gesang aufzusteigen, wenn „Take on Me“ aufgelegt wurde, und endete jedesmal in einem heiseren Kreischchor und Gelächter, gab auf weit unterhalb des Harket-Gipfels: „Take on Me“ gehört zweifellos zu den größten Popsongs: Milliarden Streams, zuletzt gehört im Januar im Trailer zur HBO-Endzeitserie „The Last of Us“.
„Ich sah so viel in ihnen, das nur darauf wartete, zu passieren“
Mit a‑ha kam Skandinavien 1985 elf Jahre nach Abbas Eurovision-Song-Contest-Sieg zum zweiten Mal auf die Popweltkarte. Die Schweden hatten in den Siebzigerjahren als Erste bewiesen, dass globaler Poperfolg nicht zwangsläufig seine Heimat in den USA oder Großbritannien haben musste. Ein Vorbild seien sie für Harket aber nicht gewesen. „Nicht falsch verstehen, sie sind wirklich eine große Band und ich habe tiefen Respekt vor ihrer Musik. Aber zu Abbas großer Zeit hörten wir überhaupt keinen Pop. Wir hörten Led Zeppelin, Jimi Hendrix, die Doors und die Beatles, auch schwarze Musik in allen Stilrichtungen. Aber definitiv keine Chartsmusik.“
Harket sang damals in einer Bluesband (dass er auch das kann, hört man seinem Solodebüt „Wild Seed“ von 1995 an), als er seine späteren Mitstreiter das erste Mal auf der Bühne sah. „Ihre Band hieß Bridges, es war eine Art Schulkonzert, da traten noch viele andere Gruppen auf“, erinnert sich Harket. „Aber sie waren brillant. Ich sah so viel in ihnen, das nur darauf wartete, zu passieren. Ich wusste in meinem Herzen, dass das Einzige, was sie nicht hatten, ich war.“
„Wir hatten kein Geld, wir konnten kaum überleben“
Nach London ging das Trio, den Durchbruch im Sinn, weil „Oslo kein Umfeld war, wo wir als Band gedeihen konnten“. In der langen Vorphase des Albumdebüts lebten a‑ha „im härtesten Musikmarkt der Welt“ in einfachsten Verhältnissen. „Wir hatten kein Geld, wir konnten kaum überleben mit dem, was wir hatten, es gab wenig zu essen, es gab wenig von allem.“
Es hat sie zusammengeschweißt. Als Terry Slater ihr Manager wurde, geriet alles in Schwung. Und wie haben sie es krachen lassen, als „Take on Me“ schließlich Platz eins in den US-Charts geschafft hatte? „Amerika war die Tür zu allem anderen“, sagt Harket. „Wir haben uns umarmt.“ Und: Party? Party? Party? „Party – das war uninteressant für uns.“
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„Hunting High and Low“ klingt heute so historisch verwurzelt wie kein anderes a‑ha-Werk – ein Album, wie festgenagelt in seiner Entstehungszeit. Enthalten ist Synthpop reinsten Wassers, als Klanginspiration für das Debüt nennt Harket die frühen OMD, Joy Division, Soft Cell und Depeche Mode. „Es gab so viele gute Acts damals. Es war auch eine Zeit, in der viele neue Dinge verfügbar wurden – Synthesizer und Drumcomputer bekamen ihre Bühnen.“
In a‑has Songs, voran im Titelstück oder der fast gezierten Ballade „And You Tell Me“, um nur zwei Songs zu nennen, ahnt man aber bereits die kompositorische Reife der kommenden Werke. Auf dem letzten, im Herbst 2022 erschienenen Longplayer „True North“ glaubt man in Songs wie „Hunter in the Hills“ sogar den Einfluss des gerade erst verstorbenen Burt Bacharach zu erkennen – a‑ha go Jazz!
„Wer Ruhm nicht selbst erlebt hat, weiß nicht, wie es ist“
Harket war neugierig auf den Ruhm, gefallen hat er ihm dann eher nicht und sprechen möchte er auch nicht so recht darüber. „Es ist ein sehr tiefes Thema, weil es wirklich um psychologische Mechanismen im Menschen geht, um Massenpsychologie“, sagt er zögerlich. Und er macht eine Pause, so lang, dass man zaghaft „Hallo?“ fragt. „Das Problem ist, dass es unmöglich ist, darüber zu diskutieren oder mit jemandem darüber zu sprechen, der es nicht selbst erlebt hat. Weil er nicht weiß, wie es wirklich ist.“ Man hat als Interviewender natürlich so seine Vorstellungen, hat etwa die Beatles vor Augen – live gefeiert von hysterisch kreischenden Fans. Die Beatles seien einem immer wie eine Band im Glück vorgekommen, sagt man zu Morten Harket.
„Ganz genau. Für dich ist das ein Sekundenbruchteil. Wie lange dauert so ein Bild?“, fragt der versonnen. Und seufzt. „Wenn du das selbst erlebst, wenn du der auf der Bühne bist – dann ist es immer da, es ist konstant.“ Meint er, dass Ruhm einen hohen Preis hatte? „Ja“, antwortet Harket. „Du hast keine Ahnung!“ Die Vokabeln, die ihm für Ruhm und das Drumherum einfallen, sind „gefährlich“, „unerbittlich“, „mächtig“, „primitiv“.
Schöne Jungs – die Teeniemagazine nahmen a‑ha als Posterboys
Was a‑ha – ob ihres aparten Äußeren – 1985 fast zum Verhängnis wurde, war, dass sie nach „Take on Me“ von Teeniemagazinen als die Posterboys des Jahres gefeiert wurden. Sie standen im Zentrum des soundsovielten „Bravo“-Fests der Oberflächlichkeit. „Oberflächlichkeit ist an sich gar nichts Schlechtes“, relativiert der a‑ha-Sänger. „Die Oberfläche von Dingen ist sogar ein sehr wichtiger Aspekt in der Gesamtheit von Dingen. Aber wenn diese Medien in ihren Berichten etwas so darstellen, als wäre es das Ganze, obwohl es nur ein winzig kleiner Punkt des Ganzen ist, dann wird alles schief, falsch, unwahr.“
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Die Band überlebte den Hype der ersten Erfolgszeit und wurde im Lauf der Jahre und Jahrzehnte zu einem Klassiker, auf dessen jüngstem Album „True North“ (2022) samt der gleichnamigen Filmdoku die Schönheit der Natur gefeiert wird und – nicht zum ersten Mal bei a‑ha – nachdenkliche Töne bezüglich Erd- und Klimarettung angeschlagen werden. „Wir haben alles, was es braucht, um aus dieser Situation herauszukommen“, ist der diesbezüglich schon lange engagierte Harket überzeugt.
„Wir sind auch im Prozess der Erkenntnis, mehr als je zuvor.“ Natürlich hätten ihn Leute wie Trump oder Bolsonaro wütend gemacht, die während ihrer Präsidentschaft mit ihrer Ignoranz gegen den Planeten gearbeitet hätten. Und natürlich jetzt auch Putin, dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht zuletzt auch wichtige Ressourcen im Kampf zur Rettung des Planeten bindet. „Es liegt an anderen Menschen, diese Leute zu stoppen. Es ist möglich, sie zu stoppen.“
Übers Göttliche: „Ich glaub, das etwas hinter allem steht“
In dem Folksong „Lord“ auf seinem Solodebüt spricht Harket Gott direkt an: „Die meiste Zeit, bin ich ganz okay gewesen, / Du weißt, ich werde Dich eines Tages brauchen“, singt er. 28 Jahre ist das nun her. Hat er Gott inzwischen schon gebraucht? Und betet der Musiker in diesen Zeiten manchmal? „Große Fragen sind das. Was ist eine Beziehung mit dem Göttlichen? Sind wir Teil von Gott? Ist die gesamte Schöpfung Teil eines größeren Wesens? Aber in diesem Fragezeichen lebe ich die ganze Zeit meines Lebens.“ Wieder eine lange Pause. „Das Gebet ist keine Sache, die man tut und dann wieder nicht tut. Entweder hat man diese Verbindung zu etwas, das man als Gott definieren kann, oder nicht.“
Und wie ist das nun bei ihm? Eine Pause – so lang, dass man sich das nächste „Hallo?“ gerade noch so verkneifen kann. „Ich zweifle nicht daran, dass wir mehr sind als das, was wir sehen, was wir anfassen und fühlen können. Ich glaube nicht, dass das Physische den Kern unserer Existenz ausmacht. Ich glaube, dass etwas hinter allem steht. Etwas liegt allem Physischen zugrunde. Es gibt etwas, das dem schon immer und unaufhörlich vorausgeht – und es auch weiterhin tut.“
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Kann er sich vorstellen, dass eines Tages – ähnlich den Abbataren in London – unsterbliche a‑ha-vatare statt der leibhaftigen a‑ha auf der Bühne stehen werden? „Es gibt so viele Dinge, die man tun könnte“, sagt er, und wie er das sagt, klingt es nach höflich geäußertem Maximaldesinteresse. „Wir sind gerade erst von einer großen Tour zurück, und ich habe nicht vor, mich so bald wieder mit Konzerten zu befassen.“ Er schreibt derzeit lieber an neuen Songs – für ein neues Soloalbum möglicherweise.
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Auf „Hunting High and Low“ ist Harket als Songwriter nur bei „Take on Me“ und „Living A Boy’s Adventure Tale“ aufgeführt. Auf „True North“ teilen sich Keyboarder Furuholmen und Gitarrist Waaktaar-Savoy die Kompositionen ganz ohne Harkets Zutun. Dabei sind die Lieder seiner Soloalben durchaus Band-kompatibel, ohne Weiteres hätte er der George Harrison von a‑ha werden können. Hat man ihn denn nie gefragt? „Nein“, sagt er. Ob ihn das bekümmere? „Es hätte durchaus die Chance gegeben, man hätte sie ergreifen können.“ Die anderen schrieben so viel, sagt er noch. Und er wollte auch nicht um Platz wetteifern. „Das ist nicht meine Art.“
„Man kann sich aussuchen, ob man Gezänk zur Geschichte werden lässt“
Dass bei a‑ha beziehungstechnisch eine angespannte Lage herrschen könnte, wurde im Vorjahr in der Tageszeitung „The Guardian“ angedeutet. Im Film „True North“ sähen die drei wie Leute aus, die eigentlich nicht zusammen sein wollten, hieß es da. „Keine Lust, das zu kommentieren. Das ist mir zu niedrig.“ Und dann hängt er mit dieser müden Stimme doch noch ein paar Sätze an. „Wenn Menschen so lange zusammen sind, wird es natürlich im Umgang immer Meinungsverschiedenheiten und Ähnliches geben. Aber man kann sich aussuchen, ob man Gezänk zur Geschichte werden lässt. Oder sich den Katalog der Songs und alles, was diese Band geschafft hat, anschaut und zu dem Schluss kommt. Das ist die Geschichte. Nun – was meinen Sie?“
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Glaubte von Anfang an an eine lange Erfolgszeit: Morten Harket, Sänger der norwegischen Band a‑ha, die im Februar eine Jubiläumsedition ihres Debütalbums „Hunting High and Low“ veröffentlicht.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Morten Harket (63) ist der Sänger der norwegischen Band a‑ha. Die Gruppe gründete sich 1982 und landete mit ihrem Debütalbum „Hunting High and Low“ 1995 einen Millionenseller. Seither sind insgesamt elf Studioalben des Trios erschienen, Harket hat zudem sechs Soloalben veröffentlicht. Er ist seit 2005 mit seiner langjährigen Assistentin Inez Andersson liiert und Vater von fünf Kindern.
a‑ha – „Hunting High and Low“ – Super-de-luxe-Boxset mit sechs Vinylalben (BMG) – erscheint am 24. Februar.