Grantler mit goldenem Herzen: Tom Hanks im Kinofilm „Ein Mann namens Otto“
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Schlecht gelaunt: Tom Hanks als Otto in einer Szene des Films „Ein Mann namens Otto“.
© Quelle: Niko Tavernise/Sony Entertainmen
Auf dem amerikanischen Markt können sich nicht englischsprachige Filme nie gegen die einheimische Konkurrenz durchsetzen. Anders als in Deutschland oder Frankreich wird in den USA prinzipiell nicht synchronisiert. Statt das Originalwerk zu übersetzen, kauft man lieber die Drehbücher von ausländischen Produktionen und dreht sie in Hollywood für teures Geld noch einmal nach. Das geht oft in die Hose.
Unvergessen ist etwa Brad Silberlings „Stadt der Engel“ (1998) mit Nicolas Cage und Meg Ryan, der Wim Wenders‘ Meisterwerk „Der Himmel über Berlin“ (1987) bis zur Unkenntlichkeit verschnulzte. Aber es gab auch kongeniale Remakes wie Martin Scoseses „Departed“ (2006), der eine Vorlage aus Hongkong gehaltvoll veredelte und dafür mit vier Oscars ausgezeichnet wurde.
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In den vergangenen Jahren sind die Remake-Scouts aus Hollywood auf dem skandinavischen Markt shoppen gegangen. Die Dramen der Dänin Susanne Bier „Brothers“ (2004) und „Nach der Hochzeit“ (2006) wurden zehn Jahre später mit US-Stars wie Tobey Maguire, Natalie Portman oder Julianne Moore neu aufgegossen. Aber auch kleine Genreproduktionen wie der schwedische Vampirjugendfilm „So finster die Nacht“ (2008) wurden gecovert. Nun hat sich Regisseur Marc Foster („Monster‘s Ball“, „Ein Quantum Trost“) an den schwedischen Boxoffice-Hit „Ein Mann namens Ove“ (2015) herangemacht.
Hannes Holms Verfilmung des gleichnamigen Bestsellerromans von Fredrik Backman holte mit der Figur eines miesepetrigen Rentners, dessen verkrustetes Herz zu neuem Leben erweckt wird, die heimische Boomergeneration vor der Haustür ab und brachte es sogar auf eine Oscarnominierung. Nun übernimmt mit Tom Hanks eine Zielgruppenikone die Hauptrolle. Sein Witwer Otto ist ein mieser Grantler, der die Nachbarschaft in der verkehrsberuhigten Zone mit täglichen Kontrollgängen nervt. Hundeurin im Vorgarten, Paketboten in der Halteverbotszone und schlecht getrennter Müll bringen ihn auf die Palme.
Als sein Arbeitgeber ihn in den Vorruhestand versetzt, kündigt Otto die Energieversorgung und kauft sich im Baumarkt einen Strick. Aber gerade, als er sich die Schlinge um den Hals legen will, um endlich seiner verstorbenen Frau im Jenseits zu folgen, ziehen gegenüber neue Nachbarn ein. Der Möbelanhänger rammt seinen Vorgartenzaun. Was ist aus der Welt geworden, wenn Familienväter nicht einmal rückwärts einparken können?
Frau von unkaputtbarer Freundlichkeit
Die hochschwangere Nachbarin Marisol (Mariana Treviño) entschuldigt sich wortreich für ihren unbegabten Ehemann, Otto setzt sich selbst hinter das Lenkrad und bekommt am Abend zum Dank eine Tupperdose mit hausgemachtem Essen. Der Geruch des mexikanischen Gerichts ist der erste Lockstoff, mit dem Otto aus der selbstgewählten Isolation zurück ins Leben geködert wird.
Denn diese Marisol ist eine Frau von unkaputtbarer Freundlichkeit. Souverän lässt sie die Beleidigungen des Stinkstiefels an sich abprallen und fordert zugleich immer wieder dessen nachbarschaftliche Hilfe ein. Wenn der alte Herr schließlich als Babysitter herangezogen wird, die streunende Katze und den jungen Transgenderzeitungsboten bei sich aufnimmt, wird klar, was schon alle vorher wussten: Der Grantler hat ein Herz aus Gold. Um ganz sicher zu gehen, werden noch einige Rückblenden in das ebenso glückliche wie tragische Leben mit der geliebten Ehefrau bereitgestellt.
Vielleicht wäre die Entwicklung des Protagonisten vom Saulus zum Paulus mit einer anderen Besetzung weniger vorhersehbar gewesen. Aber Tom Hanks zählt nun einmal zu den nettesten Stars am Hollywoodhimmel, hat in zahllosen Rollen den verlässlichen All-American-Man gespielt und ist als Gutmensch weltweit konsensfähig. Da kann er noch so sehr die Stirn zerknittern und die Mundwinkel zur Bittermiene herunterziehen: Dass hinter Ottos Miesepeterfassade ein ganz feiner Kerl steckt, ist ab der ersten Filmminute klar.
Regisseur Marc Foster legt „Ein Mann namens Otto“ konsequent als Feel-Better-Movie für die stark geschmähte Boomergeneration an. Ähnlich wie schon in Clint Eastwoods „Gran Torino“ werden deren handwerkliche, charakterliche und eheliche Qualitäten gepriesen. Reparaturarbeiten, Fahrunterricht, den örtlichen Immobilienhai in seine Schranken weisen – als Problemlöser sind Männer der Generation Otto kaum zu toppen. Grundsolide ist ebenso die Verarbeitung des filmischen Produkts von der Ausstattung über die klare Kamerasprache bis zum pragmatischen Schnitt.
Das könnte ordentlich, aber langweilig sein, wäre da nicht die mexikanische Schauspielerin Mariana Treviño, die wie eine Seelenverwandte von Meltem Kaptan in Andreas Dresens „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ wirkt. Geradezu kongenial füllt sie das Klischee der herzlichen Latinonachbarin mit Leben, Glaubwürdigkeit und enormer Leinwandenergie.
„Ein Mann namens Otto“, Regie: Marc Foster, mit Tom Hanks, Mariana Treviño, Rachel Keller, 126 Minuten, FSK 12