Gestresst und gefordert: eine alleinerziehende Mutter, die es allen recht machen will
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Anne Ratte-Polle im Kinofilm „Alle wollen geliebt werden“.
© Quelle: Camino Verleih
Es allen recht machen zu wollen, ist eine schwierige Disziplin. Wer wüsste das besser als Ina (Anne Ratte-Polle)? Sie kann einfach nicht „Nein!“ sagen, obwohl sie das als Psychotherapeutin können sollte.
Regisseurin Katharina Woll und ihr Co-Drehbuchautor Florian Plumeyer schildern im Kinofilm „Alle wollen geliebt werden“ einen besonders stressigen Tag im Leben der Therapeutin. Der fängt unschön mit einem heftigen Streit zwischen Inas Teenagertochter Elli (Lea Drinda) und Inas Partner Reto (Urs Jucker) an. Letzterer hat eine Psychologieprofessur im finnischen Tampere in Aussicht – und bedrängt Ina einmal mehr, ihm dorthin zu folgen. Elli will aber keineswegs in den vermeintlich tristen hohen Norden.
Für Aufregung sorgt auch ein Telefonat aus der Hausarztpraxis. Die Testergebnisse seien so ausgefallen, dass Ina doch bitte mal vorbeischauen möchte. Am besten noch heute. Nein, am Telefon wolle man nichts sagen.
Auch auf den Anruf ihrer Mutter Tamara (Ulrike Willenbacher) hätte Ina gern verzichtet. Für die später am Tag stattfindende Feier anlässlich ihres 70. Geburtstags fordert die rüstige Rentnerin von ihrer Tochter einen mittelgroßen Gefallen ein. Um ihrem Begehr Nachdruck zu verleihen, platzt sie in die Praxis, in der sich die Therapeutin gerade nur schwer auf die Sorgen einer Klientin zu konzentrieren vermag. Ina kann von Glück sagen, dass auch dieser Tag nur 24 Stunden hat.
Anne Ratte-Polle verkörpert die in ihren Rollen als Mutter, Tochter und Lebensgefährtin geforderte und gestresste Frau authentisch. Ihre Ina würde sich selbst wahrscheinlich mit einigem Recht als emanzipiert bezeichnen. Schließlich steht sie sowohl als alleinerziehende Mutter wie auch als praktizierende Therapeutin ihre Frau.
Dabei scheint sie jedoch ihre eigenen Bedürfnisse aus dem Blick verloren zu haben. Es fällt ihr schwer, die Aufmerksamkeit, die sie ihren Klientinnen und Klienten schenkt, auch mal auf sich selbst zu richten. Das kann nicht ewig gut gehen. Dass sie auf der abendlichen Geburtstagsparty bei einem hübsch missstimmigen Karaokeduett mit ihrer emotional erpresserischen Mutter mehr und mehr aus der Rolle fällt, wirkt denn auch wie ein Befreiungsschlag.
Besser getroffen als dieses etwas klischeebeladene Mutter-Tochter-Verhältnis ist die Beziehung zwischen Ina und Elli. Das liegt auch an Lea Drinda, die gekonnt zwischen Teenagertrotz und Teenagersensibilität changiert. Dass Elli ausflippt, als sie Wind von den Tampere-Plänen bekommt, ist ebenso verständlich wie die Idealisierung ihres leiblichen Vaters Hannes (Jonas Hien). Schließlich treten weniger Probleme auf, wenn man nicht zusammenlebt. Trotzdem scheint Ellis Verhältnis zu ihrer Mutter stabil.
Differenziert gezeichnet sind auch die Männerfiguren. Inas Freund Reto scheint etwas selbstbezogen. Doch Inas Wohl ist ihm nicht egal. Überflüssig erscheint hingegen, dass er mit Inas Ex Hannes in einen Hahnenkampf gerät. Da greift doch wieder das Klischee.
„Alle wollen geliebt werden“, Regie: Katharina Woll, mit Anne Ratte-Polle, Lea Drinda, Ulrike Willenbacher, 80 Minuten, FSK 12