Schützen frühere Erkältungen vor schweren Covid-19-Verläufen?

Heißer Tee, Taschentücher und viel schlafen: Wer durch ein bestimmtes Coronavirus in der Vergangenheit eine Erkältung bekommen hat, dessen Covid-19-Verlauf könnte milder sein.

Heißer Tee, Taschentücher und viel schlafen: Wer durch ein bestimmtes Coronavirus in der Vergangenheit eine Erkältung bekommen hat, dessen Covid-19-Verlauf könnte milder sein.

Münster/Hamburg. Eine frühere Infektion mit einem bestimmten, harmlosen Corona-Erkältungsvirus könnte das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf senken. Dies legen zwei Studien der Universitätsmedizin Münster nahe. Um den Krankheitsverlauf besser vorhersagen zu können, sollte künftig geprüft werden, ob bei stationär aufgenommenen Patienten Antikörper gegen das harmlose Virus vorliegen, schreiben die Forscher aktuell im Fachmagazin „Journal of Clinical Virology“. Ein Immunologe des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg mahnt indes zu einer vorsichtigen Bewertung der Studien.

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Das Team um den Medizininformatiker Martin Dugas hatte zunächst eine Pilotstudie mit 60 Corona-Patienten am Universitätsklinikum Münster (UKM) und anschließend eine größere Folgestudie mit 296 weiteren Patienten aus anderen Kliniken in Deutschland und Frankreich durchgeführt.

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Im Schnitt mildere Erkrankungen

Dabei wurde den Probanden möglichst früh nach dem Auftreten erster Symptome Blut entnommen, das dann auf Antikörper gegen vier Erkältungs-Coronaviren untersucht wurde. Diese bereits vor der Pandemie weltweit zirkulierenden Coronaviren (HCoV-229E, HCoV-NL63, HCoV-HKU1 und HCoV-OC43) lösen in der Regel nur harmlose saisonale Infektionen der oberen Atemwege aus. Die Wissenschaftler verglichen im weiteren Verlauf die unterschiedlichen Covid-19-Verläufe der Patienten.

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Das Ergebnis: Wurden im Blut der Probanden Antikörper gegen das Coronavirus OC43 gefunden, erkrankten diese im Schnitt milder an Covid-19. Einen weniger ausgeprägten, aber dennoch nachweisbaren Schutzeffekt hatten zudem Antikörper gegen HCoV-HKU1. „Beide Studien belegen, dass im Vergleich zu anderen Covid-19-Patienten vor allem jene Patienten kritisch erkrankten, bei denen sich keine Antikörper gegen das sogenannte Nukleokapsid-Protein von HCoV-OC43 nachweisen ließen“, fasst Dugas in einer zu den Forschungsresultaten veröffentlichten Mitteilung zusammen.

Korrelation, nicht Kausalität

Für Thomas Jacobs vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin zeigen die Ergebnisse aus Münster allerdings zunächst eine Korrelation und keine Kausalität: „Aus den Studien lässt sich nicht ablesen, ob tatsächlich die Antikörper gegen die Erkältungs-Coronaviren zu einem milderen Verlauf führen.“ Mehrere Arbeiten hätten sich bereits mit der Frage beschäftigt, ob Immunreaktionen auf Common-Cold-Coronaviren – also auf harmlose Corona-Erkältungsviren – in Form von T-Zell- oder Antikörperantworten Einfluss auf das Infektionsgeschehen nehmen, und seien dabei zu unterschiedlichen Ergebnisse gekommen.

„Die Beobachtungen aus Münster sind zwar interessant, lassen aber noch viele Fragen offen“, kommentiert der Immunologe. Dazu gehöre etwa die Frage, ob die Antikörper gegen das Spike-Protein von Common-Cold-Viren auch das Spike-Protein von Sars-CoV-2 neutralisieren könnten: „Das halte ich für unwahrscheinlich“, so Jacobs.

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Interessant wäre es daher, den funktionellen Mechanismus hinter der beobachteten Korrelation aufzudecken. Im Wesentlichen zeigten die Studien aus Münster, dass Patienten mit einer guten Immunantwort gegen harmlose Coronaviren auch eine gute Immunantwort gegen Sars-CoV-2 haben – das müsse aber nicht kausal zusammenhängen, sondern könne eine allgemein gute Immunantwort entsprechender Patienten widerspiegeln.

Studienautoren sehen Screeningmöglichkeit

Für die Studienautoren haben die Ergebnisse unmittelbare praktische Relevanz. So erklärt Infektiologe Schmidt: „Unsere daraus abgeleitete Empfehlung ist, dass OC43-Antikörper bei stationär aufgenommenen Covid-19-Patienten gemessen und als Teil der Risikobewertung betrachtet werden.“ In Münster passiere dies bereits seit März, um die Patienten je nach Ergebnis sehr engmaschig zu überwachen. „Wir haben mit der Testung erstmalig eine Screeningmöglichkeit, aus der wir eine Prognose für den Krankheitsverlauf ableiten und neue Therapiemöglichkeiten bei Covid-19 für diejenigen Patienten nutzen können, die sie am meisten benötigen“, sagt Schmidt. „Diese Chance sollten wir nutzen.“

Bislang werden schwere Covid-19-Verläufe mit Risikofaktoren wie chronischen Lungenerkrankungen, starkem Übergewicht oder Diabetes sowie vor allem einem hohen Lebensalter in Verbindung gebracht – entsprechend wurden auch die Risikogruppen bei der Impfpriorisierung definiert. In den Studien aus Münster spielte allerdings das Alter gar keine so große Rolle für einen schweren Verlauf. „Wir haben auch in der Folgestudie keine signifikanten Unterschiede im Krankheitsverlauf feststellen können, unabhängig davon, ob die Patienten 40, 60 oder 80 Jahre alt waren, sofern keine schweren Vorerkrankungen vorlagen“, führt Dugas aus. „Patienten in der zweiten Lebenshälfte, insbesondere Männer ohne OC43-Antikörper, hatten generell ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf.“

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RND/dpa

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