Mehr Ängste und Depressionen

RKI-Studie: Psychische Gesundheit hat sich seit Corona verschlechtert

Gemeinsam darüber reden: Die Selbsthilfegruppe „Windhunde“ trifft sich jeden Montag im Quartierstreff Wiesenau. Dort sprechen die Betroffenen über ihre Depression.

Seit dem Beginn von Pandemie und Lockdowns berichten immer mehr Menschen von depressiven Symptomen.

Laut einer neuen, als Preprint veröffentlichten Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) hat sich die psychische Gesundheit Erwachsener in Deutschland seit Pandemiebeginn verschlechtert. Schon zuvor hatten Untersuchungen ergeben, dass insbesondere junge Menschen und Kinder unter den Folgen von Pandemie und Corona-Maßnahmen leiden. Das Institut hatte Telefon­interviews ausgewertet, die von 2019 bis 2021 mit monatlich etwa 1000 Erwachsenen und seit 2022 mit monatlich etwa 3000 Erwachsenen geführt wurden. Teilnehmende der Studie wurden gefragt, wie sehr sie unter depressiven Symptomen oder an Angst­symptomen litten und wie sie ihre eigene psychische Gesundheit einschätzten.

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Depressive Symptome wie Interessen­verlust und Nieder­geschlagenheit waren demnach in der Zeit der ersten Corona-Welle und des ersten Lockdowns sowie im Sommer 2020 seltener als noch im Jahr zuvor. 2020 waren 9 Prozent der Befragten dadurch besonders belastet, 2019 waren es 11 Prozent gewesen. Ihr Anteil stieg dann auf 13 Prozent in 2021 und im Zeitraum von März bis Juni 2022 auf 17 Prozent. Überdurch­schnittlich stark betroffen waren in der Befragung Frauen, jüngere Erwachsene und über 65‑Jährige.

Nach Angstsymptomen wurde in der Untersuchung erst ab März bis September 2021 gefragt. In diesem Zeitraum berichteten 7 Prozent der Befragten von einer auffälligen Ängstlichkeit und von unkontrollierbaren Sorgen. Ein Jahr später, im Zeitraum von März bis Juni 2022, war ihr Anteil auf 11 Prozent gestiegen. Der Anteil derjenigen, die ihre eigene psychische Gesundheit als „sehr gut“ oder „ausgezeichnet“ einschätzten, sank im gleichen Zeitraum von 44 auf 40 Prozent ab.

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Mehr Depressionen bei Kindern

Das RKI betont, mit der Studie lasse sich nicht die Häufigkeit psychischer Störungen bestimmen, da sie keine Diagnose solcher Störungen zulässt. Erfasst worden seien lediglich Symptome. Zudem sei während des Untersuchungs­zeitraums der Ukraine-Krieg hinzu­gekommen, der ähnlich wie die Pandemie als Stressfaktor wirken könne. Insgesamt würden die Ergebnisse aber darauf hindeuten, dass sich wesentliche Merkmale psychischer Gesundheit in der erwachsenen Bevölkerung seit Ende 2020 verschlechtern, heißt es in einer Mitteilung des RKI. Das vermehrte Auftreten von depressiven Symptomen und Angstsymptomen und die verschlechterte subjektive psychische Gesundheit zum Ende des Beobachtungs­zeitraums würden „Wachsamkeit bei Akteurinnen und Akteuren aus Politik, Gesundheits­versorgung und ‑förderung sowie Prävention“ erfordern.

Die Resultate des RKI passen zu denen aus früheren Studien. Laut einem Bericht der Welt­gesundheits­organisation WHO, der bereits im Sommer dieses Jahres veröffentlicht wurde, ist seit Beginn der Pandemie weltweit eine Zunahme bestimmter psychischer Krankheiten beobachtet worden. Die Fälle von Depressionen und Angst­störungen haben demnach allein im ersten Pandemiejahr um 25 Prozent zugenommen.

Während für die RKI-Studie ausschließlich Daten von Erwachsenen ausgewertet wurden, lieferte der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK Daten für unter 18‑Jährige. Im Jahr 2021 hatten die Behandlungs­zahlen von Jugendlichen mit Depressionen und Essstörungen im Vergleich zum Vorjahr demnach deutlich zugenommen. Es mussten in Deutschland 28 Prozent mehr 15‑ bis 17‑Jährige mit Depressionen und 17 Prozent mehr ältere Teenager mit Essstörungen in einer Klinik behandelt werden. Der Anteil derer, die wegen einer emotionalen Störung (insbesondere wegen Ängsten) in einer Klinik behandelt werden mussten, lag bei den 15‑ bis 17‑Jährigen 42‑mal höher. Ähnliche Tendenzen hatte die DAK während der Pandemie auch bei Schulkindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren beobachtet. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sah insbesondere die Corona-Maßnahmen als Ursache für diese Entwicklungen an.

Persönlichkeit veränderte sich

Laut einer Studie, die diese Woche im Wissenschafts­magazin „Plos one“ erschienen ist, könnte sich nicht nur das psychische Befinden, sondern auch unsere Persönlichkeit in den vergangenen zwei Jahren verändert haben. Amerikanische Forschende hatten zu verschiedenen Zeitpunkten die Charakter­eigenschaften von über 7000 Amerikanern und Amerikanerinnen nach dem Big-five-Persönlichkeits­modell analysiert. Sie verglichen die Ergebnisse von den Jahren vor der Pandemie mit denen seit deren Beginn. Bei einem der Merkmale nach dem Big-Five-Modell, dem Neurotizismus, zeigte sich nur bei jüngeren Menschen eine stärkere Ausprägung seit der Pandemie. Bei allen Befragten zeigte sich aber vor allem in 2021 und 2022 eine Veränderung der vier anderen zentralen Persönlichkeits­eigenschaften: Sie waren in Persönlichkeitstests nun weniger extrovertiert, weniger offen für neue Erfahrungen, weniger gewissenhaft und weniger verträglich – was so viel bedeutet wie weniger kooperativ und empathisch.

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Abweichungen bei Persönlichkeits­eigenschaften nach dem Big-five-Modell sind eher selten und entwickeln sich normalerweise nur sehr langsam und allmählich. Die beobachteten Veränderungen während der Pandemie waren in ihrer Ausprägung zwar nicht sehr stark ausgefallen. Trotzdem entsprachen diese in ihrem Ausmaß Veränderungen, die sonst nur im Laufe von zehn Jahren auftreten würden.

Die Autoren und Autorinnen der Studie schreiben, für die Persönlichkeits­veränderungen könne nicht nur die Pandemie selbst verantwortlich gemacht werden. Vielmehr dürften auch politische und gesellschaftliche Unruhen und die staatlich verhängten Beschränkungen eine Rolle gespielt haben. Sie schlagen vor, in einer weiteren Studie zu untersuchen, wie sich unterschiedlich strenge Maßnahmen in verschiedenen US‑Bundesstaaten auf die Persönlichkeit ausgewirkt haben.

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