Kaum bekannt, aber gefährlich: Zytomegalie in der Schwangerschaft

Eine Frau mit Babybauch. (Symbolbild)

Eine Frau mit Babybauch. (Symbolbild)

Wenn eine Frau ein Kind erwartet, hört sie meist zum ersten Mal davon – aber in vielen Fällen auch nicht: Denn Zytomegalie ist auch längst nicht allen Ärzten und medizinischem Personal bekannt. Dabei ist die Infektion mit dem Virus (kurz CVM für englisch: Cytomegalievirus) die häufigste Infektion, die während der Schwangerschaft von der Mutter auf das Ungeborene übertragen wird. Etwa eine von hundert Schwangeren infiziert sich während der Schwangerschaft erstmals mit dem Virus. Zum Vergleich: Mit Toxoplasmose, auf die im Allgemeinen zu Beginn jeder Schwangerschaft hingewiesen wird, stecken sich laut dem Deutschen Ärzteblatt maximal 0,2 Prozent aller werdenden Mütter zum ersten Mal an. Auch die Übertragungsrate auf das Kind ist deutlich geringer als beim Zytomegalievirus.

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Hat eine Frau bereits eine Infektion durchlebt, ist sie immun

Gefährlich ist hier vor allem die Erstinfektion. Hat eine Frau bereits zuvor eine Infektion durchlebt, verfügt ihr Körper über Antikörper. Diese sorgen dafür, dass die Frau immun ist. Zwar kann es sein, dass das Virus bei einer erneuten Infektion reaktiviert wird oder die Frau sich mit einem anderen Erreger aus der CVM-Familie ansteckt. Die Gefahr für das Neugeborene ist dabei aber sehr gering.

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Aber woran liegt es, dass das Virus so unbekannt ist? “Bis vor Kurzem galt die Ansicht, dass man bei einer in der Schwangerschaft erfolgten Infektion ohnehin nichts mehr für das Kind tun könne”, erklärt Dr. med. Michael Wojcinski, der der Arbeitsgruppe Infektiologie und Impfen im Berufsverband der Frauenärzte (BVF) vorsteht. Bisher gibt es keine Impfung oder für Schwangere zugelassene Medikamente gegen das Virus. Früherkennungstests oder die Feststellung, ob die Schwangere bereis immun sei, habe man laut Dr. Michael Wojcinski daher bisher als sinnlos angesehen. Mit gefährlichen Folgen: Vor allem Kinder, die sich während der ersten Monate im Mutterleib mit dem Virus infizieren, tragen in den meisten Fällen schwere Beeinträchtigungen davon. Diese können von Lähmung, Epilepsie, Blindheit, Hörverlust bis hin zur motorischen und geistigen Behinderung reichen. Doch selbst wenn die Mutter erst im zweiten oder dritten Trimester das Virus auf ihr Ungeborenes überträgt, drohen Spätschäden.

Ein Test bringt Klarheit - allerdings ist er keine Kassenleistung

Klarheit bringt ein Test, der schon bei Kinderwunsch oder spätestens in der Frühschwangerschaft durchgeführt werden sollte. Mit dem Test finden Frauen heraus, ob sie aufgrund einer früheren Infektion bereits immun gegen das Zytomegalievirus sind oder nicht. Viele ärztliche Vereinigungen raten dazu, darunter der Berufsverband der Frauenärzte sowie die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Dennoch ist ein solcher Test keine Kassenleistung und muss privat bezahlt werden. Doch die Investition lohnt sich: Denn die Krankheit verläuft häufig unbemerkt. Laut Berufsverband der Frauenärzte treten nur bei etwa einem Fünftel der Frauen unspezifische oder grippeähnliche Erkrankungsanzeichen auf, so wie Kopf- und Gliederschmerzen, Schwellung der Lymphknoten, Fieber und Abgeschlagenheit.

Ergibt der Test, dass die Frau noch keine Zytomegalieinfektion durchlebt hat, ist Vorsicht geboten: Denn das Virus wird durch Schmierinfektionen übertragen, also durch direkten Kontakt mit virushaltigem Speichel, Urin, Tränen, Genitalsekret und Sperma. Meist sind kleine Kinder die Überträger. Demnach sollte eine Schwangere, die noch nicht immun gegen das Virus ist, den engen Austausch mit kleinen Kindern meiden – was natürlich besonders schwierig ist, wenn sie bereits ein Kind hat oder in der Kinderbetreuung arbeitet. Ist beides nicht der Fall, sollte sie trotzdem aufpassen: Denn auch der eigene Partner kann sich den Virus einfangen und dann beim Küssen oder während dem Geschlechtsverkehr übertragen. Keine Gefahr droht, wenn der Partner bereits immun gegen das Virus ist – auch hier kann ein Test sinnvoll sein. Dr. Michael Wojcinski vom BVF betont: “Die wichtigste Maßnahme ist es, direkten Kontakt zu Körperflüssigkeiten vor allem von anderen Kleinkindern strengstens zu vermeiden. Dort, wo sich das nicht verhindern lässt, wenn etwa kleine Kinder in der Familie vorhanden sind, ist penible Hygiene Pflicht.” Der Experte rät nicht immunen Schwangeren zum Windelnwechseln oder Füttern mit Handschuhen und Mundschutz; darüber hinaus zu häufigem Händewaschen, gegebenenfalls mit virusabtötenden Mitteln.

Diese Therapien helfen gegen Zytomegalie

Infiziert sich eine Schwangere dann doch erstmals mit Zytomegalie, hat sie noch eine Möglichkeit, den Virus aufzuhalten: eine Therapie mit Hyper-Immunglobulinen, also Antikörpern gegen den Erreger. Jedoch gibt es noch kein Medikament für werdende Mütter. Ein Beispiel ist das Präparat Cytotect vom Unternehmen Biotest: Zwar ist es bereits seit Jahren für Organtransplantierte zugelassen, aber eben nicht für Schwangere. Ärzten bleibt daher nur die Möglichkeit, das jeweilige Medikament im sogenannten Off-Label-Use zu empfehlen – also für eine andere Zielgruppe als die, an der das Medikament zuvor erprobt wurde.

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Welche Auswirkungen eine Therapie mit Hyper-Immunglobulinen wirklich auf das Kind hat, ist daher nicht sicher. Allerdings legen aktuelle Studien nahe, dass sie das Risiko auf eine Infektion beim Kind verringert. Dr. Michael Wojcinski vom Berufsverband der Frauenärzte sagt: “Die Frau sollte frühzeitig Hyper-Immunglobuline bekommen, die das Risiko der Übertragung auf das ungeborene Baby sehr deutlich senken. Ist das ungeborene Baby bereits infiziert, dann kann das Fortschreiten der Krankheit und Gehirnschädigungen durch Anti-Virus-Arzneimittel sehr deutlich eingegrenzt und oft auch ganz verhindert werden.”

Die Medikamente sind teuer und nicht immer zahlt die Krankenkasse

Doch selbst wenn die werdende Mutter sich für eine solche Therapie entscheidet, gibt es einen Haken: Die Medikamente, die in drei Infusionen bis zur 24. Schwangerschaftswoche gegeben werden, kosten meist mehrere Tausend Euro. Nicht immer kommt die Krankenkasse dafür auf, auch unter Verweis auf die noch nicht hundertprozentig bestätigte Wirksamkeit.

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