300 Millionen Euro Investition

Eine Stadt, die fast nur aus Straßen besteht: Wo BMW seine selbstfahrenden Autos testet

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Wir fahren auf einer Autobahn, passieren mehrere Ausfahrten, bevor das Auto nach rechts blinkt und abfährt. Weiter durch einen Tunnel und über eine neu gebaute Brücke, bevor wir an einer roten Ampel mit Zebrastreifen und Radwegen anhalten.

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Das klingt vielleicht nicht so spektakulär. Eine ziemlich alltägliche Situation, die die meisten Pendlerinnen und Pendler kennen. Aber um uns herum gibt es fast keine Gebäude. Und die Schilder am Straßenrand variieren in Sprache und Aussehen. Es sind auch keine normalen Pendlerinnen und Pendler unterwegs. Wenn überhaupt jemand am Steuer sitzt.

Denn wir befinden uns im neuen Entwicklungszentrum für zukünftige Mobilität von BMW in Sokolov, in der Tschechischen Republik. 300 Millionen Euro sind in das Projekt geflossen, das in diesem Sommer seinen Betrieb aufgenommen hat. Es ist eine große Investition, aber auch eine notwendige. Konkurrent Mercedes etwa verfügt bereits seit einigen Jahren über eine ähnliche Anlage in schwäbischen Memmingen.

„Wir können hier alle Szenarien testen, die wir brauchen“

Mit einer Fläche von 600 Hektar ist Sokolov das größte Testzentrum von BMW. Insgesamt 25 Kilometer Straße auf sechs Spuren simulieren Stadtverkehr, Landstraßen und Autobahnen. Eine Stadtattrappe, die an den Film „Die Truman Show“ erinnert. Die Straßenschilder aus der ganzen Welt dienen dazu, die Systeme für viele der 140 Länder zu testen, in die BMW seine Fahrzeuge verkauft.

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Schlechte Sichtverhältnisse, Fußgänger und Radfahrerinnen, Tunnel und Parkhäuser – alle möglichen Situationen werden auf dem Gelände simuliert.

Schlechte Sichtverhältnisse, Fußgänger und Radfahrerinnen, Tunnel und Parkhäuser – alle möglichen Situationen werden auf dem Gelände simuliert.

Die verschiedenen Umgebungen sind miteinander verbunden, um Autos in mehreren aufeinanderfolgenden Verkehrssituationen testen zu können. Laut BMW macht das die Anlage einzigartig. „Wir können hier alle Szenarien testen, die wir brauchen. Zum Beispiel wird das autonome Fahren auf der sechs Kilometer langen Autobahn getestet, wo Staus und ein Unfall simuliert werden“, sagt Andreas Heb, der die Tests in der Anlage leitet. Er sagt auch, dass das, was hier aktuell zu sehen ist, erst der Anfang sei. Die Anlage soll auf 100 Straßenkilometer erweitert werden.

Ziel: autonomes Fahren auf Level vier

Schlechte Sichtverhältnisse, Fußgänger und Radfahrerinnen, Tunnel und Parkhäuser – alle möglichen Situationen werden auf dem Gelände simuliert. An manchen Stellen gibt es auch kaputte und verschlissene Straßen für Tests auf schlechtem Straßenbelag. Die Ergebnisse werden direkt an die BMW-Entwickler im 300 Kilometer südlicher gelegenen München weitergeleitet. Dafür hat BMW drei eigene Funkmasten auf dem Gelände aufgestellt.

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Das Hauptziel des Future Mobility Development Centres ist die Entwicklung selbstfahrender Autos auf Level vier. Damit können sie dann völlig selbstständig fahren. Das für jedes Wetter und in jeder Umgebung zu erreichen, ist jedoch keine leichte Aufgabe. Auf dem Weg dahin wurden auch Technologien für mehr Sicherheit entwickelt, bei denen das Auto eingreifen und dem Fahrer oder der Fahrerin helfen kann.

Die Stufe eins für selbstfahrende Autos umfasst heute so selbstverständliche Dinge wie Tempomat oder Spurhalteassistent. Der BMW i7 und der BMW i5 verfügen über Level zwei, womit sie auf der Autobahn mit bis zu 130 Stundenkilometern selbst fahren können – allerdings muss der Fahrer oder die Fahrerin immer bereit sein, einzugreifen.

Wie viel Fahrspaß bleibt übrig?

Aber hat BMW nicht eigentlich den Ruf, Autos zu bauen, die Spaß beim Fahren machen? Ob Elektro oder Benziner, BMW steht für starke Motoren, präzise Lenkung und ein ausgewogenes Fahrwerk: Wie viel Fahrspaß bleibt übrig, wenn der Fahrer oder die Fahrerin durch Kameras, Sensoren und Rechenleistung ersetzt wird?

Laut BMW legt man aus diesem Grund großen Wert darauf, dass alle Assistenzsysteme das Gefühl vermitteln, dass der Fahrer oder die Fahrerin weiterhin die Kontrolle hat. Letztlich geht es bei vielen der Funktionen auch um mehr Sicherheit. „Überall auf der Welt gibt es gesetzliche Anforderungen an Sicherheitssysteme. Wir brauchen also Kapazitäten, um zu testen und zu zeigen, dass unsere Systeme funktionieren“, sagt Heb.

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Selbstfahrende Autos können Testfahrer ersetzen

Indirekt tragen die selbstfahrenden Autos wiederum durch automatisierte Dauertests von Komponenten zur Entwicklung von sichereren Fahrzeugen bei. Das ist etwa bei den beiden BMW i7, die sich gerade wie bei einem Tanz umkreisen, der Fall. In den Autos sitzen keine Fahrer. Plötzlich bremst das eine Auto, dann das andere, und dann geht es von vorne los.

„Wir führen fahrerlose Tests von Bremsen und Reifen durch. Normalerweise wird dies von einem Testfahrer durchgeführt, aber auf diese Weise können wir genau die gleichen Ergebnisse immer wieder reproduzieren“, sagt ein Ingenieur, der die Zahlen auf einem Bildschirm überwacht.

Panoramic view from drone of Eixample district with Sagrada Familia in Barcelona at sunny day, Spain

Leben in der 15-Minuten-Stadt? Wenn alles zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar ist

Wie ein öffentliches Wohnzimmer vor der Haustür stellen sich Verfechter der 15-Minuten-Stadt Quartiere vor. Alles, was im Alltag wichtig ist, kann dort zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden. Doch der Aufwand ist groß – und der Widerstand oft auch.

Die Testwagen sind also Testroboter, die eine Aufgabe ohne Abweichungen, und ohne zu ermüden, wiederholen können. Zum Beispiel Tests auf schlechten Straßen oder Notbremsungen, die für einen menschlichen Fahrer sehr anspruchsvoll sind.

„Wir messen den Geräuschpegel und die Temperatur. Die Autos führen immer genau das gleiche Manöver aus, sodass wir die beiden Bremsen gut vergleichen können. Mit einem menschlichen Fahrer gibt es immer kleine Unterschiede“, sagt der Ingenieur.

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Mixed Reality – mit einem echten Auto auf einer virtuellen Strecke

BMW nutzt die Anlage auch, um mit Technologien zu experimentieren, deren Anwendungen in der Praxis noch nicht ganz klar sind. Wie zum Beispiel Mixed Reality. Auf einer großen leeren Asphaltfläche steht ein BMW M2 mit einem Sechszylinder-Bi-Turbo und 460 PS im Leerlauf. Damit will BMW demonstrieren, wie man ein Fahrerlebnis schafft, bei dem die Realität mit der digitalen Welt verschmilzt.

Mit der Virtual-Reality-Brille auf dem Kopf verwandelt sich der graue Asphalt in eine bunte Rennstrecke im Stil eines Videospiels.

Mit der Virtual-Reality-Brille auf dem Kopf verwandelt sich der graue Asphalt in eine bunte Rennstrecke im Stil eines Videospiels.

Mit der Virtual-Reality-Brille auf dem Kopf verwandelt sich der graue Asphalt in eine bunte Rennstrecke im Stil eines Videospiels. Der Motor heult auf und die Reifen quietschen, wenn das Auto durch den leeren Platz geschleudert wird. Vor den Augen des Fahrers entfaltet sich jedoch eine Strecke mit engen Kurven, auf der man Münzen einsammeln muss. Eine anspruchsvolle digitale Illusion, bei der die virtuelle Realität mit Daten aus den Fahrzeugbewegungen dargestellt wird, um ein so realistisches Erlebnis wie möglich zu schaffen.

Technisch ist das beeindruckend – aber welchen Nutzen hat das? „Zum einen wollten wir zeigen, dass es möglich ist, ein reales Auto in einer virtuellen Welt zu fahren. In Zukunft kann es für das Fahrertraining genutzt werden, bei denen die Technologie auch Tipps gibt, wie man das Fahren verbessern und sicherer machen kann“, sagt Alexander Kuttner, der die Anwendung entwickelt hat. Und er macht keinen Hehl daraus, dass ein nicht unwesentlicher Teil davon natürlich auch der Spaß an der Sache ist.

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