Sorge in vielen Fällen nicht begründet

Lähmende Angst vor der Altersarmut? Diese ersten Schritte können helfen

Die Angst vor Altersarmut wächst in Deutschland – gerade bei Jüngeren.

Die Angst vor Altersarmut wächst in Deutschland – gerade bei Jüngeren.

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Seniorinnen und Senioren, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen oder sogar Pfand­flaschen auf der Straße sammeln: Die Sorge vor Altersarmut wächst bei vielen Menschen. Einer Erhebung des Umfrageinstituts YouGov zufolge haben 49 Prozent der Männer und 56 Prozent der Frauen Angst vor Armut im Alter. „Die Angst vor Altersarmut ist ganz klar eine der häufigsten Gründe, warum Beratungstermine vereinbart werden“, erklärt Adrian Englschalk, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen.

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Diese Sorge sei in vielen Fällen aber gar nicht begründet, meint Englschalk. Und auch die Psychologin Gesa Heiten sagt: „Die Tendenz, dass wir uns mehr um die Zukunft sorgen, als es wirklich nötig ist, ist generell größer geworden“. Sie erklärt sich das mit der aktuellen Situation, in der der Krieg in der Ukraine, Rezessionsangst und die Klimakrise auf eine Überalterung der Gesellschaft treffen.

Doch Angst vor der Armut im Alter – das müsse nicht sein, sind sich beide Experten sicher. Es sei häufig so, dass die Menschen größere Probleme in der Altersvorsorge erwarten, als wirklich da seien, weiß Englschalk. „Diese extreme Angst vor Altersarmut ist gerade etwas, was man in der jüngeren Generation feststellt.“ Doch gerade diese Generation habe meistens noch genug Zeit, um Probleme in den Griff zu bekommen. „Ja, Rentenlücken sind groß, aber über den Faktor Zeit lassen sich die Lücken meist noch sehr gut schließen.“

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Überblick über die Situation verschaffen

Angst bekommen Menschen vor allem dann, wenn sie sich Geschichten um ihre eigene Zukunft ausmalen, sagt Heiten. Wird das Geld reichen? Werden sich die Kinder um mich kümmern? „Wir müssen uns klarmachen, dass das Geschichten sind, die mit der Wirklichkeit nicht unbedingt etwas zu tun haben“, sagt Heiten. Besser sei es, ausreichend vorzusorgen, so würde die Angst vor der Zukunft kleiner.

Daher sei es wichtig, sich mit den Fragen zu beschäftigen und sich einen guten Überblick über die reale Situation zu verschaffen. „Zahlen, Daten, Fakten können uns dabei helfen, es ist aber auch wichtig, zu wissen, wie man seine Ressourcen nutzen kann“, erklärt die Psychologin. Das könne etwa über eine Beratung funktionieren, in der sich zeigt, ob das eigene Geld gut angelegt ist. Doch wie sieht das ganz praktisch aus?

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Wie kann man gegen Altersarmut vorsorgen?

„Eine Altersvorsorge ist die Summe vieler guter Entscheidungen, die ich bis zum Renten­eintritt getroffen habe“, sagt Englschalk. Der erste große Schritt bestehe deshalb darin, mit dem Sparen anzufangen. „Viele Menschen halten sich sehr lange mit der Frage auf, was sie am besten für Verträge abschließen, und fangen an zu googeln.“ Dabei kämen dann widersprüchliche Informationen heraus, und die Menschen seien noch verwirrter als vorher.

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„Es vergeht dann oft schon extrem viel Zeit, in der gar nichts getan wurde“, sagt Engelschalk. Besser sei es, einfach damit zu starten, sein Geld zur Seite zu legen und dann in die Recherche zu gehen. Wenn man sich für etwas Passendes entschieden hat, habe man schon einen gewissen Betrag, um mit einem Startschuss in die Altersvorsorge zu gehen.

Welches Altersvorsorgeprodukt für wen?

„Es ist heutzutage nicht mehr so, dass wir sagen können, es gibt das eine Altersvorsorge­produkt, das super für alle funktioniert“, sagt Englschalk. Vielmehr sei die Altersvorsorge heute eine klassische Geldanlage. Das sei auch ein Grund, warum ETFs (Red.: Exchange-Traded Fund, deutsch: börsengehandelte Fonds) so populär geworden sind. „Wertpapiere werden heute oft anstelle einer Versicherung für die Altersvorsorge genutzt“, erklärt Englschalk. Schließlich gehe es darum, möglichst viel Geld mit in die Rente zu nehmen. Bei klassischen Altersvorsorgeverträgen dagegen kommen auf die Versicherten oft hohe Versicherungs­kosten wie Verwaltungskosten, Abschluss- und Vertriebskosten zu. Diese Kostenstrukturen schmälern später die Erträge.

Trotzdem haben auch klassische Versicherungsverträge noch ihre Daseinsberechtigung, sagt Englschalk. Dies treffe aber eher auf Nischen zu. Dazu zählt der Experte etwa die betriebliche Altersvorsorge. „Allerdings wird auch sie erst dann richtig interessant, wenn der Arbeitgeber freiwillig deutlich mehr zuschießt als die gesetzlich vorgeschriebenen 15 Prozent.“ Um aus Verbrauchersicht interessant zu werden, benötigen die meisten Verträge demnach einen Zuschuss von 35 bis 40 Prozent. Ähnliches gilt für die Riester-Rente: „Sie wird erst interessant, wenn Kinderzulagen dazukommen.“

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Wie viele Sorgen sind noch normal?

„Geht es meiner Tochter gut?“ „Hatte mein Mann einen Autounfall?“ „Mögen mich die Kollegen?“ Sorgen sind normal, aber bei manchen Menschen bestimmen sie das Leben. Oft werden Angststörungen jedoch erst spät erkannt. Wie man die Ängste eindämmt.

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Von welchen Sparmaßnahmen ist eher abzuraten?

„Die Produkte, die am seltensten funktionieren, sind die Renten- und Lebensversicherungen und die sogenannten Rürup-Renten“, erklärt Englschalk. Beide Produkte würden extrem unter ihrer Kostenstruktur leiden und seien nicht durch Arbeitgeberzuschüsse oder Kinderzulagen subventioniert. Dennoch seien diese Verträge Englschalk zufolge weiterhin sehr populär bei Banken, Versicherungen und Finanzvertrieben, da sie über die Steuervorteile verkauft werden. „Die Vorteile sehen auf den ersten Blick sehr gut aus, reichen aber in der Praxis höchst selten, um den Abschluss wirklich zu argumentieren“, findet der Finanzexperte.

Bei den Verbraucherzentralen der Länder können Verbraucherinnen und Verbraucher eine Geldanlage- und Altersvorsorgeberatung erhalten.

Und wenn man trotzdem Angst hat?

Wenn einen trotz gut aufgestellter Zukunftsplanung einmal die Panik packt, gibt es einige Methoden, diese in den Griff zu bekommen. Wichtig ist es, diese Ängste ernst zu nehmen, sind sie doch ein guter Impulsgeber, etwas anzugehen, was unsere Aufmerksamkeit will, meint Heiten. Auch können Achtsamkeitsübungen, Atemübungen oder Yoga helfen, wenn einen die Angst überkommt. Sie zu unterdrücken sei hingegen nicht hilfreich. „Wenn Angst unterdrückt wird, kommt sie oft an anderer Stelle raus“, erklärt Heiten. Das könnten dann etwa Rückenschmerzen, Bluthochdruck oder Herzrasen sein.

Psychologische Hilfe sollten Betroffene in Anspruch nehmen, wenn sie die Situation als belastend empfinden und nicht mehr allein aus der Angst herausfinden. Bei der Suche nach einer schnellen Hilfe können etwa der Hausarzt helfen oder auch Heilpraktiker oder Psychologen.

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