Equal Pay Day: fünf Mythen zur ungerechten Bezahlung im Faktencheck
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/YIVOENY6DNHGNG4VIUQKMTFUYY.jpg)
Equal Pay, die gleiche Bezahlung bei gleicher Qualifikation und Leistung unabhängig vom Geschlecht, ist noch lange nicht erreicht.
© Quelle: Bild von <a href="https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/geschaeftsmann-und-frau-die-auf-gleichen-stapel-von-muenzen-sitzen_6657303.htm#query=equal%20pay&position=4&from_view=search&track=ais">Freepik</a>
Sind Sie eine Frau? Dann werden sie ab heute endlich für ihre Arbeit bezahlt. Für Dienstag (7. März) wurde der sogenannte Equal Pay Day in Deutschland errechnet – der Tag des Jahres, bis zu dem Frauen rechnerisch im Durchschnitt ohne Bezahlung arbeiten mussten, wenn sie fortan bis zum Jahresende gleich viel wie Männer verdienen würden. Im Jahr 2009 hatte der Equal Pay Day noch auf dem 20. März gelegen. Je früher im Jahr dieser Aktionstag für Lohngerechtigkeit stattfindet, desto geringer ist also die Lohnungleichheit.
Aber wie kommt sie überhaupt zustande? Rund um die sogenannte Gender-Pay-Gap ranken sich jedoch viele Mythen. Verhandeln Frauen schlechter? Wählen sie die schlechter bezahlten Jobs? Fünf Behauptungen im Faktencheck.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SUXJXPIWORDNBLHNMVWTSMEM5M.png)
Unbezahlbar
Unser Newsletter begleitet Sie mit wertvollen Tipps und Hintergründen durch Energiekrise und Inflation – immer mittwochs.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Mythos 1: „Das ist keine Diskriminierung, für die Gender-Pay-Gap gibt es Erklärungen“
Ja und nein. Frauen haben im Jahr 2022 in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger pro Stunde verdient als Männer. Diese sogenannte unbereinigte Gender-Pay-Gap hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Unbereinigt heißt, dass Gründe wie Teilzeitarbeit, weniger Führungspositionen, Betriebsjahre oder generell schlechter bezahlte Berufswahl nicht berücksichtigt werden.
Wird dieser Wert aber um mögliche Erklärungen bereinigt, liegt er immer noch bei 7 Prozent. Frauen verdienen demnach im Durchschnitt 7 Prozent weniger als ihre Kollegen – trotz vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie. Für diese Gehaltsunterschiede gibt es also andere Gründe.
Gender Pay Gap macht sich auch im Jahr 2022 bemerkbar
Frauen erhalten in Deutschland weiter durchschnittlich geringere Stundenlöhne als Männer.
© Quelle: dpa
Mythos 2: „Frauen müssen einfach besser verhandeln“
„Es ist ein gängiges Vorurteil, dass Frauen schlechter verhandeln“, sagt Arbeitsrechtlerin Johanna Wenckebach. Tatsächlich haben Studien in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass Frauen seltener ihr Gehalt verhandeln und früher nachgeben als Männer, wenn sie es doch tun. Das nur auf Persönlichkeitsunterschiede oder Unfähigkeit zu schieben wäre aber zu einfach. Die Gründe sind vielfältig.
„Das hat auch mit Geschlechterstereotypen zu tun“, sagt Wenckebach. Diese werden Kindern schon im Mutterleib und spätestens im Kindergartenalter direkt und indirekt vermittelt. „Schon als kleine Kinder werden wir in diesem Rollenbewusstsein aufgezogen: „Sei nett“ als Mädchen und „Setz dich durch“ als Junge“, sagt Wenckebach, die sich im Rahmen ihrer Forschung mit solchen Stereotypen beschäftigt hat. Wer als Frau an den Verhandlungstisch tritt, hat diese Stereotype oft verinnerlicht – und gerät dort an Menschen mit ähnlichen Prägungen. Das schränkt den Verhandlungsspielraum ein.
Wenn eine Frau hingegen aus diesen stereotypen Rollenbildern ausbricht, hat sie es, darauf deuten Studien hin, noch schwerer. Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass Frauen, die entgegen gängiger Stereotype hart verhandeln, auf Abwehr bei ihrem Verhandlungsgegenüber treffen. Das Verhalten passt nicht zu unbewussten Vorurteilen und wird als unangebracht empfunden. „Während Männer als durchsetzungsstark und selbstbewusst wahrgenommen werden, wenn sie hart verhandeln und Forderungen stellen, wird dasselbe Verhalten bei Frauen als unangenehm, aufmüpfig oder zickig empfunden“, so Wenckebach.
Doch das muss nicht so sein. Wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, verhandeln Männer und Frauen gar nicht so unterschiedlich erfolgreich. Dazu zählt, laut einer Meta-Studie, etwa wenn Frauen über Verhandlungserfahrung verfügen; sie wissen, dass das Gehalt verhandelbar ist; sowie wenn sie den Verhandlungsspielraum kennen. Interessant ist auch: Wenn Frauen im Namen einer anderen Person verhandeln, trauen sie sich eher, härter zu verhandeln. Forschende vermuten, dass Frauen so aus Geschlechterrollen ausbrechen können. Das zeigt: Frauen die „Schuld“ an ihrem vermeintlich schlechteren „Verhandlungsgeschick“ zu geben greift zu kurz. Vielmehr kommt es darauf an, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine ehrliche und offene Verhandlung erst ermöglichen.
Außerdem gilt: Selbst wenn Frauen schlechter verhandeln, ist das kein Grund, sie schlechter zu bezahlen. Das Bundesarbeitsgericht hat kürzlich in einem Fall entschieden, dass der Arbeitgeber Verdienstunterschiede zwischen einer Frau und ihrem Kollegen nicht mit dessen besserem Verhandlungsgeschick begründen kann (8 AZR 450/21). Es ist gut möglich, dass Gerichte ähnliche Fälle in Zukunft genauso entscheiden.
Mythos 3: „Frauen müssen eben mehr arbeiten“
Frauen arbeiten tatsächlich häufiger in Teilzeit als Männer – insbesondere Mütter. Zwei Drittel (65,5 Prozent) aller erwerbstätigen Mütter arbeiteten im Jahr 2020 in Teilzeit, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Nur 7 Prozent der erwerbstätigen Väter arbeiteten in Teilzeit. Insgesamt arbeiteten im Jahr 2018 11,2 Prozent der erwerbstätigen Männer in Teilzeit und 47,9 Prozent der erwerbstätigen Frauen. Die Gründe für die Teilzeittätigkeit unterscheiden sich stark nach dem Geschlecht: Als häufigsten Grund für Teilzeitarbeit nennen Frauen familiäre oder persönliche Verpflichtungen (41 Prozent) – und Männer Aus- und Fortbildung (24 Prozent).
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/DMGOZCVWFNFMJBUMXEZCJBR5CM.jpg)
Das Leben und wir
Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie - jeden zweiten Donnerstag.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Das heißt aber nicht, dass Frauen weniger „arbeiten“: Sie leisten oft sehr viel mehr unbezahlte Care-Arbeit. Sie betreuen Kinder oder übernehmen Pflegetätigkeiten bei Verwandten oder Bekannten, betätigen sich ehrenamtlich, gehen häufiger einkaufen oder kümmern sich stärker um den Haushalt.
52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit bringen Frauen am Tag auf als Männer. Das entspricht einem Zeitrahmen von 87 Minuten: Männer leisten pro Tag im Schnitt zwei Stunden und 46 Minuten unbezahlte Sorgearbeit, bei Frauen sind es ganze vier Stunden und 13 Minuten. Das geht aus dem Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hervor und basiert auf Erhebungsdaten von 2012/2013. Durch die Corona-Krise wurden die Unterschiede bei der unbezahlten Sorgearbeit sogar noch verschärft.
Mythos 4: „Es gibt doch schon ein Gesetz für Entgelttransparenz, das reicht doch?“
Seit 2017 gibt es in Deutschland das Entgelttransparenzgesetz. Es soll Mitarbeitenden ermöglichen zu erfahren, was Kolleginnen und Kollegen anderer Geschlechter in vergleichbarer Position verdienen. Doch das Gesetz hat viele Hürden: Unter anderem gilt es nur in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitenden. Und es muss mindestens sechs Personen des anderen Geschlechts geben, die einen vergleichbaren Job haben wie man selbst. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schätzt, dass das Gesetz etwa zwei Drittel der Frauen in Deutschland nicht hilft, weil sie in kleinen und Kleinstbetrieben arbeiten.
Und noch ein großes Manko gibt es beim Entgelttransparenzgesetz: Es ergibt sich daraus kein Anspruch auf gendergerechte Bezahlung. Wer herausfindet, dass er oder sie weniger verdient als Kolleginnen oder Kollegen anderer Geschlechter, müsste im Zweifel den eigenen Arbeitgeber verklagen und dieselbe Bezahlung erstreiten. Und wer will sich schon gern mit dem eigenen Chef – oder der eigenen Chefin – anlegen?
Mythos 5: „Frauen wählen schlechter bezahlte Berufe“
Frauen arbeiten laut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung überdurchschnittlich häufig in vergleichsweise schlecht bezahlten Jobs. Im Verkauf im Einzelhandel liegt der Frauenanteil bei 66 Prozent. Im Erziehungsberuf sind 75 Prozent der Mitarbeitenden weiblich. In technischen Berufen, der auch bei Akademikerinnen und Akademikern mit am besten bezahlten Berufsgruppe, liegt der Männeranteil bei über 90 Prozent.
Warum entscheiden sich so viele Frauen für diese Berufe? Interessieren sie sich einfach stärker für diese Jobs oder trauen sie sich andere Berufe nicht zu? Und warum ist das Lohnniveau in diesen Berufen so niedrig? Die Forschung hat darauf bislang keine eindeutigen Antworten gefunden. Interessant in diesem Zusammenhang ist jedoch das Ergebnis einer OECD-Befragung zu den Berufsvorstellungen junger Menschen. Auch hier gibt es große Geschlechtsunterschiede: Jungen, die laut Pisa-Befragung in Mathematik und Naturwissenschaften gut abschnitten, interessierten sich weit häufiger für einen Beruf im Bereich Naturwissenschaften oder Ingenieurwesen als Mädchen. Mädchen mit guten Noten in diesen Fächern strebten häufiger eine berufliche Zukunft im Gesundheitswesen an.
Auch das kann wiederum mit Geschlechterstereotypen zusammenhängen. Für Jobs verfestigen sich diese unter Umständen schon sehr früh: So zeigte eine Studie, dass sich Mädchen im Grundschulalter bestimmte Berufe eher zutrauen, wenn auch in der weiblichen Form darüber gesprochen wird, etwa von Ingenieurinnen. Geschah das nicht, trauten sie sich eine Karriere in dem Feld seltener zu. Auch bei Jungen halten sich gewisse Klischees, etwa wenn es um Jobs in der Pflege oder der Kindererziehung geht.
Außerdem sind Frauen häufiger in kleinen Betrieben tätig. „Damit profitieren sie nicht im gleichen Ausmaß wie Männer von den im Durchschnitt höheren Löhnen in Großbetrieben“, betont Antje Weyh vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Wenn Frauen in vermeintliche Männerberufe vordringen, dann werden diese oft entwertet. Das belegt auch eine Untersuchung aus dem Jahr 2015 von Wissenschaftlerinnen der Universität Bamberg. Ihr ernüchterndes Fazit: Steigt der Frauenanteil im Beruf, sinkt das Lohnniveau. Aber nicht, weil die Löhne beider Geschlechter sinken, sondern weil mehr Frauen mit konstant niedrigeren Löhnen als denen von Männern in dem Beruf arbeiten.
Dringen Männer hingegen in klassische Frauenberufe vor, können diese hingegen einen positiven Imagewechsel erleben. Ein klassisches Beispiel ist das Programmieren. Während Frauen den Beruf jahrzehntelang dominierten, hat sich das inzwischen umgekehrt. Verglichen Menschen den Beruf nach dem zweiten Weltkrieg mit Sekretärinnenarbeit, programmieren heute vor allem Männer. Der Beruf gilt als angesehen und wird gut bezahlt.