Volkswagen in der Transformation: Welche Rolle spielt die Wolfsburger TE?

E-Mobilität, Digitalisierung, autonomes Fahren: Die gesamte Autoindustrie vollzieht derzeit den größten Wandel ihrer Geschichte. Wie der VW-Standort Wolfsburg aus der Transformation hervorgeht, wird heiß diskutiert. Mit der Absichtserklärung, bald auch in Wolfsburg ein E-Auto zu bauen, scheint zumindest die Zukunft der Produktion im Stammwerk erstmal gesichert. Doch angesichts dessen, dass nun Audi bei der Konzernforschung den Hut auf hat, mit der Car.Software.Org eine neue Einheit aufgebaut wird und der Standort Hannover das wichtige Zukunftsthema autonomes Fahren übernommen hat, bilden sich auch bei so manchen Mitarbeiter in der Technischen Entwicklung in Wolfsburg Sorgenfalten. Was bleibt angesichts dieser Umstrukturierungen noch für das Stammwerk über? In einem im VW-Intranet veröffentlichten Gespräch diskutieren Betriebsrat Gerardo Scarpino und Entwicklungsvorstand Frank Welsch die Rolle der TE in Wolfsburg. Diese stehe weiter bei vielen wichtigen Projekten an vorderster Front. Bestes Beispiel sind die beiden Baukästen MQB und MEB – beide „made in Wolfsburg“ und von herausragender Bedeutung für den Konzern. Denn auf den beiden Plattformen basieren rund 80 Prozent aller Konzernfahrzeuge weltweit. Elektrobaukasten als zentrales Zukunftsprojekt: Beispiele sind neben der wachsenden ID.-Familie, die weltweite SUV-Offensive und die Fahrzeuge der neuen Marke Jetta. Nicht umsonst haben die Wolfsburger Beschäftigten in den letzten Jahren nicht nur an den zwei Baukästen, sondern auch an über 50 „Hüten“ gearbeitet – darunter auch Modelle wie die hierzulande eher unbekannten Viloran, Tayron, Nivus, Tharu oder Teramont. „Unser MEB ist ein Zukunftsprojekt für die Transformation des Konzerns“, versichert Entwicklungsvorstand Frank Welsch. Hocheffiziente CO2-Wärmepumpe, innovatives Augmented Reality Head-up-Display, Travel Assist, modernste Lichttechnologie und Online-Update-Fähigkeit (ORU) – mit diesen Innovationen bereichere der MEB die Modellpalette des Konzerns. Außerdem seien inzwischen die Prozesse zur agilen Software-Verbund-Entwicklung etabliert. Im Rahmen der markenübergreifenden Initiative „Best Performance Engineering“ hat die TE in Wolfsburg zudem die konzernweite Leadverantwortung für wichtige Systeme und Module wie Batteriesysteme, Lenkungen, Otto-Reihen-Motor, Klimasystem, Bordnetz und Airbags übernommen. Scarpino: „Doppelarbeiten müssen vermieden werden“: Diese Projekte müssten dann aber auch konsequent in Wolfsburg und nur dort vorangetrieben werden, meint Betriebsrat Gerardo Scarpino. „Durch das Einer-für-Alle-Prinzip im Rahmen der BPE-Initiative können Doppelarbeiten vermieden und Kompetenzen zur Zukunfts- und Standortsicherung gebündelt werden. Von Bedeutung dabei ist auch, dass die Entwicklungsressourcen der Marke Volkswagen langfristig ausgelastet sind und strategisch für den Konzern ausgeweitet werden.“ Damit allein sei es aber nicht getan. Bereits im Nachgang der Planungsrunde forderte Scarpino Investitionen in die Wolfsburger TE. Zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen müsse unter anderem in den Bau des neuen Design-Zentrums, die Sanierung des Konstruktionshochhauses und die Erweiterung der Halle 69 investiert werden. Lesen Sie auch: Neue Unruhe bei VW: Kann sich Diess bei Vorstandsposten durchsetzen? Wende im Abhörskandal: Neue Spur führt zu russischer VW-Top-Managerin VW und Corona: Zahlen und Beeinträchtigungen steigen Qualifizierungen für Mitarbeiter: Die ebenfalls vom Betriebsrat geforderte Weiterentwicklung der Kompetenzen der TE in Richtung Zukunftsfelder wird hingegen bereits vorangetrieben. „Im Gegenzug reduzieren wir bei weniger wettbewerbskritischen Themen unseren Eigenleistungsanteil“, erklärt Frank Welsch. Ganz oben auf der Agenda der kommenden Wochen stehe die Stärkung der „User Experience“ und anderer übergeordneter Querschnittsthemen. Die jüngsten MQB- und MEB-Projekte hätten deutlich gemacht, dass die bisherigen Entwicklungs- und Absicherungsprozesse an ihre Grenzen stoßen, erläutert Welsch. „Unser Ziel ist es, komplexe Projekte besser zu beherrschen und mehr Stabilität und Verlässlichkeit in die Fahrzeuganläufe zu bringen.“ Die Mitarbeiter sollen dabei gezielt auf die neuen Aufgaben wie etwa die digitale Produktentwicklung vorbereitet werden – sehr zur Freude des Betriebsrats. „Die in diesem Jahr gestarteten Qualifizierungen zum VW Automobilmechatroniker und zum Inbetriebnehmer sind ein positives Beispiel für den Aufbau von Zukunftskompetenzen im Werkstattbereich. Solche zielgerichteten Qualifizierungen gilt es zukünftig stärker auszubauen,“ sagt Scarpino. Von Steffen Schmidt