Volkswagen Heritage erinnert an den früheren Zwangsarbeiter Jean Baudet

Trauer um Jean Baudet: Der ehemalige Zwangsarbeiter aus Frankreich ist 15. Dezember im Alter von 98 Jahren verstorben. Er war einer der letzten noch lebenden Zeitzeugen der Zwangsarbeit bei Volkswagen. Seine dem Konzernarchiv vorliegenden autobiografischen Aufzeichnungen und die dauerhaft in der „Erinnerungsstätte an die Zwangsarbeit auf dem Gelände des Volkswagenwerks“ ausgestellten Dokumente bleiben lebendiges Zeugnis dieses sympathischen, lebensbejahenden Menschen. Der Franzose hat sich intensiv mit dem auseinandergesetzt, was er von 1943 bis 1945 erlebt hat, und diese Erinnerungen im offenen Austausch mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des seinerzeit noch jungen Unternehmensarchivs für die Nachwelt festgehalten. Lesen Sie auch VW-Werk in Wolfsburg: Golf-Fertigung ruht bis 18. Januar wegen fehlender Halbleiter Streit um Speiseplan: VW-Betriebsrat fordert Currywurst zurück Dienstwagenfahrer bekommen den ID.4 von Volkswagen zuerst Baudet kam 1943 als Zwangsarbeiter nach Wolfsburg: Für die nationalsozialistische Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg wurden Millionen von ausländischen Arbeitskräften zur Verrichtung von Zwangsarbeit herangezogen. Auch bei der damaligen Volkswagenwerk GmbH werden unfreie Arbeitskräfte für die Fertigung von Rüstungsgütern eingesetzt. Im Rahmen des „Service du Travail Obligatoire“ (STO) kommen im Juli 1943 zwangsrekrutierte französische Zivilisten zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland. Jean Baudet ist einer von ihnen, und er beginnt in der Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben, dem späteren Wolfsburg, als Hilfsarbeiter in der Mechanischen Fertigung. Untergebracht in einer der Baracken des Gemeinschaftslagers muss der damals gerade 21-jährige Abiturient in Tag- und Nachschicht Metallteile fertigen und zählt zu den rund 20 000 Frauen und Männern, die während der NS-Diktatur bei der Volkswagenwerk GmbH Zwangsarbeit leisten. Baudet durchsteht Willkür, Schikane und Repressalien und kehrt im Mai 1945 zu seiner Familie nach Frankreich zurück. Nach dem Abschluss der Höheren Handelsschule tritt er in das Familienunternehmen ein, dessen Führung er im Jahr 1950 übernimmt. 29 Jahre später verkauft er die Firma und lebt nach seiner Pensionierung bis zu seinem Tod mit seiner Frau in Nizza. Lebensgeschichte wurde von VW dokumentiert: Im Jahr 2000 erscheint in der Schriftenreihe der Historischen Kommunikation von Volkswagen das Heft 4 mit dem Titel „Jean Baudet STO à KdF, 1943 – 1945. Erinnerungen“, das die individuelle Lebensgeschichte von Jean Baudet dokumentiert und rekonstruiert. „Aus dem vertrauensvollen Dialog im Rahmen der Forschung für die Schriftenreihe der Historischen Kommunikation, aus den Begegnungen mit weiteren noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern wie Sara Frenkel-Bass entstehen freundschaftliche und persönliche Beziehungen, die geprägt sind von Anerkennung, Respekt und Wertschätzung“, betont Volkswagen in einer Mitteilung zum Tod Baudets. „Die Auseinandersetzung mit den prägenden Erlebnissen, das Treffen sowie der lebhafte Dialog mit ehemaligen Zwangsarbeitern und Mitarbeitern von Volkswagen Heritage sind Baudet stets ein großes Anliegen gewesen. Mit großem Engagement hat er sich auch in die Gestaltung der Erinnerungsstätte an die Zwangsarbeit auf dem Gelände des Volkswagenwerks eingebracht, bei deren Eröffnung am 17. Dezember 1999 er und zahlreiche weitere ehemalige Zwangsarbeiter zugegen waren“, heißt es weiter. Von der Redaktion