Volkswagen: 108 Beschäftigte aus der Produktion wechseln als Facharbeiter in die TE

Von der Linie in die Technische Entwicklung (TE): Früher kam dieser Wechsel bei VW in aller Regelmäßigkeit vor. Für viele der Mitarbeiter in der Produktion ist dieser Karriereschritt weiterhin die Wunschperspektive. Doch seit einiger Zeit schien dieser interne Karrierepfad ziemlich zugewachsen. Immer weniger Beschäftigte an den Bändern schafften in den letzten Jahren den Sprung in andere Abteilungen. Das sorgte durchaus für Frust an den Linien – besonders bei Ausbildungsabsolventen, die für den reinen Montagejob formal überqualifiziert sind. Umso größer ist die Freude beim Betriebsrat darüber, dass jetzt 108 Produktionsmitarbeiter als Facharbeiter in die TE gewechselt sind. Den Schritt hatte die Arbeitnehmervertretung zuvor über viele Monate gefordert. Betriebsrat Volkhard Lorenz war mit weiteren Betriebsräten der TE-Werkstätten sowie den TE-Fachbereichen aktiv an dem Prozess beteiligt. Er erklärt: „Wir haben in der TE in den Jahren 2018 und 2019 viele Kolleginnen und Kollegen in den Werkstätten verloren. Sie sind in die Altersteilzeit gegangen. Gleichzeitig wurde aber die Arbeitslast nicht weniger.“ Grund dafür war der Sparkurs des Unternehmens. „Der Vorstand hätte die Arbeitsumfänge gerne an Dienstleister ausgelagert. Wir vom Betriebsrat haben aber klar und deutlich gesagt, dass es bei VW qualifizierte Kolleginnen und Kollegen gibt, die diese Arbeiten ausführen können“, erklärt Lorenz weiter. Betriebsrat macht sich für Wechsel stark: Die Unternehmensführung habe dies zunächst anders gesehen und den Wechsel blockiert. Darum schalteten sich die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo und Betriebsratskoordinator Gerardo Scarpino ein. Cavallo: „Oftmals herrscht die Meinung vor, dass ein Wechsel aus dem direkten Bereich in den indirekten Bereich durch den Vorstand muss. Das ist aber falsch. Solche Wechsel werden vor Ort entschieden, ohne Vorstandsbeschluss.“ Nach langen Diskussionen einigten sich Management und Betriebsrat schließlich auf 108 interne Stellenausschreibungen für die Facharbeiter. „Ohne diese 108 neuen Beschäftigten in der TE wären Fahrzeugprojekte in Gefahr geraten. Sie waren das Mindeste, was kommen musste“, sagt Betriebsrat Gerardo Scarpino. „Ich habe die Stellenausschreibung online gelesen und mich im März gleich beworben“, erinnert sich eine gewechselte Kollegin, die früher in der Wagenfertigstellung der Golf-Produktion war. Sie hatte bei VW KFZ-Mechatronikerin gelernt. „Das Vorstellungsgespräch lief gut, aber der Wechsel hat sich dann noch bis Ende Oktober hingezogen“, sagt sie. Jetzt arbeitet sie in der Werkstatt der Gesamtfahrzeugentwicklung (EGW). „Die neue Arbeit gefällt mir sehr gut, das Team ist super, und ich kann mein Vorwissen aus der Produktion gut einsetzen.“ Cavallo: Arbeitsbedingungen müssen attraktiver werden: Einer ihrer Kollegen war vorher ebenfalls als Kfz-Mechatroniker in der Wagenfertigstellung und arbeitet jetzt für EGW. „Ich persönlich finde, die Lebensqualität ist gestiegen, seit ich nicht mehr im Dreischichtbetrieb bin“, meint er. Da rücke dann oftmals das Gehalt in den Hintergrund. Denn klar: Die monatlichen Bezüge fallen nach so einem Wechsel aufgrund des Wegfalls der Schichtzuschläge in der Regel geringer aus. Lesen Sie auch IG Metall will Umstellung der Leistungsprämie bei VW Teile fehlen: Produktionsausfall und Schließtage im Januar bei Volkswagen Dass sich dennoch sehr viele Mitarbeiter aus der Produktion für den Wechsel beworben haben, sei eine alarmierende Situation, findet Daniela Cavallo, die im Betriebsrat unter anderem für die Produktion zuständig ist. „Die Verantwortlichen in der Produktion sollten es sehr ernst nehmen, dass so viele Kolleginnen und Kollegen den Bereich verlassen wollen. Die Führungsmannschaft muss dringend attraktive Arbeitsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten in der Produktion schaffen. Dazu gehört auch eine moderne und wertschätzende Führungskultur.“ Von Steffen Schmidt