VW-Werkleiter Stefan Loth spricht über Abschied aus Wolfsburg

Vier Jahre war Stefan Loth Leiter des VW-Stammwerks in Wolfsburg. Zum Jahreswechsel verlässt er Wolfsburg und geht zur Volkswagen Sachsen GmbH. Wegen der Pandemie fällt der Abschied des Werkleiters leise aus. Im Interview sprechen Loth und der Marken-Produktionsvorstand Christian Vollmer über Loths Zeit in Wolfsburg und die Zukunft des Wolfsburger Werks. Herr Loth, Sie werden zum Jahresende Wolfsburg verlassen. Fällt Ihnen der Abschied eigentlich schwer? Loth: Vier Jahre und sieben Monate durfte ich gemeinsam mit einem tollen Team viele spannende aber auch herausfordernde Projekte in einem der größten Automobilfabriken der Welt umsetzen. Der Abschied fällt mir wirklich schwer. In den vergangenen Jahren habe ich mit den Teams eng und vertrauensvoll zusammen gearbeitet. Das schweißt zusammen, da bleiben viele gute Erinnerungen. Gibt es emotionale Momente am Standort Wolfsburg, an die Sie sich ganz besonders gern erinnern? Loth: Die Zusammenarbeit mit den Teams am größten Standort war für mich stets ein großartiges Gefühl. Ich habe Volkswagen schon immer, aber ganz besonders auch hier in Wolfsburg, als große Familie erlebt. Viereinhalb Jahre war das Werk Wolfsburg mein zweites Zuhause - da dreht man sich nicht so einfach um und geht. Das prägt und da nimmt man auch sehr viel mit. Mit Blick auf die Veranstaltungen im Werk spreche ich sicherlich für alle Kolleginnen und Kollegen in der Produktion, wenn ich sage, dass das Highlight vor gut einem Jahr der Besuch der deutschen Nationalmannschaft war. Es war schon ein besonderes Erlebnis, den Bundestrainer und Spieler wie Marco Reuss so nah zu erleben. Auch der Werkslauf durch die Produktion war ein tolles Event, an das ich mich gern zurück erinnere. Die Stimmung war toll und die Fertigung laufend mit seinem Team zu durchqueren, das hat schon was! Jetzt geht es gen Sachsen. Sie kennen VW Sachsen bereits, wissen also, was auf Sie zukommt. Trotzdem aufgeregt? Loth: Aufgeregt nicht, aber ich freue mich sehr auf die neue Herausforderung in Zwickau und das Team kennenzulernen. Einige Gesichter kenne ich schon, wie das unter Produktionern meistens so ist. Natürlich bin ich auch ein wenig stolz, dass ich die größte E-Auto-Fabrik in Europa verantworten werde. Volkswagen hat in Zwickau gezeigt, wie sich der Konzern und die gesamte Automobilindustrie verändern wird. Mit der Fertigung der ID Modelle in Zwickau spielt der Standort eine wesentliche Rolle für das globale Produktionsnetzwerk von Volkswagen. Herr Vollmer, wegen Corona verlief die Verabschiedung von Stefan Loth ohne eine größere öffentliche Veranstaltung. Was haben Sie zum Abschied von Herrn Loth gesagt? Vollmer: Leider war eine große persönliche Verabschiedung aufgrund der Corona-Regeln nicht möglich, aber dennoch war es eine gebührende Verabschiedung. Rund 50 Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt waren per Skype zugeschaltet und auch der Betriebsrat war dabei: Gesamtbetriebsratsvorsitzender Bernd Osterloh sowie Daniela Cavallo, stellvertretende Konzernbetriebsratsvorsitzende. Das zeigt, welch großen Respekt Stefan Loth entgegengebracht wird. Denn er hat in den vergangenen vier Jahren die entscheidenden Weichen für die Neuausrichtung des Standorts Wolfsburg gestellt. Dafür möchte ich mich bei ihm herzlich bedanken. Unter seiner Leitung ist das Werk Wolfsburg zu einem Mehrmarkenstandort geworden, zum Leitwerk für die wichtigen Modelle Golf und Tiguan. Und dieses Jahr hat er während der gesamten Corona-Pandemie - und auch darüber hinaus – stets seine Professionalität und sein Krisenmanagement unter Beweis gestellt. Die aktuell schwierige Zeit hat er gemeinsam mit dem Wolfsburger Team wirklich super gemeistert. Haben Sie, Herr Vollmer, eine besondere Erinnerung an Stefan Loth im Wolfsburger Werk? Vollmer: Legendär sind ja wirklich seine Fahrradtouren mit dem Stab durch die Produktion. Da wurde sogar geprüft, ob auch überall die Beleuchtung abgestellt war. Also immer im Dienst des Standortes und des Unternehmens! Aber Herr Loth hat sich auch einen echten Ruf verschafft, weil er zum Beispiel für alle Besucher das Tragen von Arbeitsschuhen und Arbeitsjacken in der Produktion zur Pflicht gemacht hat. Und Stefan Loth hat den ersten Werkslauf durch die Produktion im Werk Wolfsburg organisiert, bei dem die Belegschaft sowie deren Angehörige und Freunde teilnehmen konnten – so etwas ist mir als Sportler ganz wichtig. Wir hatten in der kurzen Zeit eine sehr vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit und ich bin überzeugt, dass Stefan Loth - mit seiner Erfahrung, große Werke in den Anlaufphasen zu leiten - genau der Richtige ist für die neue Aufgabe als Geschäftsführer Technik der VW Sachsen GmbH. Herr Loth, können Sie uns hier ein paar Beispiele für die Weiterentwicklung des Stammwerks geben? Loth: Bei internationalen Vergleichen haben wir wichtige Auszeichnungen gewonnen und in den letzten Standortsymposien haben wir gezeigt, dass wir beim Thema Digitalisierung weit vorne sind. Ein Beispiel sind die digitalen Regelkreise: Ziel ist es, bei Qualitätsabweichungen schnellst möglichst und automatisch zu reagieren. Wir sind eines der ersten Werke, die derzeit die dafür notwendige Technik im kompletten Karosseriebau einsetzen. Der wichtigste Erfolg mit Blick auf die Zukunft für den Standort war, die Produktion des neuen SUV nach Wolfsburg zu holen. Das bedeutet Planungs- und auch Beschäftigungssicherung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort. Vollmer: Richtig, und man muss wissen: Mittlerweile ist es keine Selbstverständlichkeit mehr, dass ein Standort ein neues Modell automatisch im großen Konzernverbund erhält. Umso mehr freut es mich, dass er und sein Team den neuen SUV erfolgreich für den Standort Wolfsburg gewinnen konnten. Wie wird das neue Modell die Produktion im Stammwerk verändern? Vollmer: Neue Modelle bringen natürlich auch immer Zukunftstechnologien in die Produktion ein. Das ist wichtig, damit wir uns als Produktion entsprechend weiterentwickeln... Loth: …und das ist zugleich natürlich auch eine große Herausforderung, denn für neue Modelle gilt es auch die Teams frühzeitig einzubinden und die Beschäftigten entsprechend zu schulen. Aber Im Fertigungsbereich 2 bauen wir mit dem Tiguan und Seat Tarraco bereits zwei erfolgreiche SUVs. So gesehen werden mit dem neuen SUV-Modell nicht zu viele Umbauarbeiten einhergehen. Spannend wird nun der anstehende Wandel in Richtung E-Mobilität. Mit inzwischen drei Hybridmodellen zeigt das Werk aber schon, dass es bei der Elektromobilität gut aufgestellt und für die Zukunft gerüstet ist. Das Wolfsburger Stammwerk steht vor einer ähnlichen Transformation wie sie der Standort Zwickau bereits vollzogen hat. Wie schnell wird das gehen? Vollmer: In Wolfsburg übernimmt nun Rainer Fessel das Zepter. Ich bin sicher, dass er die Produktion in Wolfsburg sehr gut auf die Zukunft ausrichten wird. Er bringt alle Erfahrung mit, die dafür notwendig ist und er wird gemeinsam mit den Teams und den Arbeitnehmervertretern die Transformation des Stammwerkes schrittweise und erfolgreich angehen. Loth: Wir haben hart dafür gekämpft, dass in den kommenden Jahren auch ein reines Elektrofahrzeug in Wolfsburg gebaut wird. Das hat der Aufsichtsrat ja gerade angekündigt. Das freut mich sehr, denn ich bin sicher: Der Standort ist dafür bestens aufgestellt. Ich werde auf jeden Fall sehr genau verfolgen, wie sich das Stammwerk verändert und weiter entwickelt. Von der Redaktion