VW-Werk Wolfsburg soll Leitwerk für E-Autos werden

Kurz vor Weihnachten beschenkt Volkswagen die Region Wolfsburg mit einem eindeutigen Bekenntnis zum Standort. Das Stammwerk soll mittelfristig die „richtungsweisende Fabrik für die hochautomatisierte Fertigung von Elektrofahrzeugen werden“. Das teilte der Konzern nach der kurzfristig einberufenen Aufsichtsratssitzung am Montagabend mit. Mit der Zusage für ein wichtiges E-Auto macht nun auch das größte Automobilwerk der Welt einen Schritt ins Elektrozeitalter und damit eine sichere Zukunft. Bisher gab es hierfür lediglich die Verabredung, darüber im kommenden Jahr zu entscheiden. Zunächst hatte sich Volkswagen bei der Produktion von E-Autos in Deutschland auf die Werke in Zwickau, Emden und Hannover konzentriert. Wolfsburg soll „führendes E-Auto“ der Marke entwickeln und bauen: Wolfsburg zieht jetzt nicht nur gleich, sondern soll mit dem Beschluss praktisch zum künftigen Herzstück der E-Offensive werden. Denn im Stammwerk soll laut VW „das künftig führende Elektrofahrzeug der Marke Volkswagen Pkw auf der Grundlage hoch produktiver und auch in Bezug auf Kosten wettbewerbsfähiger Standortbedingungen gebaut werden“. Die Fabrik in Wolfsburg wird damit fit gemacht für den Wettbewerb mit dem künftigen Tesla-Standort Günheide, hieß es aus Aufsichtsratskreisen. Lesen Sie auch „Unterstützung“ für Diess von VW-Aufsehern - aber Vertrag kein Thema Nackenschlag zur Unzeit: Lockdown trifft Wolfsburger Wirtschaft hart WAZ-Testfahrt: So fährt sich der neue Volkswagen ID.4 Welches Modell künftig in Wolfsburg von den Bändern laufen soll, und was es können wird, dazu machte VW bisher noch keine Angaben. Laut WAZ-Informationen soll das Fahrzeug aber bereits auf der neuen, selbst entwickelten Software-Architektur basieren, an der die Car-Software-Organisation gerade arbeitet. Für das Wolfsburger E-Modell wird ähnlich dem Artemis-Vorhaben bei der Tochter Audi ein eigenes Projekt aufgesetzt, das von der Entwicklung des Fahrzeugs bis zur Produktion alle Aktivitäten bündelt. Für Wolfsburg sind das extrem gute Nachrichten, die besonders den Betriebsrat freuen dürften. Während sich Konzernchef Herbert Diess bei der Aufsichtsratssitzung in Sachen Besetzung der Vorstandsposten durchsetzen konnte, können die Elektro-Pläne für Wolfsburg als Punktsieg für Betriebsratschef Bernd Osterloh gewertet werden. Dieser hatte mehrfach und energisch ein E-Modell für Wolfsburg gefordert, um die seit Jahren schwächelnde Auslastung in der Produktion anzukurbeln. Perspektive damit auch in der TE gesichert: Von dem neuen Projekt profitieren aber nicht nur die Mitarbeiter in der Produktion. Auch in der Technischen Entwicklung wird der Beschluss des Aufsichtsrat für Aufatmen sorgen. Nachdem die Konzernführung den Bereich Entwicklung unter die Federführung von Audi stellte und auch weitere wichtige Zukunftsthemen schwerpunktmäßig an andere Standort oder Marken gegeben wurden, sahen manche die derzeitige Stellung der Wolfsburger TE bereits in Gefahr. Die Entwicklung des führenden E-Autos der Marke sichert nun auch Arbeitsplätze und Perspektiven in diesem Bereich. Durchaus wichtig: Immerhin hängen dort tausende Jobs an der Entwicklung von Antriebstechnologie für Verbrenner – einem langsam sinkenden Schiff. Osterloh kommentierte die Ergebnisse der Sitzung dementsprechend positiv: „Bei der Umsetzung unser strategischen Ziele bekennen sich alle Beteiligten weiterhin zur Gleichrangigkeit von Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung sowie zur Bedeutung der Ausbildung. Damit beweisen wir erneut, dass wir die vor uns liegenden großen Herausforderungen nur gemeinsam am besten bewältigen.“ Von Steffen Schmidt