Tarifverhandlungen bei VW: IG Metall im Interview zum Arbeitskampf in der Corona-Krise

Die diesjährigen Tarifverhandlungen bei Volkswagen und in der Fläche werden erneut von Corona überschattet. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation werden harte Verhandlungen erwartet. Die IG Metall Wolfsburg ist trotz Pandemie für einen Arbeitskampf gerüstet. Das machte das neue Führungstrio bestehend aus Flavio Benites, Christian Matzedda und Matthias Disterheft im Gespräch mit WAZ-Redakteur Steffen Schmidt deutlich. Im letzten Jahr wurden die Tarifverhandlungen aufgrund der unsicheren Lage zu Beginn der Corona-Krise per Moratorium verschoben. An den Rahmenbedingungen hat sich kaum etwas verändert. Kommt eine Lösung wie 2020 für Sie erneut in Frage? Matzedda: Nein, das lehnen wir ab. Eine erneute Verschiebung könnte aus unserer Sicht fatale Folgen für viele Betriebe und die gesamte Wirtschaft haben. Wir stecken mitten in der Transformation, dem müssen sich die Betriebe in der Fläche schnell stellen – mit Lösungen zur Arbeitsplatzsicherung, wie wir sie fordern. Disterheft: Zudem müssen wir gerade jetzt die Wirtschaft ankurbeln, dafür müssen die Leute konsumieren. Das geht nur über eine Kaufkrafterhöhung. Der Einzelhandel steht sowieso unter extremen Druck. Da geht es auch um viele Arbeitsplätze und die Zukunft unserer Innenstädte. Benites: Und man darf nicht vergessen, dass es im letzten Jahr bei den verschobenen Verhandlungen um die hohen Gewinne aus 2019 ging. Die sind ja wegen Corona nicht einfach vom Tisch und müssen nun endlich verteilt werden und bei der Belegschaft ankommen. Corona, Transformation: Die Verhandlungen dürften in diesem Jahr sehr hart werden... Lesen Sie auch Teile fehlen: Produktionsausfall und Schließtage im Januar bei Volkswagen Absatz bei Volkswagen im Corona-Jahr 2020: Mehr E-Autos verkauft als je zuvor VW-Tarifrunde: Verhandlungsauftakt steht unter schwierigen Vorzeichen Disterheft: Kein Tarifvertrag ist leicht, auch wenn es manchmal so aussieht. Da wird immer um jeden Cent und jeden Satz gestritten. Benites: Zunächst einmal befinden wir uns jetzt in der ersten Phase der Verhandlungen. Die ist dafür da, über Forderungen und gegebenenfalls Gegenangebote zu diskutieren. Noch herrscht also die Friedenspflicht. Bei VW endet diese schon am 28. Januar. Dann haben wir die Möglichkeit die Kollegen zu mobilisieren. In der Fläche endet die Friedenspflicht aber erst am 1. März und unser Ziel ist es, solidarisch miteinander zu kämpfen. Matthias Disterheft: „Wir treten auch in der Pandemie keinen Schritt zurück!“: Das dürfte im Corona-Jahr aber schwieriger sein als sonst. Ist ein starker Arbeitskampf in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Homeoffice überhaupt möglich? Disterheft: Genau darauf setzen ja die Arbeitgeber. Klar ist: Um bei den Tarifverhandlungen Erfolg zu haben, muss man jede Menge klappern – mit Kundgebungen, Info-Veranstaltungen oder auch Warnstreiks. Und da glauben die Arbeitgeber vielleicht, das wir das diesmal nicht so gut hinkriegen. Aber da haben sie sich geschnitten. Wir befinden uns nicht im Corona-Schlaf. Wenn die Kollegen jeden Tag arbeiten können, dann können sie auch die für einen Streik nötige Urabstimmung machen. Wir können auch über digitale Wege Kraft entwickeln, dass habe wir in der Krise gelernt. Das heißt, wir treten auch in der Pandemie keinen Schritt zurück und lassen uns nicht entdemokratisieren. Benites: Wir sind jetzt schon elektronisch gut mit der Belegschaft vernetzt. Auch in der Corona-Krise sind wir zum Beispiel über zahlreiche Whats-App-Gruppen am Puls der Belegschaft, damit müssen wir nicht jetzt erst anfangen, sondern sind da schon gut aufgestellt. Matzedda: Die Kollegen sind auch jetzt hochmotiviert, die Tarifrunde zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Natürlich ist unsere Mobilisierungsfähigkeit beeinträchtigt, aber gemeinsam mit den Betriebsräten und den Vertrauensleuten haben wir schon Ideen und Konzepte für Aktionen entwickelt – das sind dann aber natürlich nicht die 20 000 Kollegen vor dem Hochhaus, wie man es aus er Vergangenheit kennt. Wie könnten solche Aktionen aussehen? Benites: Denkbar sind etwa Autokorsos oder die Unterbrechung der Kommunikation der Kollegen im Internet. Generell wird es darum gehen, starke Präsenz in den Medien und im Netz zu zeigen. Disterheft: Wir sind in jedem Fall bereit, ganz neue Wege zu gehen. Zum Beispiel mit einem Podcast oder Live-Übertragungen ins Radio. Matzedda: Auch von den Kollegen in den Betrieben erreichen uns viele Ideen. Wir wollen aber noch nicht zuviel verraten. Von Steffen Schmidt