So sorgt die Volkswagen Konzernsicherheit für den Schutz der Mitarbeiter

Anthrax-Briefe im Post-Eingang oder das Ausfliegen von Mitarbeitern aus Krisengebieten, als in den Straßen schon geschossen wurde: Michael Schmidt hat in seiner Karriere als Sicherheitschef von verschiedenen Unternehmen schon einiges erlebt. Seit 2013 ist er Leiter der Volkswagen-Konzernsicherheit. Die Corona-Pandemie jedoch, so sagt er, übertreffe alles bisher Dagewesene. Das Tempo, die globale Ausdehnung, der Impact auf die Wirtschaft: „Das ist ein neues Ausmaß von Krise“, so Schmidt. Das Gespräch mit dem erfahrenen Fachmann, der mit seinem Team die Verantwortung für die Sicherheit von 670 000 Konzern-Mitarbeitern rund um den Globus trägt, findet in einem Besprechungsraum im Wolfsburger Werk statt. Der Raum ist wenig spektakulär, schmucklos. Ein Konferenztisch, Stühle ein paar Bildschirme. Und doch spielte genau hier in den letzten Monaten die Musik. Jeden Tag um 10.30 Uhr fand hier die Konferenz des Konzern-Krisenstabs statt. 40 Experten aus allen Unternehmensbereichen ließen sich von der Konzern-Sicherheit und dem Konzern-Gesundheitswesen auf den aktuellen Stand bringen und diskutierten die Lage. Auf den Bildschirmen die Infektionszahlen vom RKI und der Johns-Hopkins-Universität sowie eine Weltkarte, die die Ausbreitung des Virus zeigt. „Unser Ziel ist es, der Krise immer einen Schritt voraus zu sein“: Mittlerweile hat sich die Lage etwas entspannt, der Konzern-Krisenstab kommt nicht mehr täglich zusammen. Die Virus-Ausbreitung hat die Konzern-Sicherheit dennoch weiter genauestens im Blick. Auf dem Bildschirm im Konferenzraum ist auch am Tag des Gesprächs die Weltkarte zu sehen. Tiefrot eingeblendet sind zum Beispiel Indien, Brasilien und Mexiko – alles Länder, in denen Volkswagen stark präsent ist. Und mittendrin immer auch sogenannte Expatriats, also international tätige Mitarbeiter, die im Land eingesetzt sind. Die Pandemie traf besonders Indien schwer. „Der europäische Mitarbeiter, der am längsten nach Anbruch des Coronavirus in Indien blieb, war unser Sicherheitschef. Er war dort drei Monate im Lockdown. Der erste Europäer, den wir jetzt wieder einfliegen, ist ebenfalls jemand von uns“, berichtet Schmidt. Auch nach China schickte Volkswagen früh in der Corona-Krise, als das ungeheure Ausmaß der Pandemie noch niemand absehen konnte, Experten aus dem Team der Sicherheit, um vor Ort die Lage zu bewerten und zu unterstützen. „Unser Ziel ist es, der Krise immer einen Schritt voraus zu sein“, betont Schmidt. Denn auf Grundlage dieser Informationen werden wichtige Entscheidungen gefällt. Ende März etwa holt Volkswagen 170 Personen aus Indien zurück. Mitte April fliegt der Konzern 160 Personen aus Mexiko aus, darunter auch Mitarbeiter von Botschaften. Transfer zum und vom Flughafen, der Flug, Unterbringung für Mitarbeiter, die keinen Wohnsitz in Deutschland hatten – um alles kümmerte sich die Konzernsicherheit. „Aus- und Einreiseverbote, abgeriegelte Grenzen, Quarantänebestimmungen – Europa hat man ja nicht mehr wiedererkannt. Über Nacht konnten sich die Umstände vollkommen ändern. Da war enge Abstimmung mit den Behörden notwendig“, beschreibt Schmidt. Da ist es umso besser, dass die grundsätzliche Vorgehensweise im Prinzip Routine ist: Auch ohne Pandemie hat die Konzernsicherheit die Lage auf der Welt immer im Blick. Denn auch abseits von Corona lauern in einer immer vernetzteren, komplexeren Welt stets Gefahren für die Belegschaft und die Interessen des Unternehmens. Naturkatastrophen, politische Unruhen bis hin zu militärischen Konflikten, Korruption: Jeden Tag sammeln die Analysten der Konzernsicherheit Informationen zu dem Geschehen an den Standorten und werten diese aus. Die einzelnen Standorte und Marken selbst erstatten an die Abteilung regelmäßig Bericht. „Bei bedeutenden, unerwarteten Geschehen, passiert das ad hoc“, erklärt Schmidt. 70 Mitarbeiter im Lagezentrum analysieren das Weltgeschehen: Im Lagezentrum, direkt neben dem Besprechungsraum, laufen die Fäden zusammen. „Von hier aus steuern wir mit unseren 70 Mitarbeitern die Maßnahmen weltweit“, sagt der Sicherheitschef. Denn im Ernstfall hat man keine Zeit zu verlieren, Vorbereitung ist da alles. „Deswegen haben wir zu jedem unsere Standorte rund um den Globus detaillierte Informationen zusammengetragen“, sagt Schmidt. Verantwortliche Mitarbeiter, Ansprechpartner in der Botschaft und bei örtlichen Behörden, sichere Routen zum Flughafen – beinahe jedes kleine Detail findet sich digital in der Datenbank oder – auch hier heißt es Safety first – klassisch in Papierform in einem Ordner. „Im Ernstfall muss alles parat sein. Wenn wir dann erst reagieren würden, kostet das zu viel Zeit“, betont Schmidt. Sehr selten müssen Mitarbeiter des Konzerns aufgrund von Projekten auch in Hochrisikoländer reisen. Schon bei der Buchung wird die Konzernsicherheit automatisch benachrichtigt und kann alle notwendigen Informationen und Verhaltensregeln mit auf die Reise geben. „Es kommt sogar vor, dass - nach persönlichem Einverständnis - das GPS-Signal des Reisenden überwacht wird“, so Schmidt. „Wir orientieren uns da immer an den lokalen Maßgaben und Notwendigkeiten.“ Natürlich liegt im Bereich der Konzernsicherheit auch der klassische Personenschutz. Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen grimmig schauenden Muskelprotz mit schwarzem Anzug und Sonnenbrille, der seinem Schützling nicht von der Seite weicht, wie man es aus den Hollywood-Filmen kennt. „Unsere Sicherheitsbegleiter halten sich im Hintergrund und analysieren die Lage auf Dienstreisen aber auch bei lokalen Veranstaltungen je nach Bedarf“, erklärt Schmidt. „In sogenannte „Grünländer“, also Nationen, in denen kaum Gefahrenpotenzial besteht, reist die ’Sicherheit’ meist gar nicht mehr mit. In gefährlicheren Ländern werden dann bei Bedarf vor Ort unsere lokalen Sicherheitsteams aktiviert.“ Lesen Sie auch Langstrecken-Spezialist tritt im VW ID.3 zum ultimativen Praxistest an Extraschichten reichen nicht: VW setzt 300 neue Zeitarbeiter in Wolfsburg ein Jetzt auch als Hybrid: So fährt sich der neue VW Tiguan Von Steffen Schmidt