Jahresrückblick bei Volkswagen: Ein Spionagethriller und Corona-Krimi

2020 wird als das Corona-Jahr in die Geschichte eingehen. Hinter uns allen liegen bewegende 12 Monate – auch hinter Volkswagen. Die WAZ blickt auf das VW-Jahr zurück. Hier nun die zweite Hälfte. Juli: Die Nachfrage erholt sich nach dem Lockdown langsam wieder. Die Pandemie hat aber tiefe Spuren hinterlassen. Volkswagen muss im Juli einen Milliardenverlust im ersten Halbjahr vermelden. Eine Konsequenz daraus: Das Unternehmen verhängt einen Einstellungsstopp bis zum Jahresende. An die Zukunft denkt man trotzdem weiter –und die bliebt auch in der Krise bei VW digital und elektrisch. Dafür investiert VW eine Millionensumme für eine moderne Programmierschule in der Heimatstadt, die „42 Wolfsburg“. Der elektrische Hoffnungsträger ID.3 wird zudem während eines Media Drives in Wolfsburg der Weltpresse präsentiert. Dafür gibt es einen neuen Skandal: Es wird enthüllt, dass ein Mitarbeiter geheime Sitzung, die den Streut mit der Zulieferergruppe Prevent betreffen, aufgezeichnet hat. Schon kurz darauf wird der Mann entlarvt und freigestellt. VW stellt zudem Strafanzeige. Test-Container sollen Infektionsketten verhindern: August: Die Abhör-Affäre entwickelt sich im August dann zum echten Krimi. Erst wird bekannt, dass das Haus des Verdächtigen einer Brandstiftung zum Opfer gefallen ist, dann wird der mutmaßliche Spitzel tot in einem brennenden Auto gefunden. Die Staatsanwaltschaft geht von Suizid aus. In Sachen Corona macht VW zudem Nägel mit Köpfen: Um auf eine nahende zweite Welle gefasst zu seine, werden Test-Container in den Werken aufgestellt, in denen sich die Mitarbeiter schnelle und unkompliziert auf das Virus testen lassen können. Die Elektrifizierung kommt indes i August auch in Wolfsburg richtig an: Die Hybrid-Versionen des Golf 8 werden von Journalisten aus aller Welt in Wolfsburg probegefahren. September: Der September macht VW Hoffnung. Die Nachfrage nach Autos zieht merklich an, VW sieht darin die Produktoffensive bestätigt und setzt Sonderschichten an. Gerade E-Autos erleben aufgrund der Kaufprämie einen echten Boom. In der Autostadt wird im September der erste ID.3 an einen Kunden ausgeliefert. Kein Wunder also, dass der Betriebsrat im September vehement ein E-Auto für das Stammwerk fordert, um die Auslastungsprobleme in den Griff zu bekommen. Auch Marken-Chef Ralf Brandstätter spricht sich dafür aus. Wie sehr E-Mobilität zieht, zeigt auch ein Geheimtreffen von Konzern-Chef Herbert Diess und Tesla-Gründer Elon Musk am Braunschweiger Flughafen, dass für Furore sorgt. Die Corona-Sorgen nehmen indes wieder zu. VW reagiert mit einer weiteren Verlängerung der Home-Office-Anweisung und einem Verbot von Weihnachtsfeiern. Oktober: Während überall in Deutschland die Corona-Zahlen wieder steigen, kommt Volkswagen glimpflich davon. 47 Infektionen meldet das Unternehmen bundesweit. Die Sicherheitsmaßnahmen werden dennoch angezogen. B is Ende des Jahres sollen die Mitarbeiter im Home-Office bleiben, bei den alljährlichen Grippe-Impfungen legt VW nochmals eine Schippe drauf. Das ist besonders wichtig, weil auch die Nachfrage wieder anzieht. Sonderschichten reichen nicht mehr, VW stellt deswegen zusätzlich 300 Leiharbeiter ein. Die Produktoffensive treibt das Unternehmen zudem unbeirrt voran. Im Oktober veranstaltet VW einen Media Drive mit dem neuen Tiguan Hybrid. Absatz bricht Ende des Jahres wieder ein: November: Das Nachfrage-Hoch war nur von kurzer Dauer. Weil die Verkaufszahlen wieder einbrechen und dem Unternehmen auch corona-bedingte Lieferengpässe wieder zu schaffen machen, muss VW die gerade erst einberufenen Sonderschichten an den Wochenenden wieder canceln. Auch die Kantinen im Werk leiden unter der Corona-Krise. Um die Verluste zu kompensieren wird man kreativ: Mitarbeiter können sich die Gerichte jetzt ins Home-Office liefern lassen. In der Krise gibt es aber auch gute Nachrichten für den Standort Wolfsburg: In der Planungsrunde wird beschlossen, dass das Stammwerk mittelfristig ein neues großes SUV-Modell bekommen wird. Dafür bricht Ende November wieder der Führungskonflikt auf. Zwischen Betriebsrat und Konzern-Chef Herbert Diess ist die Stimmung eisig, sogar über einen Abschied des Managers wird spekuliert. Dezember: Ein Burgfrieden wird allerdings schon im Dezember geschlossen. Dem VW-Chef wird das Vertrauen ausgesprochen. Im Gegenzug wird nun auch das Stammwerk schneller elektrifiziert als gedacht. Wolfsburg soll nach einem Beschluss des Aufsichtsrats zum Leitwerk für E-Mobilität werden und ein das führende E-Modell entwickeln. Das E-SUV ID.4 steht dagegen schon kurz vor dem Marktstart. Noch vor Weihnachten testen ihn Journalisten in Wolfsburg. Die zweite Corona-Welle bringt VW derweil kurz vor Weihnachten in ernste Schwierigkeiten. Infektionen bei einem Zulieferer sorgen für Teilemangel, Halbleiter sind ebenfalls Mangelware. Das Ergebnis: VW muss die Weihnachtsferien für die Produktionsmitarbeiter vorziehen und teilweise bis Mitte Januar verlängern. Von Steffen Schmidt