Jahresrückblick Volkswagen: Corona, Produktionsstopp und der neue Golf 8

Ein Ausnahmejahr liegt hinter uns: Die Corona-Pandemie hat die Welt in jeder Hinsicht verändert und vor extreme Herausforderungen und Belastungen gestellt. Das Virus machte dabei natürlich auch vor einem Weltkonzern wie Volkswagen nicht halt. Die WAZ lässt das Volkswagen-Jahr 2020 Revue passieren – heute lesen Sie die erste Jahreshälfte. Januar: Das Jahr beginnt für Volkswagen mit einem positiven Paukenschlag. Trotz schwächelnder Märkte präsentiert der Konzern Anfang Januar ein neues Rekordergebnis. Mit fast elf Millionen Fahrzeugen lieferte der Autobauer 2019 mehr Fahrzeuge aus als jemals zuvor. Bei aller Freude über die starke Bilanz sieht die Konzern-Spitze aber auch Warnsignale – von der Corona-Krise ahnt zu diesem Zeitpunkt allerdings noch niemand etwas. Stattdessen bereitet sich VW intensiv auf den Hochlauf der E-Mobilität vor. In Wolfsburg stellt der Konzern mobile Ladestationen auf – ein Geschenk des Unternehmens an die Stadt. Und Ende Januar startet dann in Wolfsburg die erste Auflage des riesigen Händler-Kongresses namens Brand Experience. Hier will VW Partner aus aller Welt sieben Wochen lang für die Herausforderungen der Zukunft fit machen und neue Modelle wie den Golf und den elektrischen Hoffnungsträger ID.3 intensiv promoten. Februar: In China bekommt VW die Pandemie nun mit aller Härte zu spüren. Anfang Februar müssen die Werke schließen, die Zwangspause wird dabei mehrmals verlängert. In Deutschland ist das Virus derweil noch nicht angekommen und alles läuft erstmal normal weiter. Dazu gehört etwa, dass in Wolfsburg – mit einigen Monaten Verzögerung – die Markteinführung des Golf 8 gefeiert wird und zwar mit dem PR-Gag der „8-TageWoche“. Zudem feiert der neue Caddy seine Weltpremiere. Und auch in Sachen Tarifpolitik dreht sich die Welt normal weiter. Die IG Metall fordert höhere Löhne und Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung. Im März kommt der Lockdown: März: Nun ist von Normalität nichts mehr zu spüren, das Corona-Virus ist endgültig in Europa angekommen. Bereits Anfang März bläst VW deshalb den Händler-Kongress in Wolfsburg frühzeitig ab. Mitte des Monats häufen sich dann Probleme in den Lieferketten. Auch in den VW-Werken gibt es dazu erste Infektionen. VW reagiert mit einer Reihe von Maßnahmen: Kantinen werden geschlossen, Homeoffice wird ausgeweitet, Schichten zeitlich entzerrt. Und dennoch kann der Gau nicht verhindert werden. Am 19. März wird die Produktion in den deutschen Werken gestoppt – vorerst für zwei Wochen, heißt es. April: Doch bei den zwei Wochen bleibt es freilich nicht. Schnell verlängert VW die Produktionspause, selbst die Tarifverhandlungen werden aufgrund der Pandemie mit einer Übergangslösung quasi bis Jahresende ausgesetzt. Derweil bereitet man sich intern auf den Wiederanlauf vor. Zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen wie die Maskenplicht und Sicherheitsabstände werden diskutiert und schließlich in einen umfassenden 100-Punkte-Plan gegossen. Am 27. April ist es dann soweit: Die Bänder rollen im Beisein von Ministerpräsident Stephan Weil wieder an. Am Wochenende davor feiert der Betriebsrat dies mit einer spektakulären Aktion. An das Wolfsburger Kraftwerk werden Mutmacher-Botschaften projiziert. Lesen Sie auch Jubiläum bei Volkswagen: Erster VW Käfer rollt vor 75 Jahren vom Band Führungstrio der Wolfsburger IG Metall spricht über Tarifrunde, Transformation und Corona VW-Werk in Wolfsburg: Golf-Fertigung ruht bis 18. Januar wegen fehlender Halbleiter Ein rassistischer Werbe-Spot erschüttert die VW-Welt: Mai: Die Freude über den Wiederanlauf wird schnell getrübt: Die Märkte sind fast komplett eingebrochen. Aufgrund der geringen Nachfrage muss Volkswagen im Mai wieder zahlreiche Schichten absagen und weiter Kurzarbeit für viele Mitarbeiter anmelden. Da kann es der Konzern gar nicht gebrauchen, dass Ende Mai nun auch ein Rassismus-Skandal die VW-Welt erschüttert. In einem Werbe-Spot für den Golf 8 sind rassistische Andeutungen zu sehen, der Shitstorm und die Empörung auch seitens des Betriebsrats sind riesig. Sowieso sorgt der Golf für Ärger. Die Vertrauensleute äußern massive Kritik am Anlauf des Bestsellers, unter anderem musste im Mai sogar die Auslieferung des Modells wegen Problemen mit der Software gestoppt werden. Konzern-Chef Herbert Diess gerät massiv unter Druck. In einer spektakulären Aufsichtsratssitzung kann eine Eskalation aber geradeso verhindert werden. Vor dem Bundesgerichtshof muss VW ebenfalls eine Schlappe hinnehmen: Die Richter sprechen den Diesel-Käufern im Abgas-Skandal ein grundsätzliches Recht auf Schadensersatz zu. Juni: Der Konflikt in der Konzern-Führung bleibt nicht ohne Folgen: Herbert Diess gibt Anfang Juni die Führung der Kernmarke an Ralf Brandstätter ab. An der Corona-Front heitert sich der Himmel hingegen etwas auf: Weil die Infektionszahlen sinken, kann VW die Schutzmaßnahmen in den Werken lockern. Am letzten Juni-Tag beendet VW zudem die Kurzarbeit. Derweil wird ein echtes Erfolgsmodell verabschiedet. Ende Juni läuft in Wolfsburg der letzte Golf 7 vom Band. Von Steffen Schmidt