Das Arbeitsgericht Braunschweig beschäftigt sich seit Montag mit der Klage des früheren Chef-Motorenentwicklers von Volkswagen gegen seine Kündigung im Diesel-Skandal. Der Autobauer hatte den 62-Jährigen im August 2018 fristlos entlassen, nachdem das Unternehmen die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Braunschweig einsehen durfte.
Nach Darstellung von VW soll der Ex-Manager im November 2006 den Einbau der Betrugssoftware in Dieselfahrzeuge für den US-Markt genehmigt haben. Der Kläger bestreitet diesen Vorwurf und fordert von VW entgangene Gehaltszahlungen von 32.000 Euro pro Monat sowie Sonderleistungen – insgesamt ein Betrag von rund 764.000 Euro. Volkswagen wiederum verlangt von dem Manager einen Schadensersatz für die milliardenschweren Kosten des Diesel-Skandals.
Gericht will Zeugen vernehmen
Die Verhandlung am Montag, die aus Platzgründen in den Räumen des Braunschweiger Verwaltungsgerichts stattfand, brachte zunächst kein Ergebnis. Der Richter legte beiden Parteien eine gütliche Einigung nahe. Der frühere Top-Manager, der seit 2014 aufgrund einer Vorruhestandsregelung von der Arbeit freigestellt ist, würde Ende Januar 2020 regulär aus dem Unternehmen ausscheiden. Falls es zu keiner Verständigung kommt, will das Gericht einen weiteren Termin ansetzen und eine ganze Reihe von Zeugen vernehmen. „Es gibt ganz wenige Dinge, die relativ klar erscheinen“, sagte Richter Lutz Bertram zu dem Verfahren.
Bei dem Treffen soll der Einbau der Betrugssoftware besprochen worden sein
Im Mittelpunkt des Falls steht eine Sitzung von Führungskräften bei Volkswagen am 15. November 2006, an der auch der Kläger als damaliger Chef-Motorenentwickler teilnahm. Bei dem Treffen soll der Einbau der Betrugssoftware für den neuen Dieselmotor EA189 besprochen worden sein, die dafür sorgte, dass Grenzwerte für Abgase nur auf dem Prüfstand, nicht aber auf der Straße eingehalten werden. Der Ablauf der Sitzung ist allerdings umstritten.
Die Betrugssoftware wurde intern „Akustikfunktion“ genannt
Nach Ansicht von VW hat der Manager den Einbau der verbotenen Abschalteinrichtung damals genehmigt oder zumindest seine Pflichten verletzt, indem er nichts gegen den Betrug unternahm. Das Unternehmen beruft sich dabei auf die Aussagen von Teilnehmern der Sitzung und eine dreiseitige Präsentation. Dass es sich bei der intern „Akustikfunktion“ genannten Software um etwas Illegales handelte, sei „an Deutlichkeit kaum zu überbieten gewesen“, sagte VW-Anwalt Thomas Müller-Bonanni.
Kläger will von Betrug nichts gewusst haben
Der frühere Top-Manager hat nach Angaben seines Rechtsanwalts Philipp Byers keine konkreten Erinnerungen an die Sitzung im November 2006 und könne die Ereignisse nur anhand von Aussagen und Protokollen rekonstruieren. Demnach sei aus der fraglichen Präsentation keineswegs hervorgegangen, dass die Projektverantwortlichen mittels einer Software die Abgasvorschriften in den USA unterlaufen wollten. Im Gegenteil sei der Eindruck entstanden, dass das Unternehmen in Gesprächen mit den US-Umweltbehörden über Abschalteinrichtungen für den Motorschutz steht. „Der Kläger konnte demnach davon ausgehen, dass mit transparenten Methoden mit den US-Behörden diskutiert wird“, sagte Byers.
Erst der Nachfolger soll Betrug genehmigt haben
Nach Darstellung des Klägers wurde die Betrugssoftware erst im Oktober 2007 von seinem Nachfolger als Chef der Motorenentwicklung genehmigt, der deshalb auch in den USA angeklagt wurde. Er selbst war bereits im Mai 2007 als Werkleiter nach Salzgitter gewechselt. Im September 2009 wurde er Konzernbeauftragter für Elektromobilität.
Von Florian Heintz