BGH entscheidet: VW haftet nicht für Software-Update

Die juristische Aufarbeitung des Diesel-Skandals schreitet weiter voran: Der Bundesgerichtshof fällte am Donnerstag erstmals eine Entscheidung bezüglich des zur Beseitigung der illegalen Abgas-Technik eingesetzten Software-Updates und damit der sogenannten Thermofenster. Demnach bestehen aufgrund des Software-Updates für den Skandal-Motor EA 189 keine Schadenersatzansprüche gegenüber Volkswagen. Anders als beim millionenfachen heimlichen Einsatz der illegalen Abgastechnik selbst sei VW hier kein sittenwidriges Verhalten mehr vorzuwerfen, teilten die Bundesrichter am Donnerstag in Karlsruhe mit. Im konkreten Fall hatte der Kläger seinen VW Tiguan mit dem Motor EA 189 erst im Herbst 2016 gekauft – also bereits ein Jahr nach Auffliegen des Diesel-Skandals. Wenige Monate später wurde das Software-Update auf sein Auto aufgespielt. Der Kläger argumentierte nun, dass die Motorensteuerung nach dem Update mit dem sogenannten Thermofenster eine ebenfalls unzulässige Abschalteinrichtung enthalten habe. Außerdem habe das Update negative Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch und den Verschleiß des Fahrzeugs. VW hat beim Einsatz von Thermofenstern nicht sittenwidrig gehandelt: Vor dem Landes- und dem Oberlandesgericht in Rheinland-Pfalz hatte war der Kläger bereits abgeblitzt. Nun wies auch der BGH seine Beschwerde dagegen ab, dass keine Revision zugelassen wurde. Die Begründung: Beim Software-Update und dem Einsatz des Thermofenstern sei VW kein sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen. Das gelte selbst dann, wenn es sich bei Thermofenster tatsächlich ebenfalls um eine unzulässige Abschalteinrichtung halte, was juristisch weiter noch ungeklärt ist. Lesen Sie auch Montag ist „Power Day“: Was verbirgt sich hinter Volkswagens Groß-Event? Accelerate: Das sagen VW-Mitarbeiter zur neuen VW-Zukunftsstrategie VW-Personalchef Gunnar Kilian kündigt wöchentliche Schnelltests ab April an Allein der Einsatz des Thermofensters sei nämlich nicht von vorneherein durch Arglist geprägt, stellte der Bundesgerichtshof klar. Denn diese Technik funktioniere – anders als die ursprüngliche Manipulationssoftware - im Labor genauso wie auf der Straße im normalen Fahrbetrieb. VW können also nicht vorgeworfen werden, seine Kunden und das Kraftfahrtbundesamt (KBA) vorsätzlich getäuscht zu haben und einen Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen zu haben. Das trifft umso mehr zu, da das KBA das Thermofenster und seine Wirkungsweise von Anfang kannte und das Software-Update genehmigte, wie Volkswagen bereits mehrfach betonte. „Wir begrüßen die Entscheidung des Bundesgerichtshof. Sie hat Auswirkung auf tausende anhängiger Verfahren. Wir gehen davon aus, dass diese nun zügig beendet werden können“, kommentierte ein VW-Sprecher die Entscheidung des BGH. Zumal man sich bei Volkswagen auch durchaus Signalwirkung erhofft. Endet jetzt die Klagewelle? Denn während es in diesem Fall um das Update für den Motor EA 189 ging, ist auch der Nachfolgemotor EA 288, in dem ebenfalls das Thermofenster verwendet wird, ins Visier der Klägeranwälte gerückt. Mehrere tausend Klagen auf Schadensersatz sind mittlerweile an den deutschen Gerichten anhängig. Der absolut überwiegende Teil wies die Ansprüche der Kläger bisher zurück – mit derselben Begründung, die jetzt der BGH lieferte. Dennoch warben und werben Anwaltskanzleien teilweise aggressiv und mit zumindest fragwürdigen Methoden um potentielle Kläger – auch weil eine Urteil des BGH in der Sache bisher fehlte. Revisionen wurden von den Klägern und ihren Anwälten bislang stets zurückgezogen. „Wir sehen, dass sich in Deutschland eine Klageindustrie entwickelt hat, der es nicht mehr um die rechtliche Klärung für ihre Mandanten geht, sondern um die eigenen Gebühren“, hatte Hiltrud Werner, Vorständin für Recht und Integrität bei Volkswagen, das Geschäftsgebaren scharf kritisiert. Nun also ist die erste Entscheidung in Sachen Thermofenster getroffen. Im Falle des Nachfolgemotors EA 288 stehen zudem ebenfalls zwei Verhandlungen vor dem BGH an, die allerdings noch nicht terminiert sind. Die Entscheidungen der obersten Zivilrichter, sofern sie den diesmal getroffen werden könne, dürften dabei kaum vom aktuellen Urteil abweichen. Ein Ende der Klagewelle und damit der juristischen Aufarbeitung des Diesel-Skandals ist also ein gutes Stück näher gerückt. Von Steffen Schmidt