Autostadt in Wolfsburg: WAZ testet den ersten Passat von VW

Die Autostadt hegt und pflegt in ihrer Sammlung so manche automobile Meilensteine. Manche sonnen sich im Glamour und sind die Hingucker bei jedem Klassikertreffen, andere schwimmen irgendwie nur am Rande mit. So wie der VW Passat I. WAZ-Redakteur Carsten Bischof durfte zwei 1974er Exemplare fahren – und war unerwartet begeistert. Fast auf den Tag genau vor 47 Jahren – am 13. September 1973 – stellte Volkswagen den Passat auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt vor. Als zwei- und viertürige Fließhecklimousine. Er sollte die Mittelklasse aufmischen. Als ich den weißen Zweitürer mit den vier Scheinwerfern sehe, muss ich sofort an den Audi 80 denken: „Kein Wunder“, lächelt Autostadt-Mechaniker Maik Döblitz. „Der Audi 80 ist die Basis des Passat.“ Video: WAZ-Redakteur fährt zwei Passat von 1974 Ich darf den Passat TS fahren: Rote Innenausstattung, sportliches Lenkrad, sechs Rundinstrumente, Radio, zwei (!) verchromte Außenspiegel – der erste Passat ist wirklich schick. Und für die damalige Zeit gut motorisiert: 85 PS schöpft er aus einem 1,5 Liter-Vierzylinder-Benzinmotor. Das reicht locker, um im Wolfsburger Stadtverkehr flüssig mitzufließen. Wir fahren zum Einkaufszentrum in Westhagen – und ich staune über den sensationell kleinen Wendekreis. Als würde man auf dem sprichwörtlichen Absatz kehrtmachen. Raus auf die Landstraße: Hier macht der Passat richtig Spaß. Klingt herrlich dumpf, beschleunigt schön linear und federt komfortabel. Wirklich souverän. Fast schon ein sportliches Coupe. Und zieht die Blicke von Passanten auf sich. Der Passat Variant glänzt mit seiner fröhlichen Farbe: Das tut sein gleichaltriger Bruder auch – vor allem wegen quietschfröhlichen Farbe: gelb-orange. Von innen ist der Variant eher schlicht, aber wie neu. Maik Döblitz lächelt wieder: „Kein Wunder, wir haben ihn komplett restauriert. Wir haben jede Schraube an dem Auto erneuert – er ist besser als neu.“ Stimmt: Gebrauchsspuren gibt es keine. Dafür aber einen riesigen Kofferraum – praktisch für das Mittagsschläfchen und den Baumarktbesuch. Viele automobile Meilensteine der Autostadt-Sammlung stehen im ZeitHaus der Autostadt. Hier sind aktuell 50 dieser Ikonen zu sehen, insgesamt präsentiert das ZeitHaus im Moment 60 verschiedene Marken. Das ZeitHaus soll mit wechselnden Ausstellung die Entwicklungsgeschichte des Automobils erlebbar machen. Geöffnet ist es täglich zu den Öffnungszeiten der Autostadt von 10 bis 18 Uhr. Und er ist schick: Mir persönlich gefallen Front- und Heckdesign mit rechteckigen Leuchten besser als beim Zweitürer – aber das ist Geschmackssache. In der Motorwertung verliert der Kombi deutlich: 1,3 Liter Hubraum, 55 PS – man hat Mühe, auf der Landstraße am flotten Zweitürer dranzubleiben. Aber auch der Variant fährt sich sehr leichtfüßig, die Leichtbauweise lässt grüßen. Auch sein Wendekreis ist erstaunlich gering. Und auch er wird von Passanten freundlich begutachtet – ein Sympathieträger. Leider sieht man ihn kaum noch auf den Straßen der Region, obwohl der Passat I 7,5 Millionen Mal gebaut wurde. Ideal wäre der Variant mit dem Motor der Fließhecklimousine: „Und“, fragt Maik Döblitz am Ende der Spaßfahrt, „welchen würdest Du nehmen?“ Ich habe mich ein wenig in den fröhlichen Variant verliebt. Aber bitte mit dem 85-PS-Motor aus der Fließheck-Limousine. Maik Döblitz lächelt ein drittes Mal: „Ich verstehe Dich...“ Lesen Sie auch Boxer-Ausfahrt: WAZ-Redakteur fährt Karmann Ghia und VW-Porsche 914 Von Carsten Bischof