Wolfsburger Oberbürgermeister Mohrs lehnt Impfpflicht für Pflegekräfte ab

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat eine Debatte über eine Impfpflicht für Pflegekräfte in Pflegeheimen gefordert – das kommt in Wolfsburg nicht gut an. „Ich lehne eine Impfpflicht ab. Wir müssen die Wolfsburgerinnen und Wolfsburger von der Wichtigkeit der Impfung überzeugen, denn es geht nicht nur um den eigenen Schutz, sondern auch um den Schutz der gesamten Bevölkerung“, sagte Oberbürgermeister Klaus Mohrs (SPD) am Dienstag auf WAZ-Anfrage. „Die Impfstoffe sind sehr effektiv und die Wahrscheinlichkeit der Nebenwirkungen durch eine Impfung ist geringer als an Corona zu erkranken.“ DRK-Vorstand verteidigt Pflegekräfte gegen Kritik in sozialen Medien: „Die in der Altenpflege tätigten Menschen, die ich kenne, sprechen sich gegen eine Impfpflicht aus. Alle sagen, es ist wichtiger, die Debatte zu versachlichen und auf diesem Wege Ängste und Befürchtungen aus dem Weg zu räumen“, sagt Bernadette Kersten, die selbst in der Altenpflege tätig war und inzwischen als Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro von Pia Zimmermann tätig ist, der pflegepolitischen Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag. „Ich sehe die Forderung von Herrn Söder nach einer Impflicht für bestimmte Personengruppen kritisch“, erklärte auch DRK-Vorstand Thorsten Rückert. Es zeige sich schon jetzt, dass sich immer mehr Mitarbeiter intensiver mit dem Thema beschäftigten und sich nach erfolgter Beratung auch impfen lassen wollten. Statt einer Verpflichtung müsse mit Aufklärung und Beratung versucht werden, Ängste zu nehmen. „Die freie Entscheidung über eine Impfung muss auch denen zugestanden werden, die mit vulnerablen Gruppen arbeiten, denn die Impfung dient ja in erster Linie dem Eigenschutz und nicht dem Fremdschutz“, sagte Rückert. Laut des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind die bereits in der EU zugelassenen Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sehr effektiv. Studiendaten zeigten, dass bei geimpften Menschen die Wahrscheinlichkeit um 95 Prozent geringer ist, an Covid-19 zu erkranken. Weil es die Impfstoffe noch nicht lange gibt, liegen noch keine Daten zur langfristigen Wirksamkeit vor. In welchem Maß die Übertragung von Viren durch geimpfte Personen verringert oder verhindert wird, also Dritte geschützt werden, ist noch nicht geklärt. Trotzdem bietet die Impfung einen guten individuellen Schutz vor der Erkrankung. Impfungen seien ein entscheidender Beitrag zur Eindämmung der Pandemie und könnten es ermöglichen, Kontaktbeschränkungen mittelfristig zu lockern. Dazu müsse aber ein Großteil der Bevölkerung einen Immunschutz gegen das Virus entwickelt haben, nicht nur vereinzelte Gruppen. „Von daher kann ich die zum Teil sehr heftige Kritik, auch in den sozialen Medien, an der aktuell noch verhaltenen Impfbereitschaft der Mitarbeitenden in der Pflege nicht nachvollziehen.“ „Man muss das im Einzelfall betrachten“: Heimleiter Christoph Grölz vom AWO-Wohn- und Pflegeheim Goethestraße äußerte sich ebenfalls skeptisch. „Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Impfquote beim Personal möglichst hoch liegt.“ Aufklärung und Freiwilligkeit sei aber der bessere Weg als eine Impfpflicht. Auch sei es wichtig, den Einzelfall zu betrachten. Einige Beschäftigte lehnten eine Impfung nicht grundsätzlich ab, reagierten aber beispielsweise allergisch auf Impfungen. Dr. Christian Bekermann, Wolfsburger Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, findet die Diskussion um die Impfpflicht ebenfalls „kontraproduktiv“. Damit die Impfbereitschaft steigt, brauche es Zeit und positive Erfahrungen von Geimpften: „Viele von denen, die jetzt noch skeptisch sind, werden später freiwillig nachziehen.“ Die Stadt Wolfsburg hatte in der vergangenen Woche mit den Impfungen in Pflegeeinrichtungen begonnen. Während sich im Schnitt 90 Prozent der Heimbewohner impfen lassen wollten, lag die Bereitschaft beim Pflegepersonal anfangs bei 50 bis 60 Prozent, nahm aber zuletzt laut der Träger allmählich zu. Auf den Vorstoß von Söder gab es zahlreiche Gegenstimmen, auch von Niedersachsens Landesvater Stephan Weil (SPD): „Die Diskussion über einen Impfzwang für bestimmte Berufsgruppen bringt uns keinen Schritt weiter. Sie ist sogar schädlich.“ Jetzt über einen Impfzwang zu räsonieren, löse eher mehr Misstrauen als mehr Impfbereitschaft aus. Von Christian Opel