Wolfsburger Arzt: Corona verdrängt andere Krankheiten

Erkältungen, Magen-Darm-Infekte oder die Grippe: Gefühlt spielen viele Infektionskrankheiten seit Beginn der Corona-Pandemie kaum noch eine Rolle. Nur gefühlt? Nein! Experten des Robert Koch-Instituts haben mittlerweile gegenüber der Nachrichtenagentur dpa bestätigt, dass andere Krankheiten im Vergleich zu den Vorjahren tatsächlich zurückgegangen sind. Das macht sich auch in Wolfsburg bemerkbar. „Das habe ich in 16 Jahren noch nicht erlebt“: „Dass ich zu dieser Jahreszeit so wenig Antibiotika verschreiben muss, das habe ich in 16 Jahren noch nicht erlebt“, berichtet Dr. Christian Bekermann, Allgemeinmediziner und Wolfsburger Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. Bekermann hat in Detmerode gemeinsam mit seiner Frau eine Praxis. Mit ihr habe er sich gerade erst darüber unterhalten, dass viele Infektionskrankheiten momentan deutlich seltener auftreten als in früheren Wintern. Das betrifft nicht nur diverse Atemwegserkrankungen: „Bei Kindern sind Magen- und Darminfekte zu dieser Jahreszeit normalerweise das Hauptgeschäft, das fällt praktisch komplett weg“, berichtet Bekermann. Letzteres hat Apotheker Dr. Henrik Dörschner ebenfalls bereits in seinem Bekanntenkreis gehört. Doch auch in seiner Apotheke stellt er fest: „Die klassische Erkältungswelle fällt deutlich geringer aus als in den vorherigen Wintern.“ Dr. Karsten Holz, Apotheker in Detmerode und Bezirksvorsitzender beim Landesapothekerverband Niedersachsen, sieht es ähnlich: „Wir beobachten da durchaus einen Rückgang. Das ist ein kleiner positiver Nebeneffekt der Pandemie.“ Die Corona-Regeln schützen auch vor Grippe, Erkältung und Magen-Darm-Infekten: Doch woran liegt es? Bekermann ist überzeugt, dass sich die niedrigen Infektionszahlen durch die Corona-Auflagen erklären lassen: „Die Abstandsregeln haben dabei einen großen Einfluss.“ Das sehen die Apotheker ähnlich. Dörschner vermutet: „Ich denke, dass sich der Rückgang größtenteils durch die Hygieneregeln und die Maskenpflicht erklären lässt.“ Dass seit dem Lockdown weniger Menschen in der Stadt sind und deshalb auch seltener eine Apotheke aufsuchen, spielt in seinen Augen eine untergeordnete Rolle. Coronavirus: Neuigkeiten und aktuelle Entwicklungen aus Wolfsburg und Umgebung erfahren Sie hier. 15 Corona-Neuinfektionen und ein Todesfall in Wolfsburg FFP2-Masken: Viele Wolfsburger warten noch auf Coupons der Krankenkassen Corona in Wolfsburg: Die aktuelle Zahl der Infizierten Corona-News für ganz Niedersachsen: Keine Prüfungen, keine Arbeiten, kein Sitzenbleiben? So geht der Schulbetrieb in Niedersachsen weiter Reimann: Lockdown wirkt sich auf Infektionszahlen nicht aus Müssen wir uns auf einen Lockdown bis Ostern einstellen, Herr Weil? Beim Grippeimpfstoff gibt es mittlerweile keine Engpässe mehr: Während klassische Produkte gegen grippale Infekte deutlich weniger gefragt sind als sonst, haben die Apotheken im vergangenen Jahr eine große Nachfrage bei zuvor eher weniger populären Produkten gespürt: „Im März waren es die Desinfektionsmittel und später die Masken. Die haben vor der Pandemie praktisch keine Rolle gespielt“, sagt Holz. Während im Winter 2019/20 viele Arztpraxen noch auf ihren Impfdosen sitzen blieben, sorgte im Herbst 2020 ein Ansturm auf den Grippeimpfstoff zwischenzeitlich für Engpässe. Mittlerweile habe sich die Situation aber entspannt, meint Dörschner: „Letztlich haben wir alle Patienten und Arztpraxen mit ausreichend Impfstoff versorgen können.“ Lesen Sie auch: Drei Tage Freistellung für VW-Beschäftigte zur Kinderbetreuung Bei aller Freude über den vorübergehenden Rückzug von Erkältungen, Grippe oder Norovirus birgt die Pandemie jedoch auch abseits einer Corona-Infektion neue Risiken für die Gesundheit: In der WAZ berichteten Physiotherapeuten bereits von einer zunehmenden Zahl von Patienten, die im Homeoffice unter Rückenschmerzen leiden. Bekermann bestätigt zudem, dass bei seinen Patienten zumindest subjektiv der psychische Leidensdruck zunehme. Von Melanie Köster