Zu den 80-jährigen Wolfsburgern, die der Stadt in der neuen WAZ-Serie zum 80. Geburtstag gratulieren, gehört auch meine Mutter Irmgard Müller. Im Gespräch erfuhr ich einiges, was ich noch nicht von meiner Familie und über Wolfsburg wusste.
Meine Mutter wurde im Juli 1938 in Fallersleben geboren, wo mein Opa Hermann Miesner im Rahmen des Arbeitsdienstes stationiert war. Meine Oma Alma stammte aus Sandkamp.
Die Familie Miesner hielt es hier nur nicht lange: 1939 ging es nach Hannover, später in den Harz. „Aber in den Ferien waren wir Kinder immer bei den Großeltern in Sandkamp“, erzählt meine Mutter, die auch während ihrer Ausbildung an der Frauenfachschule in Braunschweig dort wohnte. Später arbeitete und lebte sie im Kinderheim am Schachtweg, das dort stand, wo heute das Hallenbad ist. Und sie lernte bei einer Hochzeit in Sandkamp meinen Vati, Horst Müller, kennen. Meine Schwestern wurden 1959 und 1960 geboren. Mein Vater hatte Arbeit als Kraftfahrzeugschlosser bei VW, meine Mutter war nicht mehr Vollzeit berufstätig – sie verdiente jetzt aber eine Zeit lang als Putzkraft im Theodor-Heuss-Gymnasium etwas dazu.
Meine Großeltern väterlicherseits bewirtschafteten seit 1937 nebenberuflich einen gemieteten Hof auf dem Hageberg, mein Großvater transportierte in den 40er Jahren für Volkswagen Flugzeugteile nach Braunschweig. Das Bauernhaus gehörte damals zu Sandkamp. Später verkauften die Vermieter an die Stadt Wolfsburg. Die Folge: Meine Eltern, Schwestern und meine jetzt verwitwete Großmutter mussten raus, denn am Hageberg sollte ein Einkaufsmarkt gebaut werden. „Wo das Haus stand, ist heute eine Grünfläche an der Heinrich-Nordhoff-Straße. Ein alter Birnbaum steht dort noch“, erzählt meine Mutter und ergänzt: „Einige Sandkämper, die ans Werk verkauft haben, sind reich geworden.“ Viele wurden aber auch zum Verkauf gedrängt.
In Velstove bauten meine Eltern 1965 eines der damals beliebten, weil günstigen Fertighäuser. Im riesigen Garten war Kleintierhaltung erlaubt, und der Anbau von Spargel für den Eigenbedarf war möglich.
Die Dörfer entwickeln sich seither immer mehr zu Vorstadt-Wohngebieten. Velstove zum Beispiel wuchs zwischen 1939 und 1970 von gut 200 auf rund 600 Einwohner. Inzwischen sind es sogar mehr als 1100. Und im einst riesigen Garten steht jetzt ein zweites Haus, das meiner Nichte gehört. Im Jahr 1969 hatte es übrigens im Vorderhaus noch einmal Zuwachs gegeben: Die dritte Tochter kam an – ich.
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Von Andrea Müller-Kudelka