Wilder Müll: WAZ-Interview mit WAS-Chef Herbert Engel

Wilde Müllhaufen am Straßenrand, Karton- und Papierberge an Containern, Bauschutt in freier Natur: Viele Wolfsburger haben das Gefühl, dass immer mehr Müll illegal entsorgt wird - vielleicht auch wegen Corona und dem damit verbundenen Home Office. Stimmt das? Die WAZ fragte Dr. Herbert Engel, Chef der Wolfsburger Abfallwirtschaft und Straßenreinigung (WAS). Herr Dr. Engel, täuscht der Eindruck oder nimmt die Zahl der illegalen Müllablagerungen zu? Das Problem der illegalen Müllentsorgung an sich gibt es seit vielen Jahren. Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass die Aufwendungen bei der WAS für die Entsorgung wilder Müllablagerungen in den letzten Jahren signifikant zunehmen. Insbesondere seit 2018 sind deutliche Mehrbelastungen zu verzeichnen. Zahl der illegalen Müllablagerungen nimmt zu: Was heißt das in Zahlen? Wir hatten 2018 einen Arbeitsaufwand für die Entsorgung wilder Müllablagerungen von 32 500 Euro, 2019 waren es 41 000 Euro und in 2020 rechnen wir mit etwa 46 000 Euro. Die Kosten sind in erster Linie Personalkosten. Unsere Teams müssen ja von ihren festgelegten Routen abweichen, um woanders Abfall aufzusammeln und zu entsorgen. Um es ganz konkret zu machen: Aktuell haben unsere Sperrmüllfahrzeuge nahezu einen zusätzlichen Einsatz pro Arbeitstag, unsere Straßenreinigung rechnerisch 1,3 zusätzliche Einsätze pro Arbeitstag. Was sind das typischerweise für Einsätze? Es ist beispielsweise wilder Sperrmüll, wie er am Gerta-Overbeck-Ring in Reislingen-Südwest immer wieder vorkommt – das sind dann Sperrmüllhaufen, welche entweder einem legalen, also angemeldeten Sperrmüllhaufen ähneln. Oder eine wüste Ansammlung von Abfällen, die oft auch nicht sperriger Abfall sind. Auch sogenannte Beistellungen an Wertstoffsammelplätzen werden zurzeit verstärkt wahrgenommen – etwa Kartonagen an Altpapiercontainern. Wie in Wendschott am Sportplatz oder in Kästorf an den Altpapiercontainern. Die Gründe für die wilden Ablagerungen sind mir rätselhaft... Warum? Beispielsweise weil wir als WAS Sperrmüll nach Terminvergabe ohne zusätzliche Kosten abholen. Dieser Service kann bis zu viermal im Jahr in Anspruch genommen werden. Oder weil man zum Entsorgungszentrum am Weyhäuser Weg fahren kann, um dort seine Abfälle korrekt loszuwerden. Bei den Altpapiercontainern ist es häufig so, dass sie gar nicht voll sind, sondern nur der Schlitz verstopft ist. Viele Leute denken nicht weiter darüber nach und stellen ihre Kartonagen einfach neben den Containern ab. Die WAS holt es ja ab... Was kann man tun? Wenn wir das wüssten (lacht). In Kästorf haben wir ein Plakat am Container befestigt mit der Aufschrift: „Schön, dass Sie uns Ihre Verpackungen bringen. Werfen Sie diese aber bitte in den Container und nicht daneben!“ Mal schauen, was passiert. Vielleicht stellen wir an manchen Stellen zusätzliche Container auf. Zurück zu wilden Sperrmüllhaufen: Wie können Sie dieses Problem lösen? Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Wir sind auch nicht die, die ermitteln – das macht das Umweltamt der Stadt Wolfsburg. Wir sind die, die wegräumen. Aber die Untere Abfallbehörde der Stadt Wolfsburg hat uns folgende Information zur Verfolgung solcher Ordnungswidrigkeiten übermittelt: In 2019 wurden 107 Verfahren wegen illegaler Müllentsorgung eingeleitet, bis November 2020 sind es bisher 163 Verfahren. Bezüglich der möglichen Bußgeldhöhe können illegale Müllablagerungen gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz mit einer Geldbuße bis zu 100 000 Euro geahndet werden. Die Höhe des Bußgeldes richtet sich etwa nach Abfallart und -menge. Dr. Herbert Engel ist seit der Gründung 2005 Vorstand der Wolfsburger Abfallwirtschaft und Straßenreinigung (WAS). Vorher (2000 bis 2004) war er Geschäftsbereichsleiter Abfallwirtschaft und Straßenreinigung. Der Diplom-Bauingenieur ist 62 Jahre alt und hat am Lehrstuhl für Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart promoviert. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seine Hobbys sind vielfältig: Tanzen, klassische Musik, Wandern, Motorrad und Mountainbike fahren. Nur selten werden die Müllsünder ermittelt: Aber oft werden die Verursacher doch gar nicht ermittelt... Das stimmt. Die so entstehenden Kosten sind am Ende von allen Gebührenzahlern zu tragen, da die rechtssichere Ermittlung eines Verursachers, welchem die Kosten angelastet werden könnten, in der Praxis meist nicht erreicht wird. Hinzu kommt: Diese nicht geplanten Einsätze führen dazu, dass die hierbei gebundenen Kapazitäten meist in der regulären Sperrmüllentsorgung fehlen. Dies bedeutet nicht nur eine finanzielle Belastung der Gebührenzahler durch die Entsorgung wilder Müllablagerungen. Sondern auch eine Verminderung von Terminmöglichkeiten bei der regulären Anmeldung von Sperrmüllterminen. Die Folge sind längere Wartezeiten bei der Terminvergabe – aktuell noch verschärft wegen der Corona-Schutzmaßnahmen. Von Carsten Bischof