IG Metall Wolfsburg wählt Flavio Benites zum neuen Ersten Bevollmächtigten

Bei der Delegiertenversammlung der IG Metall Wolfsburg wurde am Dienstag überraschend Flavio Benites zum neuen Ersten Bevollmächtigten gewählt. Er stach damit die bisherige Zweite Bevollmächtigte Ricarda Bier aus, die den Posten seit April kommissarisch inne hatte. Bier war vor der Wahl die einzige Kandidatin für den Posten. Benites wurde erst am Wahltag als Gegenkandidat nominiert – und fuhr schließlich mit rund 76 Prozent der Stimmen einen haushohen Sieg ein. Mit ebenfalls breiter Zustimmung wurden der langjährige VW-Betriebsrat Christian Matzedda zum Zweiten Bevollmächtigten und Matthias Disterheft zum Kassierer gewählt. Dieser hatte das Amt bereits vorher inne. Sichtlich gut gelaunt trat das neuen Führungstrio am Dienstagabend nach einem langen Versammlungstag vor die Lokalpresse. „Wir danken allen Delegierten für das große Vertrauen“, sagte Matzedda. Zumindest diese drei schienen von der Kampfabstimmung um die Spitze der Wolfsburger IG Metall nicht kalt erwischt worden zu sein. „Ich wurde in den letzten Monaten von vielen Kollegen, Betriebsräten und Vertrauensleuten angesprochen und habe so eine breite Unterstützung gefühlt“, berichtete Benites. Daraufhin habe er sich entschlossen, sich als Erster Bevollmächtigter anzubieten, sollte er am Wahltag nominiert werden. Und so kam es schließlich auch. Disterheft betont: Wahl sei keine Abrechnung gewesen: Um eine Abrechnung mit dem alten Vorstand oder gar der geschlagenen Ricarda Bier habe es sich aber nicht gehandelt. „Der gesamte Vorstand wurde für die letzten vier Jahre einstimmig entlastet“, sagte Disterheft. Die Gegenkandidatur sei einfach aus dem demokratischen Prozess heraus entstanden. So überraschend die Wahl für Außenstehende ist: Flavio Benites ist in der Wolfsburger IG Metall kein Unbekannter. Der gebürtige Brasilianer war bislang als Politischer Sekretär bei der IG Metall Wolfsburg zuständig für das VW-Team und die internationale Gewerkschaftsarbeit. In den vergangenen Jahren entwickelte der 58-Jährige die gewerkschaftlichen Netzwerke mit den süd- und lateinamerikanischen Partnern sowie denen aus Mittel- und Osteuropa kontinuierlich weiter. Nach zehn Jahren in Wolfsburg ging der studierte Jurist 2016 für ein Jahr zum Vorstand der IG Metall nach Frankfurt am Main, um dort Erfahrungen im Ressort Industriestruktur- und Energiepolitik zu sammeln. Seit Oktober 2017 ist Benites in der Geschäftsstelle Wolfsburg wieder für die Kontakte und Kooperationen mit ausländischen Gewerkschaften zuständig. Führungstrio kennt sich schon lange: Den Bereich Internationales betreute Benites übrigens quasi gemeinsam mit dem neuen Zweiten Bevollmächtigten Christian Matzedda – dieser damals noch in seiner Funktion als Vertrauensmann. „Wir kennen uns schon lange“, erzählte Matzedda. Gleiches gilt für den dritten im Bunde. „In meiner Zeit als Betriebsrat haben Flavio und ich viele Probleme zusammen gelöst“, so Disterheft. Geschlossenheit demonstrierte das Trio auch gleich, wenn es um die Agenda für die kommenden Jahre geht. „Die größte Herausforderung ist die Transformation“, betonte Disterheft. Dabei gehe es aber nicht nur um den Erhalt von Arbeitsplätzen, ergänzte Benites. „Unsere Aufgabe ist es auch, weitere zukunftsfähige Arbeitsplätze anzusiedeln“, gab der neue Erste Bevollmächtigte die Richtung vor. Ricarda Bier war noch im Januar vom Wolfsburger Ortsvorstand einstimmig nominiert worden: Bei Ricarda Bier war die Laune hingegen denkbar schlecht. Für sie ist dieses Wahlergebnis eine herbe Niederlage. Die 34-Jährige war noch im Januar vom Wolfsburger Ortsvorstand einstimmig nominiert worden. Gegenkandidaten gab es bis Dienstag offiziell nicht. Zudem hatte die bisherige Zweite Bevollmächtigte den Posten bereits seit dem Übergang des langjährigen Ersten Bevollmächtigten Hartwig Erb in die Altersteilzeit kommissarisch ausgeführt. Dass Bier dauerhaft seine Nachfolge antritt, galt bis Dienstag quasi als sicher. Hinter den Kulissen muss es allerdings reichlich gebrodelt haben, wie das Wahlergebnis zeigt. Bier selbst hatte die Gegenkandidatur anscheinend ebenfalls völlig unerwartet getroffen. Als Erste verließ sie am Dienstagabend sichtlich mitgenommen den Congress Park. Zum Ergebnis wollte sie sich nicht wirklich äußern. „Ich bin nicht mehr im Amt, das müssen die jetzt sortieren“, sagte sie knapp. Das Ergebnis könnte im Übrigen auch als Schuss gegen den VW-Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh gewertet werden. Denn dieser hatte Ricarda Biers Kandidatur stets unterstützt. Lesen Sie auch Neue IG-Metall-Chefin zur Krise bei VW: „Wir haben gute Chancen“ IG Metall Wolfsburg verschiebt Wahl wegen Corona IG Metall Wolfsburg: Ricarda Bier für Spitzenamt nominiert Von Steffen Schmidt