Abiturienten der Neuen Schule fordern wegen Corona Durchschnittsnote

Ist es gerecht, dass die Schüler trotz Corona Abschlussprüfungen schreiben müssen? Der 13. Jahrgang der Neuen Schule Wolfsburg schreibt in einem Brief an den niedersächsischen Kultusminister Grant Hendrik Tonne: „Nein!“ – und zählt einige Begründungen auf. Die Schüler argumentieren für eine Aussetzung der zentralisierten Abiturklausuren, stattdessen schlagen sie eine Durchschnittsnote oder als Alternative dezentrale Abiturprüfungen vor. Die Jahrgangssprecher Noah Meyer und Sarah Fotsing sowie Vize Frederic Dinse haben den Brief aufgesetzt. Grundlage war eine Umfrage des ganzen Jahrgangs, in der jeder Schüler seine Sorgen und Vorschläge zum Abitur unter Corona-Bedingungen äußern konnte. Von den 77 Schülern im Jahrgang haben 74 Abiturienten abgestimmt, 67 Jugendliche haben sogar lange Texte verfasst. Tenor der Umfrage: Zukunftsängste, hohe mentale Belastung bei den Schülern, keine Freizeit und kein Ausgleich zum Stress. Jeder Wolfsburger Schüler hat unterschiedliche Voraussetzungen: „Unsere mentale Gesundheit leidet unter der sozialen Isolation, hinzu kommt der psychische Druck aufgrund der bevorstehenden Abiturprüfungen“, erklärt Jahrgangssprecherin Sarah Fotsing. In dem Brief an das Kultusministeriums heißt es: „Wir können uns schwer aufs Lernen und die Unterrichtsinhalte konzentrieren, wenn alles was wir den Tag über hören mit Corona zu tun hat und wir uns vor allem um unsere Angehörigen und um unsere generelle Zukunft sorgen und mit psychischen Folgen der Pandemie kämpfen müssen.“ Zudem betont der Jahrgangssprecher Noah Meyer, dass durch Corona eine starke Ungleichheit innerhalb der Schülerschaft entstanden sei. Dabei bezieht er sich auf die technische Ausstattung, die für das Homeschooling notwendig ist, die familiäre Situation bei den einzelnen Schülern oder Belastungen durch Erkrankung von Familienmitgliedern. „Im Zusammenhang mit dem Wechsel von Präsenzunterricht und Homeschooling führt das zu starken unfairen Voraussetzungen“, betont Meyer. Abschlussprüfungen oder Durchschnittsnote: Die Diskussion wird auch in Wolfsburg geführt. Bereits im Januar forderte der Wolfsburger Stadtelternrat, dass die Prüfungen ausgesetzt werden und Durchschnittsnoten auf Grundlage der bisherigen Leistungen vergeben werden. „Eine mit den Vorjahren vergleichbare Leistungsabforderung und -bewertung selbst innerhalb eines Schultyps verbietet sich, da die Schüler keine vergleichbaren Lernvoraussetzungen hatten“, erklärt Alexander Paul, Vorsitzender des Stadtelternrats. Daraufhin kritisierten Wolfsburger Schulleiter den Vorschlag des Stadtelternrats. Wolfgang Preuk, Schulleiter vom Phoenix Gymnasium in Vorsfelde, betonte, dass die Schüler im 13. Jahrgang im Vergleich zu anderen Jahrgängen am meisten Präsenzunterricht hatten. Zudem merkte er an, dass eine Durchschnittsnote als „Notabitur“ und somit nicht als gleichwertig angesehen werden könnte. Auch zwei Abiturientinnen vom Gymnasium Fallersleben sprachen sich gegen eine Durchschnittsnote aus, auch wenn die Vorbereitungen auf das Abitur durch Corona schwieriger seien. Zuletzt hatte sich der Vater Maurice Venticinque mit seinem Sohn Adrian gegenüber der WAZ zu der Diskussion geäußert. Die beiden sprechen sich für Durchschnittsnoten aus und betonen, dass bei der Entscheidung nicht die besten Schüler als Maßstab genommen werden dürften. „Die Durchschnittsnote ist ein faires Mittel, um allen Schülern eine Perspektive zu bieten“, sagt Venticinque. Zu wenig Unterricht für die Abiturienten an der Neuen Schule: Ein weiteres Argument für die Durchschnittsnote sei laut den Wolfsburger Schülern, dass der Unterricht trotz Streichungen im Kerncurriculum viel zu knapp ausgefallen sei. „Die Streichungen sind theoretisch ein netter Ansatz, jedoch überhaupt nicht ausreichend, wenn Schulen die gestrichenen Themen bereits behandelt haben und der Rest nur flüchtig vermittelt werden kann“, sagt Meyer. Lesen Sie auch Wolfsburger Stadtelternrat fordert Durchschnittsnoten statt Prüfungen Keine Abschlussprüfungen: Wolfsburger Lehrer kritisieren Vorschlag des Stadtelternrats Abi-Prüfungen: Durchschnittsnote ist für Wolfsburger Schüler keine Lösung Wolfsburger Vater: Durchschnittsnote ist gerechter als Abschlussprüfungen Somit fordern die Abiturienten der Neuen Schule, genauso wie der Wolfsburger Stadtelternrat, die Absage der Abiturprüfungen. „Die einzig vernünftige Lösung ist eine Durchschnittsnote, um der uns drohenden Massendepression junger Menschen entgegenzuwirken und ein Gefühl von Zukunftssicherheit zu vermitteln“, heißt es im Brief. Als Kompromiss schlagen die Schüler dezentrale Abiturprüfungen vor: Sollte das Kultusministerium sich gegen die Lösung entscheiden, schlagen die Wolfsburger Schüler als Kompromiss dezentrale Abiturprüfungen vor, die genauso wie die Klausuren unter Abiturbedingungen von den Kurslehrern erstellt werden. „Da die Fachlehrer die Klausuren konzipieren, können die Inhalte an den Unterricht angepasst werden“, erklärt Frederic Dinse, stellvertretender Jahrgangssprecher. Von Ann Kathrin Wucherpfennig