„Wie in einem Horrorfilm“: Quälerei in Sülfeld geht weiter

Die Brände und der Vandalismus auf dem Grundstück der Familie Koss sorgen für Unruhe in ganz Sülfeld – und jetzt wurde auch noch einer ihrer Autoreifen zerstochen. Inzwischen war nicht nur die Polizei vor Ort, sondern auch ein Fernsehteam. Bei den Sülfeldern kommen Erinnerungen an eine Serie von Zerstörungswut und Brandstiftungen rund um Sülfeld wieder hoch. Nur einen Tag nach dem letzten Brand auf dem Grundstück gab es den nächsten unschönen Vorfall: „Ich bin nachts rausgelaufen, weil die Lichter auf dem Grundstück angingen“, erzählt Lilia Koss über die Nacht zu Sonntag. Zu sehen war jedoch niemand mehr. Auf dem Weg zurück fiel ihr etwas Ungewöhnliches an ihrem Polo auf: „Erst dachte ich, der Reifen sei einfach nur platt.“ Doch beim näheren Hinsehen wurde klar: Jemand hatte ihn aufgeschnitten. Da das Auto genau dort stand, wo ihre Überwachungskameras nicht hinzeigten, habe sie weiterhin keinen Hinweis auf die Identität des Täters. „Ich habe das Gefühl, es spioniert mich jemand aus“, sagt Koss. Für die Geschichte interessiert man sich inzwischen über die Stadtgrenzen hinaus. Am Montag war ein Kamerateam vor Ort. Der Beitrag solle am Dienstag um 18 Uhr bei RTL Nord laufen, so Koss. Auch ein überregionales Fernsehteam hat bereits Interesse bekundet. „Das kann kein rationaler Mensch sein“: Roman Dettmann, der stellvertretende Ortsbürgermeister, ist beunruhigt: „Das muss jemand sein, dem das Entdeckungsrisiko völlig egal ist“, schätzt er. „Das kann kein rationaler Mensch sein.“ Der Täter halte längst nicht mehr nur die Familie Koss in Atem, weiß Dettmann auch: „Feuerwehr und Nachbarn schlafen auch schon mit einem Auge offen.“ Eine Bildergalerie zu den Einsätzen in Sülfeld: Die Erinnerung an die Brandserie vor zwei Jahren komme da ganz automatisch. 2019 war es zu mehreren Bränden im Bereich Sülfeld und Umgebung gekommen, die einen hohen Schaden auf landwirtschaftlichen Nutzflächen verursachten. Außerdem legte ein Unbekannter große Steine und Nagelbretter auf Straßen aus und beschädigte damit mehrere Fahrzeuge stark. Im Dezember 2019 nahm die Polizei einen 43-Jährigen fest, der die 45 ihm zur Last gelegten Taten auch eingeräumt haben soll. Mutmaßlicher Brandstifter von 2019 bisher nicht angeklagt: Nach WAZ-Informationen ist der mutmaßliche Täter auf freiem Fuß und bisher weder verurteilt noch angeklagt. Erst in den kommenden Wochen soll Anklage erhoben werden – allerdings vorerst nicht wegen der Brandstiftungen, sondern wegen der anderen Taten, die strafrechtlich schwerer wiegen. Polizei: Tatzusammenhang sei unwahrscheinlich: Die Polizei hält einen Zusammenhang mit den neuen Taten für unwahrscheinlich, auch, weil die jetzigen Täter es gezielt auf eine Familie abgesehen zu haben scheinen: „Das ist ein ganz anderer Modus Operandi“, fasst Polizeisprecherin Melanie aus dem Bruch zusammen. Die Polizei habe die betroffene Familie darüber beraten, wie sie sich nun am besten verhalten könne, so aus dem Bruch weiter. „Und wir haben da im Rahmen unserer Tätigkeiten ein Auge drauf.“ Nachbarn und Feuerwehr wollen helfen: Auch die Feuerwehr hat Hilfe angeboten und der Familie Koss, deren Sohn in der Jugendfeuerwehr tätig ist, eine Wildkamera aus privatem Besitz geliehen. Und nicht zuletzt sind die Nachbarn in dem dicht bebauten Gebiet inzwischen höchst wachsam. „Wir haben uns gegenseitig zugewunken, als ich letzte Nacht ums Haus gegangen bin“, berichtet Lilia Koss. Lesen Sie auch Zwei Brände in einer Nacht in Sülfeld Schon wieder: Feuerteufel in Sülfeld schlägt erneut zu „Psychoterror“ auf Grundstück in Sülfeld: Drittes Feuer in nur zwei Nächten Sicher fühlt sie sich trotzdem nicht: „Bis sie die Täter fassen, gibt es für mich keine Ruhe.“ Bei Einbruch der Dunkelheit verfalle sie in Panik, an Schlaf sei nicht zu denken, tagsüber könne sie kaum die Augen offen halten. „Ich komme mir vor wie in einem Horrorfilm.“ Lilia Koss kommt nicht zur Ruhe: Inzwischen hat die Sülfelderin sich Beruhigungstabletten verschreiben lassen. Gegen die Grübeleien helfen die aber nur wenig: „Ich frage mich immerzu: Was muss man getan haben, um so gehasst zu werden?“ Von Frederike Müller