Ärzte warnen: Immer mehr Fälle von Hautkrebs im Kreis Gifhorn

„Wir kommen gar nicht mehr hinterher.“ Immer häufiger wird Dr. Reiner Staudt fündig, wenn er die Haut seiner Patienten unter die Lupe nimmt und nach verdächtigen schwarzen Flecken absucht. Die Zahl der Hautkrebs-Fälle hat drastisch zugelegt. Der Hautarzt aus Gifhorn will das aber nicht allein Sonnenstudios ankreiden. Er sieht ein Verbot von Solarien als unbegründet an. Andere Konsequenzen wären viel wichtiger. Vor einem Vierteljahrhundert diagnostizierte Staudt einen schwarzen Hautkrebs pro Quartal. Meistens im fortgeschrittenen Stadium. Operation mit stationärem Aufenthalt und Chemotherapie waren Folgen. Heute entdeckt Staudt ein Melanom pro Woche. „Dafür ganz dünne.“ Mehr Fälle – und mehr Vorsorge: Das hat aus Sicht Staudts zwei Ursachen. Zum Einen gebe es mehr Fälle – „das liegt sicher nicht allein an Sonne oder Solarium“ –, zum Anderen sei die Vorsorge besser. Er lobt das deutsche System als bestes der Welt. Ab dem Alter von 35 Jahren haben gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf die „Früherkennungsuntersuchung auf Hautkrebs“, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Das soll möglichst frühzeitig ein Malignes Melanom (schwarzer Hautkrebs), Basalzellkarzinom oder Spinozelluläres Karzinom aufdecken. „Alle zwei Jahre kann diese Untersuchung wiederholt werden. Viele Krankenkassen bieten die Untersuchung auch öfter und bereits für jüngere Patienten an.“ Und deshalb seien die Melanome, die er heute entdecke, bedeutend kleiner – weil früher und häufiger nachgeschaut werde. Dann reiche schon ein Herausschneiden. Schutz ist wichtig: „Die Anzahl des schwarzen Hautkrebs’ nimmt zu, das ist schon reell“, sagt auch Dr. Klaus-Achim Ehlers, Kreissprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. Auch in seiner Hausarztpraxis fällt das zunehmend auf. Die Gefahren sollten die Menschen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schutz sei angesagt. „Ein Sonnenbrand sollte nicht passieren.“ Sein Tipp: Sich frühzeitig mit Sonnenschutz eincremen. „Die Haut hat ein Gedächtnis“, sagt Ehlers. Staudt pflichtet ihm bei: Die Folgen kämen oft erst Jahrzehnte später. „Viele wissen gar nicht, was sie ihrer Haut antun.“ Mehr anzeigen Sind beide deshalb Gegner von Solarien? Nein. „Ich bin gegen endgültige Entscheidungen“, kommentiert Staudt die Forderung nach einem Verbot von Solarien. „Man könnte auch Kneipen verbieten, weil Alkohol so gefährlich ist.“ Auch Ehlers ist kein Freund von Verboten. Aus Sicht beider Mediziner haben Solarien sogar medizinischen Nutzen. Nutzen von Solarien aus Sicht der Mediziner: So helfe ein Besuch im Sonnenstudio in der dunklen Jahreszeit gegen Winterdepression, sagt Ehlers. Staudt selbst hat ein Bestrahlungsgerät gegen Neurodermitis. Solarien seien durchaus eine Alternative, zum Beispiel wenn der Patient aus Wittingen anreisen müsste, nur um einige Sekunden unter seinem Gerät zu liegen. Da könnte er auch in ein örtliches Solarium gehen. „Natürlich ist die ärztliche Betreuung besser.“ Für Staudt ist deshalb wichtig, dass in den Sonnenstudios „Leute sitzen, die wissen, was sie tun“. Gegen eine moderate Nutzung von Solarien spricht aus Sicht der Gifhorner Ärzte Dr. Reiner Staudt und Dr. Klaus-Achim Ehlers nichts. Wie oft jemand ein Sonnenstudio besuchen sollte, hängt vom Hauttyp und von den Geräten ab. Deshalb rät Staudt nicht konkret in Minuten zu einer maximalen Nutzungsdauer. Pro Woche eine Viertelstunde hält Ehlers „nicht für schädlich“. Er schränkt diese Einschätzung mit der Voraussetzung ein, dass das Solarium in Ordnung sei. Ehlers warnt bei dieser Dosis vor zu hohen Beauty-Erwartungen. Braun werde man davon nicht. Was aus Staudts Sicht auch gegen ein Verbot spricht: „Die Unverbesserlichen werden Sie damit nicht erreichen.“ Die „Supergegrillten“ würden Mittel und Wege finden, sich auch weiterhin brutzeln zu lassen. „Und sie werden ihr Melanom bekommen.“ Von Dirk Reitmeister

Ärzte schlagen Alarm - Immer mehr Patienten mit schwarzem Hautkrebs