Konjunktur zieht an: In der Industrie wird Stahl knapp

Die Erholung der Industrie treibt die Stahlpreise in die Höhe und führt zu Lieferschwierigkeiten. Nachdem die Kunden im vergangenen Jahr zwischenzeitlich nur noch rund 400 Euro für eine Tonne zahlen mussten, kostet der Rohstoff in Europa aktuell etwa 700 Euro. Wer jetzt bestellt, muss sich zudem auf längere Wartezeiten einstellen. „Wenn es vom Auftrag bis zur Lieferung normalerweise acht bis zehn Wochen braucht, liegen wir mittlerweile bei bis zu 22 Wochen“, sagte der Präsident des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung, Hubert Schmidt, dem „Handelsblatt“. Produktion 2020 stark gesunken: Die Engpässe sind eine Folge der drastisch gesunkenen Nachfrage im vergangenen Jahr. Nach dem Ausbruch der Corona-Krise ging die Produktion in der Industrie stark zurück. Unternehmen bestellten weniger Stahl – und die Hersteller reagierten darauf mit der Stilllegung von Hochöfen und mit Kurzarbeit. „2020 war wahrscheinlich eines der schlimmsten Jahre für unsere Branche“, sagte Axel Eggert, Generaldirektor des Wirtschaftsverbands der europäischen Eisen- und Stahlindustrie Eurofer. In Deutschland schrumpfte die Stahlproduktion im vergangenen Jahr noch einmal um rund 10 Prozent, nachdem die erzeugte Menge bereits 2019 um 6,5 Prozent gesunken war – seinerzeit wegen der schwächelnden Autokonjunktur. Noch im dritten Quartal 2020 war die Stahlnachfrage in Europa um 8 Prozent geringer als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Mehr Hochöfen in Betrieb: Seither haben die Aufträge allerdings wieder deutlich zugelegt. Die Stahlhersteller verstärkten daraufhin ihre Produktion. Beim Marktführer Arcelor-Mittal sind von den 18 Hochöfen in Europa inzwischen wieder 16 in Betrieb. Thyssenkrupp und die Salzgitter AG haben die Kurzarbeit im Stahlbereich beendet und blicken verhalten optimistisch in die Zukunft. Lesen Sie auch: Kommentar: Nur eine Atempause Der Thyssenkrupp-Konzern teilte am Dienstag mit, dass die Auftragseingänge im Zeitraum von Oktober bis Ende Dezember 2020 um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen seien. Neben der wieder angezogenen Autoproduktion habe sich eine gute Nachfrage in der Hausgeräte- und der Bauindustrie positiv bemerkbar gemacht. Wieder „positiv gestimmt“: Bei der Salzgitter AG bleibt man jedoch vorsichtig. Das Unternehmen hatte 2019 den kleineren seiner drei Hochöfen am Konzernsitz für Reparaturen stillgelegt – noch sei nicht geplant, ihn wieder hochzufahren, sagte ein Unternehmenssprecher. Vorrang habe derzeit die Auslastung des Hüttenwerks HKM in Duisburg, das Salzgitter zusammen mit Thyssenkrupp und dem französischen Partner Vallourec betreibt. „Grundsätzlich sind wir aber positiv gestimmt“, sagte der Konzernsprecher. Bei Flachstahl sei die Salzgitter AG bis Ende Juni nahezu ausgebucht. Die Analysten der Ratingagentur Fitch erwarten jedoch, dass der rapide Preisanstieg beim Stahl nur von kurzer Dauer sein wird. Spätestens zum Beginn des Frühjahrs werde die Preisrallye auslaufen, weil inzwischen immer mehr Stahlhersteller ihre Produktion erhöhten, heißt es in einer aktuellen Studie. Zudem sei für den jüngsten Höhenflug besonders die starke Nachfrage aus der Autoindustrie verantwortlich. Die weitere Erholung dieser Branche sei aber wegen der Knappheit bei Halbleitern gefährdet. Von Jens Heitmann

Industrie: Konjunktur zieht an - der Stahl wird knapp