HAZ-Kommentar zur Deutsche Messe von Jens Heitmann

Wer es gewohnt ist, aus einer Position der Stärke zu verhandeln, verkennt offenbar leichter seine Schwäche, wenn sich die Vorzeichen ändern. Die IG Metall durfte bei Tarifverhandlungen mit der Deutschen Messe AG lange Zeit sehr sicher sein, dass der Vorstand ihren Forderungen wenig entgegenzusetzen hatte. Zum einen konnte sie sich auf viele Mitglieder in der Belegschaft stützen, zum anderen war auch im Management die Bereitschaft zur Bescheidenheit nicht sonderlich ausgeprägt. Beschauliche Bequemlichkeit: Wenn sich bei einem Unternehmen Pensionsrückstellungen von 52 Millionen Euro aufbauen können, um die Ansprüche von rund drei Dutzend Führungskräften abzudecken, sagt das viel über die vorherrschende Kultur. Die Gegenleistung fiel nicht ganz so üppig aus: In den obersten Etagen hat man sich nur zu gern darauf verlassen, dass die Hannover Messe und große Gastverstaltungen wie die Agritechnica oder die IAA Nutzfahrzeuge ein auskömmliches Grundrauschen garantieren. Unternehmerischer Ehrgeiz war eher etwas für die Konkurrenz. Bei dieser beschaulichen Bequemlichkeit blieb es auch, nachdem die Anteilseigner die Messe 2009 mit einer Kapitalerhöhung von 250 Millionen Euro retten mussten. Das Land Niedersachsen und die Stadt Hannover hätten schon damals dafür Sorge tragen können, ihr Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen. Dass sie darauf verzichtet haben, rächt sich in der aktuellen Krise: Nun sind tiefere Einschnitte nötig als bei einer moderaten Anpassung der Bezüge zu einem früheren Zeitpunkt. Angesichts der drohenden Insolvenz sind der IG Metall dieses Mal die Hände gebunden – damit kann die Gegenseite die Bedingungen diktieren. Von Jens Heitmann