David McAllisters Entscheidung steht fest: Bei der Landtagswahl 2018 in Niedersachsen will der 44-Jährige nicht als Spitzenkandidat für die CDU antreten. „Meine parlamentarische Zukunft liegt in Brüssel beziehungsweise Straßburg“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Damit spricht er erstmals öffentlich aus, was er wohl schon lange denkt, und was nicht wenige seiner Parteifreunde insgeheim schon befürchtet haben. Denn trotz der schmerzhaften Niederlage bei der Landtagswahl 2013 hofften viele in der Niedersachsen-CDU, dass McAllister bei der nächsten Abstimmung Amtshinhaber Stephan Weil (SPD) herausfordern wird.
McAllister aber hat andere Pläne. Am 1. Juli ist der Deutsch-Schotte seit einem Jahr Abgeordneter des Europaparlaments, mit Leidenschaft, Leib und Seele, wie er sagt. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, betont McAllister. Das Europaparlament mit 751 Abgeordneten aus 28 Nationen und 24 Sprachen sei „faszinierend, spannend und arbeitsintensiv“.
Doch zurück nach Niedersachsen. Denn seine Entscheidung dürfte hier nun die Debatte um den CDU-Spitzenkandidaten neu befeuern. Bislang hat sich mit dem amtierenden Landtagsfraktionschef Björn Thümler offiziell nur ein potenzieller Interessent für den Posten gemeldet. Die Namen anderer möglicher Kandidaten kursieren bislang nur in der Gerüchteküche - unter ihnen sind der frühere Kultusministers Bernd Althusmann und Landtagspräsident Bernd Busemann. Keiner hat es bislang öffentlich kommentiert oder dementiert.
Endgültig benannt werden soll der Herausforderer von Weil erst nach der Kommunalwahl am 11. September 2016. Damit will die Partei nicht nur unberechenbar für die SPD bleiben, sondern auch möglichst lang flexibel bleiben für mögliche Konstellationen und so die eigenen Chancen erhöhen. „An meinem Interesse hat sich nichts geändert“, sagt Thümler. Es bleibe aber dabei, dass es am Ende der oder die machen solle, der die besten Chancen auf den Sieg habe.
McAllisters späte Entscheidung überrascht Thümler nicht, beide verbindet nach eigenem Bekunden eine vertrauensvolle Freundschaft. „Ich finde es konsequent“, betont er. Das sei eine Kopffrage. „Jetzt ist für ihn die Zeit reif, es auszusprechen und er hat den Kopf frei für die Arbeit im EU-Parlament.“ Dass McAllister Fragen zu seiner politischen Zukunft bislang ausgewichen war, könne er gut verstehen. „Es ist aber auf Dauer für alle Beteiligten nicht hilfreich, sich alle Optionen offen zu halten.“
Ob McAllisters Entscheidung für Brüssel auch Einfluss auf dessen Posten an der Spitze der Landes-CDU hat, glaubt Thümler nicht. Es sei nicht gesagt, dass der Spitzenkandidat und im Falle eines Wahlsieges künftige Ministerpräsident auch Landesvorsitzender sein muss. „Es gibt viele gute Beispiele aus der Geschichte und anderen Bundesländern, wo dies so geregelt war“, sagt Thümler. Eine Machtverteilung habe aus seiner Sicht sogar Vorteile.
McAllister selbst scheint derzeit den kompletten Rückzug aus der niedersächsischen Landespolitik nicht anzustreben. „Niedersachsen und Deutschland sind meine private und politische Heimat“, sagt der Mann, dem nicht nur Journalisten gute Chancen zurechnen, in vier Jahren deutscher EU-Kommissar zu werden. Ende 2016 wird der neue Landesvorstand gewählt. Theoretisch könnte McAllister dann auch seinen Chefposten für den Spitzenkandidaten räumen.
Hinsichtlich seines Einflusses innerhalb der CDU wäre ein Verzicht für McAllister aber kontraproduktiv. Seit 2008 führt er den mit 63.000 Mitgliedern drittgrößten CDU-Landesverband in Deutschland. Nur in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hat die CDU mehr Mitglieder. Für sein Gewicht in der Bundespartei und mögliche spätere Schritte auf der Karriereleiter ist der Führungsposten an der Spitze des Landesverbandes von großer Bedeutung - McAllister braucht den politischen Spagat zwischen Brüssel, Straßburg und Hannover.
Marco Hadem