Müntefering selbst deutete am Montag in Berlin einen Verzicht auf den Vorsitz zugunsten des unterlegenen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier an. Es sei für ihn nie eine Frage gewesen, „wenn Steinmeier auch Parteivorsitzender sein sollte, dass das für mich auch sofort akzeptabel wäre“, sagte der SPD-Chef. Zu Spekulationen über seinen Rückzug sagte er, diese seien nahe an der Wahrheit. Der Parteichef soll Mitte November in Dresden gekürt werden.
Die SPD-Führung wolle über Konsequenzen aus der Schlappe „im Verlauf der nächsten Woche diskutieren“. In der übernächsten Woche werde dann das endgültige Tableau vorliegen. „Bis dahin werde ich meine Aufgabe als Parteivorsitzender weitermachen“, sagte Müntefering und bestätigte, dass es im Parteivorstand „zwei konkrete Aufforderungen des Rücktritts“ gegeben habe.
Müntefering fügte hinzu: „Ich habe darauf jetzt nicht reagiert“. Er habe aber „deutlich gemacht, dass ich als Vorsitzender um meine Verantwortung weiß“, betonte er. Er halte es allerdings für „völlig falsch“, nun „wegzulaufen“, und wolle mit seiner Erfahrung mithelfen, dass sich die SPD in geordneter Weise neu aufstelle.
Es sei „breite Meinung“ in der SPD-Führung gewesen, dass das „desaströse“ Wahlergebnis nicht am Spitzenkandidaten Steinmeier oder am Wahlkampf gelegen habe, sagte Müntefering. Die Ursachen lägen eher in den vergangenen Jahren. Die SPD habe offenbar Probleme mit ihrer Glaubwürdigkeit. Im Parteivorstand sei auch über „Hartz IV“ und die Rente mit 67 gesprochen worden.
Nach Informationen der „Rheinischen Post“ steht die SPD vor einem radikalen Umbau der Parteispitze. Es solle nicht nur Parteivize Steinmeier auf dem SPD-Parteitag Müntefering als Vorsitzenden ablösen. Geplant sei auch, die Zahl der Stellvertreter auf fünf zu erhöhen. Vize-Vorsitzende sollten neben Andrea Nahles auch Olaf Scholz, Klaus Wowereit und Sigmar Gabriel werden. Die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft wolle ebenfalls für einen Vize-Posten kandidieren. Der bisherige Stellvertreter Peer Steinbrück werde seinen Platz räumen, hieß es.
Steinmeier soll am Dienstag zum Fraktionschef gewählt werden. Müntefering ging zugleich davon aus, dass der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann im Amt bestätigt wird.
Unterdessen forderten SPD-Politiker in den Bundesländern den Rückzug Steinmeiers und Münteferings. Der Schweriner SPD-Fraktionschef Norbert Nieszery sprach sich gegen Steinmeier als neuen Fraktionsvorsitzenden aus. Nieszery sagte dem Sender NDR 1 Radio MV: „Herr Steinmeier hat das schlechteste Ergebnis der SPD in ihrer Geschichte zu verantworten.“ Da seien auch von ihm persönliche Konsequenzen gefordert.
Im größten Landesverband der SPD wurde Kritik am Vorsitzenden laut. „Müntefering ist nicht mehr zu halten“, hieß es aus dem Landesvorstand der nordrhein-westfälischen SPD. Der Parteichef wurde für das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten verantwortlich gemacht. Vor allem die Rente ab 67 und die Mehrwertsteuererhöhung hätten der SPD bei ihren Stammwählern in den vergangenen Jahren massiv geschadet. Gerade mit Blick auf die NRW-Landtagswahl am 9. Mai 2010 sei nun ein „Neuanfang in der SPD“ notwendig.
ddp