Statt Granaten werden in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota die Feuerzeuge angezündet. Zehntausende Studenten gehen in der Nacht zu Donnerstag in der Sieben-Millionen-Metropole – aber auch in vielen anderen Städten des lateinamerikanischen Landes – auf die Straße und zelebrieren so etwas wie die Geburtsstunde einer Friedensbewegung – ohne Molotow-Cocktails wie so oft bei Studentenunruhen. Sie entzünden Kerzen. Schweigend und in Weiß ermahnt Kolumbiens Jugend den Rest der Gesellschaft an ihre Verantwortung.
Das Nein zum Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und der Farc-Guerilla sorgt entgegen allen Befürchtungen nicht zu einem erneuten Aufflammen der blutigen Gefechte. Es stärkt die Demokratie in dem südamerikanischen Land. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät kommt der Friedensprozess damit auch an der Basis und auf der Straße an.
Krisentreffen elektrisiert die Kolumbianer
Endlich – erstmals seit fast sechs Jahren – haben sich Santos und sein ehemaliger Ziehvater, Vorgänger und inzwischen zum Intimfeind avancierte rechte Hardliner Alvaro Uribe (2002 – 2010) die Hände geschüttelt. Das Krisentreffen elektrisiert die Kolumbianer, einen solchen Auflauf hat es vor dem Präsidentenpalast schon seit Jahren nicht mehr gegeben, als Uribe am Morgen eines denkwürdigen Tages im Amtssitz „Casa Nariño“ eintrifft.
Damit sprechen die Führungsköpfe des Nein- und Ja-Lagers direkt miteinander und es wird ein schwerer Geburtsfehler der Friedensgespräche behoben. Denn nun haben auch Kolumbiens gewählte Volksvertreter, zu denen eben auch der im linken Lager verhasste Uribe zählt, einen gestalterischen Einfluss auf die Gespräche. Die fanden bislang in Havanna statt. Das ausgerechnet die Hauptstadt einer kommunistischen Diktatur Schauplatz von Gesprächen über Menschenrechtsverletzungen ist, gehört zu den großen handwerklichen Fehlern dieses Friedensprozesses.
Mit ihrem Nein haben die Kolumbianer deshalb die demokratischen Strukturen des Landes gestärkt. Denn sie haben dafür gesorgt, dass die Friedensgespräche endlich dort ankommen, wo sie eigentlich hingehören: In die demokratischen Institutionen und Volksvertretungen des Landes. Wie konstruktiv doch ein Nein sein kann.
Von Tobias Käufer