Eine junge Polizistin hat vor dem Landgericht Verden gestanden, ihr neugeborenes Kind mit einer Schere getötet zu haben. Ihr Anwalt verlas am Mittwoch in ihrem Namen eine einstündige Erklärung. Sie könne sich selbst nur noch bruchstückhaft erinnern, hieß es darin. „Ich kann mir nicht richtig erklären, was im Juli 2010 wirklich passiert ist.“ Die Anklage wirft der 25-Jährigen vor, den Jungen am 10. Juli in Scheeßel (Kreis Rotenburg) ermordet zu haben, weil sie ihren „bis dahin hohen Lebensstandard“ nicht habe einschränken wollen. Sie habe Angst gehabt, auf ihr Auto und eine geplante Motorradreise verzichten zu müssen.
Sie habe bei ihren Vernehmungen bei Polizei und Staatsanwaltschaft Angaben gemacht, die sie heute nicht mehr nachvollziehen könne, sagte die Angeklagte nach Worten des Verteidigers. „Ich stand völlig neben mir und war am Ende meiner Kraft.“ Die missverständlichen Äußerungen wolle sie in dem Prozess richtigstellen.
In dem Schriftstück schilderte die Beamtin die schwierige Beziehung zu ihrem Ex-Freund, dem Vater des Kindes. Nach der Trennung habe sie im Herbst 2009 einen Kollegen kennengelernt, der der „Mann ihrer Träume“ sei. Gedanken an eine Schwangerschaft habe sie verdrängt, weil sie fürchtete, ihren neuen Lebensgefährten zu verlieren. Sie habe zu dieser Zeit viel Schokolade gegessen und geglaubt, deshalb habe sie so viel zugenommen. Ihr neuer Freund habe auch nicht geahnt, dass sie ein Kind erwartete. Er habe ihr am 9. Juli einen romantischen Heiratsantrag gemacht. Nur wenige Stunden später setzten die Wehen ein.
Als die Schilderung der heimlichen Geburt begann, weinte die junge Frau im Gerichtssaal leise, biss sich auf die Lippen. In der Tatnacht seien die Schmerzen immer schlimmer geworden, las der Verteidiger vor. Erst da habe sie verstanden: „Oh Gott, ich bekomme ein Kind.“ Hilflosigkeit, Panik, Angst - diese Gefühle hätten sie gequält. Nach der Geburt habe sie mit einer Schere die Nabelschnur durchtrennen wollen. Das Baby habe sich zuerst nicht gerührt, doch dann ruckartig bewegt. „In diese Moment ist aus dem Schreck heraus etwas passiert“, erklärte die 25-Jährige. Es sei möglich, dass ihr die Schere ausgerutscht sei. Genaue Erinnerungen an diesen Moment habe sie nicht.
Die Angeklagte gab zu, das tote Neugeborene einige Tage in einer Plastikbox unter dem Gästebett versteckt zu haben. Danach habe sie die Leiche in ihren Rucksack gepackt, sei an einen Fluss gefahren und habe den Jungen dort bestattet. „Ich wollte mich ordentlich von dem Kind verabschieden.“ Erst dann gestand sie Kollegen die Tat.
Der Prozess wird am 23. Februar fortgesetzt.
dpa