In den USA waren die Kritiker genauso begeistert wie die Zuschauer: Sie machten das aufregende Entführungsdrama „Prisoners“ trotz seiner ungewöhnlichen Länge von rund zweieinhalb Stunden zu einem Kassenschlager. Nun kommt der Film des Kanadiers Denis Villeneuve, der mit „Die Frau, die singt“ (2010) schon mal für den Oscar nominiert war und nun sein Hollywood-Debüt feiert, auch bei uns ins Kino.
Schauplatz ist eine Kleine-Leute-Vorstadt in Pennsylvania, wo sich zu Thanksgiving die Familien Dover und Birch zu einem Fest treffen. Dann geschieht das Unfassbare. Die beiden jüngsten Kinder der Familien sind nach einem Spaziergang verschwunden. Verzweifelt wird nach ihnen gesucht. Doch auch die Polizei findet die zwei Mädchen nicht.
Schnell gerät der geistig zurückgebliebene Alex (Paul Dano) in Verdacht, der in der Nähe gesehen worden ist. Als er versucht zu fliehen, nimmt ihn der Polizist Loki fest, muss ihn aber aufgrund fehlender Beweise wieder laufen lassen. Nun greift der Vater eines der verschwundenen Kinder, Keller Dover, zur Selbstjustiz. Er entführt Alex und foltert ihn, um seine Tochter zurückzubekommen.
Das klingt nach „Ein Mann sieht rot“, doch der Film nach einem beachtlich vielschichtigen Drehbuch von Aaron Guzikowski hat mehr zu bieten. Es wird nicht nur ein ernstes moralisches Dilemma beschrieben, sondern es wird auch gezeigt, wie durchlässig die Grenze zwischen Gut und Böse ist. Der Zuschauer wird mit der unbequemen Frage konfrontiert, wie er denn selbst in so einer Situation handeln würde.
Bemerkenswert auch, wie ambivalent die Figuren charakterisiert sind, die durch gute Akteure verkörpert werden. Allen vor Hugh Jackman, der den von Rache besessenen Vater spielt. Jake Gyllenhaal gibt den Polizisten, der an seiner Aufgabe zu verzweifeln droht. Beide sollten sich mit ihrer Leistung fürs Oscar-Rennen qualifiziert haben.
Wie weit gehen Eltern? Spannender Thriller mit starker Besetzung. Cinemaxx, CineStar.
Von Ernst Corinth