Mitgliederschwund: Kirchengemeinde in Oldenburg schafft 10-Uhr-Gottesdienst ab

Eine evangelische Kirchengemeinde in Oldenburg scheut sich nicht vor radikalen Schritten, um für die Menschen in der Stadt attraktiver zu werden: In der Versöhnungskirche entfällt künftig der traditionelle 10-Uhr-Gottesdienst am Sonntagmorgen. Ab dem 9. April werden die Andachten am Sonntag stattdessen erst um 18 Uhr beginnen, erklärte Christian Kötter-Lixfeld vom ehrenamtlichen Gemeindekirchenrat Ohmstede. Feiern mit Talk statt lange Gottesdienste: Nicht nur die Anfangszeit ändert sich: Geplant seien statt der Gottesdienste dann rund halbstündige gottesdienstliche Feiern, in denen mit Gästen aus Politik, Gesellschaft und Kultur diskutiert werden soll. Anschließend solle es Gelegenheit zum gemütlichen Beisammensein geben. „Wir nehmen da eine Vorreiterrolle für viele Gemeinden ein“, sagte der geschäftsführende Pastor Christoph Fasse am Montag. Zwei Jahre lang habe die rund 11 000 Mitglieder umfassende Gemeinde über den Prozess beraten. „Wir haben junge Erwachsene vernachlässigt“: Erst im vergangenen Jahr habe eine Studie zur Mitgliederentwicklung in Deutschland gezeigt, dass insbesondere junge Erwachsene ab 25 Jahren die Kirche verlassen, betont Pastor Fasse. „Diese Gruppe haben wir in der Vergangenheit vernachlässigt. Mit den neuen Angeboten wollen wir für sie wieder interessant werden“, sagte er. Noch gebe es für die Oldenburger Kirchengemeinde keinen finanziellen oder personellen Druck. „Aber wenn wir jetzt aus der Fülle heraus nicht handeln, können wir später nur noch reagieren“, betonte Fasse. Oldenburger Beispiel könnte Schule machen: Das Oldenburger Beispiel könnte Schule machen. Erst im Dezember hatte der amtierende Stadtsuperintendent der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Thomas Höflich angesichts des anhaltenden Mitgliederschwunds gefordert, die kirchlichen Angebote der Lebenswirklichkeit der Menschen anzupassen. „Es ist unklug, dass 80 Prozent aller Gottesdienste am Sonntag zwischen 9.30 Uhr 10.30 Uhr beginnen.“ Auch müssten unterschiedliche Zielgruppen ganz unterschiedlich angesprochen werden. „Die Kirche krankt an ihrem Gottesdienst“: Noch deutlicher wird der evangelische Theologe Professor Gerhard Wegner: „Die Kirche krankt an ihrem Gottesdienst“, so das Fazit einer Studie des ehemaligen Direktors des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Vor allem Menschen zwischen 35 und 45 Jahren, die schon als Konfirmanden schlechte Erfahrungen gemacht haben, blieben dem klassischen Sonntagsgottesdienst fern. „Es zieht sich oft eine depressive Grundstimmung durch.“ EKD will gezielt Konfessionslose ansprechen: Um den Mitgliederschwund zu stoppen, will die Evangelische Kirche gezielt neue Zielgruppen ansprechen. Man wolle unter anderem den Raum für Auseinandersetzung eröffnen und die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Kommunikation des Evangeliums verbessern, heißt es in dem am Montag in Hannover veröffentlichten Grundlagentext „Religiöse Bildung angesichts von Konfessionslosigkeit“. Erstmals stünden Konfessionslose damit systematisch im Mittelpunkt einer EKD-Veröffentlichung, betont der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im Vorwort. Etwa 30 Millionen Menschen in Deutschland haben laut EKD keine Konfession. Gemeindezentrum wird Stadtteilzentrum: In Oldenburg macht die Kirchengemeinde Ohmstede unterdessen auch andernorts Nägel mit Köpfen: An einem weiteren Standort, im Stadtteil Nadorst, soll das aus dem Jahr 1971 stammende Gemeindezentrum an die Stadt verkauft werden, die in dem Bezirk ein soziales Stadtteilzentrum plant. „Die Menschen wollen dort keine Gottesdienste, brauchen aber sozial-diakonische Unterstützung“, erklärte Pastorin Birgit Pflugrad. Zusammen mit der Diakonie werde derzeit überlegt, welche diakonischen Arbeiten künftig dort angeboten werden sollen. Lesen Sie auch: Mitgliederschwund der Kirchen: Schuld ist der Gottesdienst Wissenschaftliche Studie: Kirchen verlieren bis 2060 die Hälfte ihrer Mitglieder Von epd/rör

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