Misshandlungsvorwürfe in rumänischem Heim: Angeklagter Leiter ist zurück in Deutschland

Knapp anderthalb Jahre nach einer Razzia wegen angeblicher Versklavung von Kindern in einem rumänischen Kinderheim für auffällige Deutsche ist der damals Hauptbeschuldigte, Heimleiter Bert Schumann, auf freiem Fuß und zurück in Deutschland. Dazu kommt: Die vier deutschen Jugendlichen, die die Vorwürfe erhoben hatten, wollen offenbar nicht mehr aussagen. Das hätten mehrere der Jugendlichen ihm per Brief mitgeteilt, sagt Dirk Precht, Leiter des Jugendhilfeträgers Wildfang in Bothel (Landkreis Rothenburg). Vorwürfe sorgten für Entsetzen: Die Vorwürfe gegen das rumänische Jugendhilfeprojekt Maramures, in dem verhaltensauffällige deutsche Kinder schwer misshandelt worden sein sollen, hatten weltweit für Entsetzen gesorgt. Die Anschuldigungen der vier Heiminsassen reichen von Menschenhandel und illegaler Freiheitsberaubung bis zu Sklaverei. Rumänische Behörden hatten mehrere Razzien durchgeführt, den Heimleiter und rumänische Mitarbeiter in U-Haft genommen und Bargeld in Höhe von knapp 150.000 Euro beschlagnahmt. Die Jugendhilfeeinrichtung Wildfang hatte die meisten der schwer erziehbaren deutschen Jugendlichen in die rumänische Einrichtung vermittelt. Das Projekt Maramures ist mittlerweile geschlossen. Rumänische Ermittlungseinheit äußert sich nicht: Drei der vier Jugendlichen, die das Verfahren damals ins Rollen brachten, befänden sich wegen begangener Straftaten in Deutschland mittlerweile in Haft oder in sogenannten Haft vermeidenden Maßnahmen, berichtet Wildfang-Chef Precht weiter. Die vier Jugendlichen seien zum letzten Mal im September 2019 von den rumänischen Strafverfolgungsbehörden befragt worden. Danach reisten sie nach Deutschland aus. Mittlerweile seien sie allesamt volljährig. Späteren Ladungen der Strafverfolgungsbehörden seien sie nicht gefolgt, sagt Precht. Die zuständige rumänische Ermittlungseinheit für organisierte Kriminalität und Terrorismus (DIICOT) äußerte sich dazu auf Anfrage nicht. Das niedersächsische Landesjugendamt und das Sozialministerium haben nach eigenen Angaben keine Informationen über den Aufenthaltsort der Jugendlichen und zu deren Straftaten. Im Februar 2020 – ein halbes Jahr nach der ersten Razzia – hatte die rumänische Ermittlungseinheit DIICOT Anklage gegen insgesamt 14 Beschuldigte erhoben. Das Verfahren kommt allerdings nur schleppend voran. Nach Angaben von DIICOT liegt es mittlerweile bei dem Gericht Maramures in Baia Mare, der Hauptstadt des Kreises, in dem auch das Kinderheim liegt. Nach Informationen der HAZ hat ein dortiger Richter die Meldeauflagen gegen den Heimleiter und die anderen 13 Beschuldigten aufgehoben. Ein Widerspruch von DIICOT scheiterte. Nach der Entlassung aus der U-Haft und mehrmonatigem Hausarrest hatten die Verdächtigten sich einmal wöchentlich bei der örtlichen Polizei melden und jeden Kontakt untereinander vermeiden müssen. Zudem durften sie das Land nicht verlassen. Prozessbeginn in ein bis zwei Jahren erwartet: Wildfang-Chef Precht rechnet aufgrund von Angaben von Anwälten und Gerichten mit einem Prozessbeginn in ein bis zwei Jahren, ein Urteil erwartet er „in drei bis fünf Jahren“. In Deutschland lösten die Ermittlungen eine Debatte über Auslandsaufenthalte von auffälligen Kindern aus. Sogar Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) schaltete sich ein und forderte Kontrollen vor Ort. Auffällig war: Viele andere der Jugendlichen aus dem Heim bestätigten die Vorwürfe nicht. Von Jutta Rinas